Sturmflut und Stromausfälle in Florida
Hurrikan „Ian“hat das Urlauberparadies in weiten Teilen verwüstet. Gouverneur DeSantis spricht von einem nie dagewesenen Ausmaß.
FORT MYERS Nick Underwood bringt so schnell nichts aus der Ruhe. Wenn ein Hurrikan heranzieht, klettert der Klimaforscher der „National Oceanic Atmospheric Administration“(NOAA) an Bord eines Propellerflugzeugs und steuert mit seiner Crew in das Auge des Sturms. Dort sammeln die Experten Daten, die unter anderem dabei helfen, den Pfad eines Hurrikans vorherzusagen. Was Underwood diesmal erlebte, verunsicherte den Veteranen von 76 Erkundungsflügen. „Ich habe niemals so viele Blitze gesehen“, beschreibt er die Erfahrung im Zentrum von Hurrikan „Ian“, der am Mittwochnachmittag (Ortszeit) mit Windgeschwindigkeiten von über 240 km/h auf der Insel Cayo Costa vor dem dicht besiedelten Ferienziel Fort Myers auf Land traf.
Was die NOAA-Crew in ihrer Maschine erlebte, war so außergewöhnlich, wie das, was„Ian“im Südwesten Floridas anrichtete. Er folgte ziemlich genau dem Pfad wie Hurrikan „Charley“, der 2004 im Südwesten Floridas eine Schneise der Zerstörung hinterließ. Mit dem Unterschied, dass
„Charley“sehr viel kleiner war als „Ian“, dessen Sturmsystem sich über 225 Kilometer weiter erstreckte. Die massive Ausbreitung brachte neben Winden der zweithöchsten Kategorie sintflutartige Regenfälle, die auch im Landesinneren Bachläufe und Flüsse anschwellen ließen. Entlang der flachen Westküste zwischen den Everglades und Tampa stieg der Meeresspiegel durch die Sturmfluten zum Teil auf vier Meter über Normal an und führte zu Überschwemmungen in dicht besiedelten Wohngebieten.
Besonders betroffen ist der Großraum von Fort Myers, in dem schätzungsweise mehr als 200 000
Menschen die Anweisungen der Behörden ignorierten, ihre Häuser zu verlassen und Schutz zu suchen. Thomas Podgorny bedauert seine Entscheidung. Er saß am Donnerstag mit drei anderen Personen in seinem Haus fest, dessen Erdgeschoss unter Wasser stand. Aus der oberen Etage konnte er beobachten, wie Autos durch die überschwemmte Nachbarschaft trieben. Immerhin sei er in Sicherheit, erzählte er im Fernsehen. Er wisse nicht, wie es seinen Nachbarn ergangen sei. „Die haben in ihrem ebenerdigen Haus nicht viel Luft nach oben.“
Angesichts des Anbruchs der Dunkelheit und des anhaltend schlechten Wetters blieben die Zahl der Opfer des Hurrikans und die Höhe des Schadens zunächst unklar. Bei Tagesanbruch begannen große Such- und Rettungsaktionen aus der Luft, auf dem Wasser und wo möglich auf dem Land. Mehr als 2,5 Millionen Menschen waren ohne Strom, vielerorts gab es kein sauberes Trinkwasser.
US-Präsident Joe Biden hatte früh den Notstand ausgerufen und Geld der Katastrophenhilfe Fema für alle 67 Bezirke des Sonnenstaats freigegeben. „Wir werden Ihnen bei den Aufräumarbeiten und dem Wiederaufbau helfen“, versprach Biden den Betroffenen. Die Fema-Leiterin Deanne Criswell, sagte: „Hurrikan ,Ian‘ wird ein Sturm sein, über den wir noch jahrzehntelang sprechen werden.“
Der republikanische Gouverneur Ron DeSantis, der im November zur Wiederwahl antritt, sprach von einem „historischen Sturm“, der „die Nachbarschaften im Südwesten Floridas verändern und weitreichende Auswirkungen auf unseren Bundesstaat haben wird.“Eine schwierige Zeit liege vor den Betroffenen. „Wir bitten die Menschen, an uns zu denken und für uns zu beten.“
„Ian“schwächte sich über der Halbinsel Richtung Atlantik zu einem tropischen Sturm ab. Über dem Meer dürfte er erneut an Kraft gewinnen. Im Visier sind dann Georgia sowie South und North Carolina, wo „Ian“am heutigen Freitag ein weiteres Mal auf Land trifft.