Saarbruecker Zeitung

Erdogan zeigt Kubicki wegen „Kanalratte“an

Klein, niedlich und verschlage­n? FDP-Politiker Kubicki provoziert den türkischen Präsidente­n mit einem Tiervergle­ich – Konsequenz­en fürchtet er nicht.

- VON MIRJAM SCHMITT UND CARSTEN HOFFMANN

KÖLN/BERLIN/HILDESHEIM (dpa) Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat den FDP-Politiker Wolfgang Kubicki wegen eines umstritten­en Tiervergle­ichs angezeigt. Der Anwalt für Strafrecht, Mustafa Kaplan, sagte am Freitag, er habe im Namen Erdogans bei der Staatsanwa­ltschaft in Hildesheim Anzeige wegen Beleidigun­g und Verleumdun­g gestellt. Eine Sprecherin der Behörde bestätigte die Anzeige. Zuvor hatte das Nachrichte­nmagazin Spiegel darüber berichtet.

Kubicki hatte den türkischen Präsidente­n im Zusammenha­ng mit dessen Flüchtling­spolitik als „kleine Kanalratte“bezeichnet – und damit bereits am Dienstag heftigen Protest aus der Türkei ausgelöst. Ankara bestellte den deutschen Botschafte­r ein und ließ diesen wissen, dass die Äußerungen Kubickis aus türkischer Sicht inakzeptab­el seien sowie jeder politische­n Moral und Verantwort­ung entbehrten. Das Auswärtige Amt wiederum hatte sich indirekt von Kubickis Äußerungen distanzier­t.

Der Fall erinnert an die „Affäre Böhmermann“aus dem Jahr 2016. Damals hatte der TV-Satiriker Jan Böhmermann ein Schmähgedi­cht über Erdogan verfasst und den Präsidente­n dabei unter anderem mit Sex mit Tieren in Verbindung gebracht. Das löste einen diplomatis­chen Eklat aus, Erdogan zeigte den Satiriker an – und erlangte einen Teilerfolg. Einige Passagen des Gedichts wurden verboten.

FDP-Vize Kubicki machte auf dpaAnfrage deutlich, dass er einem möglichen Rechtsstre­it mit Erdogan sorglos entgegensi­eht. Laut Spiegel heißt es in dem Schreiben Kaplans an die Staatsanwa­ltschaft, die Äußerung des Bundestags­vizepräsid­enten sei geeignet, die betroffene Person „verächtlic­h zu machen“. Es handele sich um einen „rechtswidr­igen Angriff auf die Ehre einer anderen Person.“

Kubicki sagte dazu: „Die Tatsache, dass Herr Erdogan seit Beginn seiner Amtszeit im Jahr 2014 rund 200 000 solcher Verfahren hat einleiten lassen, sagt eigentlich schon alles. Ich sehe jedenfalls einer möglichen juristisch­en Auseinande­rsetzung mit Gelassenhe­it entgegen.“Im Gegensatz zur Türkei sei Deutschlan­d ein Rechtsstaa­t, in dem die Meinungsun­d Äußerungsf­reiheit zentralen Verfassung­srang habe.

Der FDP-Politiker spielt damit wohl darauf an, dass Erdogan auch in der Türkei immer wieder Menschen wegen Präsidente­nbeleidigu­ng verklagt. Medienberi­chten zufolge stellte der Präsident seit Beginn seiner Amtszeit vor acht Jahren tatsächlic­h rund 200 000 Anzeigen. Erfolgreic­h waren sie aber nicht immer: Wie die Zeitung Cumhuriyet berichtete, mündeten rund 45 000 dieser Anzeigen in Prozesse und in rund 4900 Haftstrafe­n.

Kubicki hatte den Tiervergle­ich nach vorherigen eigenen Angaben in Zusammenha­ng mit der Flüchtling­spolitik der Türkei gewählt. Erdogan habe einen für die Türkei vorteilhaf­ten Deal mit der Europäisch­en Union zur Reduzierun­g der Flüchtling­szahlen abgeschlos­sen. „Gleichwohl müssen wir sehen, dass die Flüchtling­swelle über die Balkanrout­e wieder zunimmt, was erneut Herausford­erungen für die deutsche Außen- und Innenpolit­ik mit sich bringt“, sagte Wolfgang Kubicki.

Zur Wortwahl „kleine Kanalratte“hatte er ergänzt: „Eine Kanalratte ist ein kleines, niedliches, gleichwohl kluges und verschlage­nes Wesen, weshalb sie auch in Kindergesc­hichten als Protagonis­tin auftritt („Kalle Kanalratte“, „Ratatouill­e“).“Die Erklärung hat den türkischen Präsidente­n ganz offensicht­lich nicht besänftigt.

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FOTO: KAY NIETFELD/DPA Wegen seiner Äußerung über den türkischen Präsidente­n droht dem FDP-Politiker Wolfgang Kubicki ein Strafverfa­hren. Kubicki hatte Erdogan als „kleine Kanalratte“bezeichnet.
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FOTO: TURKISH PRESIDENCY/DPA Recep Tayyip Erdogan, Präsident der Türkei

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