WundersameGrundstücks-Verdoppelung
Ein Püttlinger Ehepaar soll die Grundsteuer nicht nur für sein Großrosseler Grundstück zahlen, sondern auch für das herrenlose Nachbargrundstück. Einst gehörten die Grundstücke zusammen, wurden aber vor 42 Jahren bereits getrennt vererbt.
PÜTTLINGEN/GROSSROSSELN Ein ungewöhnliches Grundsteuer-Problem: Das Püttlinger Ehepaar Annemarie und Degenhard Barthel hat Post vom Finanzamt bekommen. Herrn Barthel wurde darin erklärt, dass er Grundsteuer für ein knapp 1000 Quadratmeter großes Grundstück in Großrosseln zu zahlen habe. Tatsächlich hatte Herr Barthel dort ein Grundstück von einer Tante geerbt – vor 42 Jahren, aber nur knapp 500 Quadratmeter groß. Seit diesen 42 Jahren war für ihn immer klar: Es geht um knappe fünf Ar Fläche, nicht um zehn.
Wie ist es zur wundersamen Verdoppelung gekommen? Das Wiesengrundstück war einst die Hälfte eines tatsächlich doppelt so großen Grundstücks. Doch, so versichert Annemarie Barthel, schon unter den vorherigen Besitzern, zwei Geschwistern, sei es zweigeteilt worden, und Degenhard Barthel habe dann 1980 eben nur eines der nun zwei Grundstücke von der Tante geerbt. Was augenscheinlich über vier Jahrzehnte zu keinem Problem führte – bis jetzt.
Denn offenbar gehen die Behörden davon aus, dass – verkürzt ausgedrückt – Degenhard Barthel nicht nur das halbe Grundstück gehört, sondern dass er Mitbesitzer des
Gesamtgrundstückes ist. Und da dessen anderer oder andere Besitzer nicht mehr greifbar sind, wird dann der noch ermittelbare (Mit-)Besitzer herangezogen, um die Grundsteuer zu bezahlen.
Nach einer inoffiziellen Information sind im Grundbuch formal gesehen die beiden Hälften noch immer als ein einziges Grundstück gewertet, was bedeuten würde, dass der letzte bekannte Besitzer der zweiten Hälfte ebenfalls als Mitbesitzer des Gesamt-Geländes zu werten wäre.
Annemarie Barthel erzählt, sie habe durch einen Anruf beim Grundbuchamt erfahren, dass der letzte eingetragene Besitzer der zweiten Hälfte ein Bruder der Erbtante gewesen sei. Dann habe man ihr noch am Telefon mitgeteilt, dass es nicht Sache der Behörde sei, die
Erben dieses Bruders ausfindig zu machen, sondern das sei ihre Angelegenheit. Sie wusste sogar noch, dass besagter Bruder der Erbtante zwei Kinder hatte, doch es gelang ihr nicht, diese oder deren Erben ausfindig zu machen.
Wir haben in der Angelegenheit bei zwei Pressestellen nachgefragt, denn das Grundbuchamt gehört zum Bereich des Justizministeri
ums, Grundsteuerangelegenheiten jedoch zum Finanzministerium. Die Pressestelle des Finanzministeriums ging mit keinem Wort darauf ein, dass Familie Barthel nichts mehr mit der zweiten Hälfte des einst zusammengehörenden Grundstücks zu tun habe, sondern schildert die Rechtsnorm einer sogenannten Bruchteilsgemeinschaft: Dann seien die Bruchteile im Grundbuch ersichtlich, dort seien in solchen Fällen „die Bruchteile angegeben, zu denen das Grundstück im Eigentum der jeweiligen Personen steht“.
Paragraf 10.2 des Grundsteuergesetzes (GrStG) regelt, dass bei mehreren Besitzern diese alle Gesamtschuldner sind. Aus dem Steuerschuldrecht Paragraf 44 lässt sich dann wiederum folgern, dass jeder Einzelne aus der Gruppe der Gesamtschuldner zum Bezahlen der
gesamten Grundsteuer herangezogen werden kann. In einem solchen Fall kann sich also die Stadt oder Gemeinde, der die Grundsteuer zukommt, tatsächlich aussuchen, welchen der Beteiligten sie zur Zahlung der Grundsteuer für das gesamte Grundstück heranzieht.
Zuletzt heißt es in der Antwort des Finanzministeriums: „Eine Gesamtschuldnerschaft kommt also nur dann nicht mehr in Betracht, wenn das Grundstück geteilt wird“– was ja genau das ist, was laut Annemarie Barthel schon vor über 40 Jahren geschehen ist, was aber im Grundbuchamt offensichtlich anders gesehen wird, bzw. dass dort das einstige Gesamtgrundstück auch nach über 40 Jahren rein formal noch immer nicht geteilt ist und als ein einziges Grundstück geführt wird – der Bürger kann’s dann richten.
Quadratmeter misst das Grundstück. Die Steuer wurde für die doppelte Größe berechnet. Quelle: Annemarie und Degenhard Barthel