Der UN-Sicherheitsrat und die Quadratur des Kreises
Praktisch alle Mitglieder sind sich einig, dass der UN- Sicherheitsrat reformiert werden muss. Eine schnelle Einigung ist trotzdem nicht in Sicht.
(AP) Fast acht Jahrzehnte nach seiner Gründung erscheint die Zusammensetzung des UN-Sicherheitsrats kaum noch zeitgemäß. Noch immer können fünf Staaten mit ihrem Vetorecht wichtige Entscheidungen blockieren, während anderen Ländern nur eine limitierte Mitsprache gewährt wird. Dies ist seit langem heftig umstritten, doch nationale Interessen und regionale Rivalitäten haben den als dringend notwendig erachteten Reformprozess immer wieder aufgehalten. Nun hat die Debatte infolge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine neue Impulse erhalten, da Russland sein Vetorecht wiederholt für seine eigenen Interessen genutzt hat.
Die Vereinten Nationen wurden am 24. Oktober 1945 mit dem Ziel gegründet, „künftige Geschlechter vor der Geißel des Krieges zu bewahren“, wie es in der Präambel der UN-Charta heißt. Darin wird dem Sicherheitsrat „die Hauptverantwortung für die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit“übertragen. Fünf der 15 Mitglieder gehören dem Gremium ständig an und haben Vetorecht – die USA, Russland, China, Großbritannien und Frankreich. Zehn weitere Mitglieder aus unterschiedlichen Teilen der Welt werden für jeweils zwei Jahre von der UNGeneralversammlung bestimmt. Ein Vetorecht steht ihnen nicht zu.
Diese Zusammensetzung mag kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs sinnvoll gewesen sein. Inzwischen aber hat sich die weltpolitische Lage stark verändert. Vor allem die Länder Afrikas, Lateinamerikas und der Karibik verlangen mehr Repräsentanz. Doch die Siegermächte von damals „weigern sich, die Reformen in Erwägung zu ziehen, die infolge der neuen Machtverhältnisse notwendig wären“, wie UN-Generalsekretär António Guterres schon 2020 in einer Rede beklagte. Und er fügte hinzu: „Ungleichheit beginnt ganz oben – in den globalen Institutionen. Diese muss man reformieren, wenn man Ungleichheit abbauen will.“
US-Präsident Joe Biden stieß kürzlich bei der UN-Generalversammlung in New York ins selbe Horn: „Es ist an der Zeit, dass dieses Gremium einen inklusiveren Charakter bekommt, damit es auf die Belange der heutigen Welt besser reagieren kann.“Biden plädierte für eine Vergrößerung des Sicherheitsrats mit ständigen Sitzen auch für Länder aus Afrika, Lateinamerika und der Karibik sowie für Deutschland, Japan und Indien. Letzteres befürworten die USA schon länger.
Auch der russische Außenminister Sergej Lawrow sprach sich vor der Vollversammlung am vergangenen Samstag für einen „demokratischeren“Sicherheitsrat aus. Dieser sollte die Länder des globalen Südens besser repräsentieren sowie Brasilien und Indien einen permanenten Sitz gewähren. Deutschland und Japan bezeichnete er auf seiner anschließenden Pressekonferenz indes als „feindliche“Staaten, die keine neuen Ideen in den Sicherheitsrat einbringen würden, da sie doch nur „nach der Pfeife der USA“tanzten. Solche Bemerkungen lassen kaum auf eine baldige Einigung hoffen, der Reformprozess gleicht da eher einer Quadratur des Kreises.
Eine Veränderung hat die Generalversammlung in diesem Jahr immerhin beschlossen: Wenn eines der ständigen Sicherheitsratsmitglieder sein Vetorecht geltend macht, muss es sich vor allen 193 UN-Mitgliedsstaaten dafür rechtfertigen. Auf jeden Fall aber hat der US-Präsident mit seiner Rede vor der Vollversammlung der Debatte neuen Auftrieb verliehen, wie der US-Diplomat David Scheffer sagte: „Bidens Vorschlag akzeptiert die Realitäten in der Welt von heute anstatt in der von 1945. Die Vereinigten Staaten müssen als Supermacht künftig zu mehr Kooperation bereit sein, und dies könnte ein wichtiger Schritt in eben diese Richtung sein.“
„Es ist an der Zeit, dass dieses Gremium einen inklusiveren Charakter bekommt.“
Joe Biden US-Präsident