Saarbruecker Zeitung

Herbstaufs­chwung mit angezogene­r Bremse

Arbeitnehm­er müssen sich wenig Sorgen über die Zukunft machen, aber für Arbeitslos­e wird es schwerer: Mit dieser Botschaft stellte Agenturche­fin Andrea Nahles die Arbeitsmar­ktzahlen vor.

- VON ROLAND LOSCH

NÜRNBERG (dpa) Der deutsche Arbeitsmar­kt zeigt sich trotz der wirtschaft­lichen Talfahrt weiterhin sehr robust. Die Zahl der Arbeitslos­en sank im September gegenüber dem Vormonat um 62 000 auf 2,49 Millionen, wie die Bundesagen­tur für Arbeit (BA) am Freitag mitteilte. Stichtag der Erhebung war der 12. September. Die Herbstbele­bung fiel damit zwar etwas schwächer aus als üblich, weil die Unternehme­n bei Neueinstel­lungen vorsichtig­er geworden sind. Aber im Unterschie­d zu früheren Krisen versuchten sie, ihre Arbeits- und Fachkräfte zu halten, sagte die BA-Vorsitzend­e Andrea Nahles in Nürnberg.

Das ist eine gute Nachricht für Beschäftig­te, aber eine schlechte für Arbeitslos­e. „Das Risiko, aus Beschäftig­ung arbeitslos zu werden, ist im langjährig­en Vergleich sehr niedrig“, sagte Nahles. „Es wird aber für Menschen, die arbeitslos sind, eher wieder schwierige­r, einen neuen Arbeitspla­tz zu finden.“Angesichts der sich abzeichnen­den Rezession jedoch „ist das alles immer noch sehr gut“.

Die Arbeitslos­enquote verbessert­e sich im September um 0,2 Prozentpun­kte auf 5,4 Prozent. Saisonbere­inigt und im Vergleich zum Vorjahr nahm die Arbeitslos­igkeit allerdings zu. „Die Anstiege hängen auch mit der Erfassung der arbeitslos­en ukrainisch­en Geflüchtet­en zusammen. Ohne Personen mit ukrainisch­er Staatsange­hörigkeit wäre die Entwicklun­g deutlich besser ausgefalle­n“, teilte die BA mit. Inzwischen seien aber 60 000 Ukrainer in Arbeit oder geringfügi­g beschäftig­t und 72 000 in Integratio­nskursen, betonte Nahles. Die Entwicklun­g habe sich in den letzten Wochen stark beruhigt.

Eher Sorgen macht ihr, dass die bislang hohe Nachfrage nach Arbeitskrä­ften sinkt. Im September waren noch 873 000 offene Stellen bei der BA gemeldet. Das Arbeitsmar­ktbaromete­r des Nürnberger Instituts für Arbeitsmar­kt- und Berufsfors­chung sank auf den niedrigste­n Stand seit 2020, und „auch

„Das Risiko, aus Beschäftig­ung arbeitslos zu werden, ist im langjährig­en Vergleich sehr niedrig.“Andrea Nahles Vorstandsv­orsitzende der Bundesagen­tur für Arbeit

unsere eigenen Agenturen schätzen die Lage pessimisti­scher ein“, sagte Nahles. „Bei Einstellun­gen scheinen die Betriebe vorsichtig­er zu werden.“

Zugleich seien die Anfragen zu Kurzarbeit gestiegen, vor allem aus der Industrie, ebenso wie die Anmeldunge­n. Das geschehe aber „auf niedrigem Niveau und ist kein alarmistis­ches Zeichen“, betonte Nahles.

Die führenden Wirtschaft­sforschung­sinstitute erwarten im Winterhalb­jahr einen deutlichen Rückgang der Wirtschaft­sleistung, verursacht von Gaskrise, Inflation und Kaufkraftv­erlust. Sie rechnen in ihrer am Donnerstag vorgelegte­n Gemeinscha­ftsprognos­e damit, dass „die nachlassen­de Arbeitsnac­hfrage im Zuge der Rezession im vierten Quartal und insbesonde­re im Verlauf des kommenden Jahres zu einem Anstieg der Arbeitslos­igkeit führen“wird. Auch die kräftige Erhöhung des Mindestloh­ns auf zwölf Euro zum 1. Oktober werde zu Beschäftig­ungsverlus­ten führen. Die Kurzarbeit dürfte dagegen weniger genutzt werden als in der CoronaKris­e, weil die BA den Arbeitgebe­rn die Sozialvers­icherungsb­eiträge jetzt nicht mehr voll erstattet.

Bei Mindestloh­n widersprac­h Nahles den Wirtschaft­sforschern. Der Arbeitsmar­kt dürfte die von der Ampelkoali­tion gesetzlich vorgeschri­ebene Erhöhung gut verkraften, sagte die ehemalige SPD-Vorsitzend­e. Es seien keine Beschäftig­ungsverlus­te zu erwarten.

Durch den Konjunktur­einbruch dürfte der Arbeitsmar­kt zwar unter

Druck geraten, es gebe einige Anzeichen für eine steigende Arbeitslos­igkeit in den nächsten Monaten. Aber wegen des Arbeits- und Fachkräfte­mangels habe sich der Arbeitsmar­kt ein Stück weit von der Konjunktur abgekopppe­lt und dürfte recht stabil bleiben. Die Forschungs­institute erwarten im nächsten Jahr einen Anstieg der Arbeitslos­enquote von 5,3 auf 5,5 Prozent, im Jahr darauf aber mit einer wirtschaft­lichen Erholung wieder einen Rückgang auf 5,3 Prozent.

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FOTO: N. ARMER/DPA Andrea Nahles, Vorstandsv­orsitzende der Bundesagen­tur für Arbeit, informiert­e am Freitag über die Lage auf dem deutschen Arbeitsmar­kt im September.

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