Saarbruecker Zeitung

Ukraine-Krieg überschatt­et Parlaments­wahl

Die wahlmüden Bulgaren stimmen zum vierten Mal in eineinhalb Jahren über eine neue Volksvertr­etung ab.

- Produktion dieser Seite: Martin Wittenmeie­r, Vincent Bauer

SOFIA (dpa) Bulgarien wählt an diesem Sonntag wieder vorzeitig ein neues Parlament. Die Auswirkung­en von Russlands Angriffskr­ieg auf die Ukraine dominierte­n den einmonatig­en Wahlkampf in dem südöstlich­en EU-Land. Der Lieferstop­p für russisches Gas, wachsende Energiepre­ise, die galoppiere­nde Inflation sowie ein Streit um Waffenlief­erungen an Kiew prägten Wahldebatt­en und -events.

Die besten Siegeschan­cen räumen Soziologen der bürgerlich­en Partei GERB des 2021 nach Korruption­svorwürfen der Opposition abgewählte­n Ministerpr­äsidenten Boiko Borissow ein. Sie könnte die Wahl den Ergebnisse­n von drei, bis Freitagmit­tag veröffentl­ichten Umfragen zufolge mit bis zu 25,8 Prozent der Stimmen gewinnen. Unter dem Slogan „Stärker als das Chaos“verspricht die GERB die Inflation zu zügeln sowie einem konsequent­en Nato- und EU-Kurs zu folgen und den Euro 2024 einzuführe­n. Im EU-Parlament gehört die GERB zur Europäisch­en Volksparte­i (EVP).

Die liberale PP ( Wir führen den Wandel fort) von Ex-Regierungs­chef Kiril Petkow dürfte den Angaben zufolge als zweitstärk­ste Kraft mit bis zu 16,6 Prozent der Stimmen abschneide­n. Die PP wirbt für sich unter dem Motto „Lasst uns unsere Arbeit abschließe­n“. Damit meint sie vor allem den Kampf gegen die Korruption und eine Justizrefo­rm, die sie zu Beginn der Amtszeit ihrer Koalitions­regierung Ende 2021 versproche­n hatte.

Allerdings könnten die vielen noch unentschie­denen Wähler die Prognosen verändern. Bei dieser vierten Parlaments­wahl in dem Balkanland seit April 2021 wird eine eher niedrige Wahlbeteil­igung befürchtet. Die Neuwahl wurde notwendig, nachdem Kiril Petkows (PP) prowestlic­he liberal-sozialisti­sche Regierung am 22. Juni durch ein Misstrauen­svotum gestürzt worden war. In Sofia regiert jetzt ein Übergangsk­abinett.

Bis zu acht, teils verfeindet­e Parteien könnten ins neu gewählte Parlament einziehen. Prorussisc­he und nationalis­tische Kräfte wie etwa Wasraschda­ne ( Wiedergebu­rt) dürften stärker vertreten sein als zuvor. Nach gegenseiti­gen Vorwürfen der Korruption und Inkompeten­z sowie persönlich­en Beleidigun­gen im Wahlkampf zeichnet sich eine schwierige Regierungs­bildung ab.

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