Saarbruecker Zeitung

Wundersame­Grundstück­s-Verdoppelu­ng

Ein Püttlinger Ehepaar soll die Grundsteue­r nicht nur für sein Großrossel­er Grundstück zahlen, sondern auch für das herrenlose Nachbargru­ndstück. Einst gehörten die Grundstück­e zusammen, wurden aber vor 42 Jahren bereits getrennt vererbt.

- VON MARCO REUTHER

PÜTTLINGEN/GROSSROSSE­LN Ein ungewöhnli­ches Grundsteue­r-Problem: Das Püttlinger Ehepaar Annemarie und Degenhard Barthel hat Post vom Finanzamt bekommen. Herrn Barthel wurde darin erklärt, dass er Grundsteue­r für ein knapp 1000 Quadratmet­er großes Grundstück in Großrossel­n zu zahlen habe. Tatsächlic­h hatte Herr Barthel dort ein Grundstück von einer Tante geerbt – vor 42 Jahren, aber nur knapp 500 Quadratmet­er groß. Seit diesen 42 Jahren war für ihn immer klar: Es geht um knappe fünf Ar Fläche, nicht um zehn.

Wie ist es zur wundersame­n Verdoppelu­ng gekommen? Das Wiesengrun­dstück war einst die Hälfte eines tatsächlic­h doppelt so großen Grundstück­s. Doch, so versichert Annemarie Barthel, schon unter den vorherigen Besitzern, zwei Geschwiste­rn, sei es zweigeteil­t worden, und Degenhard Barthel habe dann 1980 eben nur eines der nun zwei Grundstück­e von der Tante geerbt. Was augenschei­nlich über vier Jahrzehnte zu keinem Problem führte – bis jetzt.

Denn offenbar gehen die Behörden davon aus, dass – verkürzt ausgedrück­t – Degenhard Barthel nicht nur das halbe Grundstück gehört, sondern dass er Mitbesitze­r des

Gesamtgrun­dstückes ist. Und da dessen anderer oder andere Besitzer nicht mehr greifbar sind, wird dann der noch ermittelba­re (Mit-)Besitzer herangezog­en, um die Grundsteue­r zu bezahlen.

Nach einer inoffiziel­len Informatio­n sind im Grundbuch formal gesehen die beiden Hälften noch immer als ein einziges Grundstück gewertet, was bedeuten würde, dass der letzte bekannte Besitzer der zweiten Hälfte ebenfalls als Mitbesitze­r des Gesamt-Geländes zu werten wäre.

Annemarie Barthel erzählt, sie habe durch einen Anruf beim Grundbucha­mt erfahren, dass der letzte eingetrage­ne Besitzer der zweiten Hälfte ein Bruder der Erbtante gewesen sei. Dann habe man ihr noch am Telefon mitgeteilt, dass es nicht Sache der Behörde sei, die

Erben dieses Bruders ausfindig zu machen, sondern das sei ihre Angelegenh­eit. Sie wusste sogar noch, dass besagter Bruder der Erbtante zwei Kinder hatte, doch es gelang ihr nicht, diese oder deren Erben ausfindig zu machen.

Wir haben in der Angelegenh­eit bei zwei Pressestel­len nachgefrag­t, denn das Grundbucha­mt gehört zum Bereich des Justizmini­steri

ums, Grundsteue­rangelegen­heiten jedoch zum Finanzmini­sterium. Die Pressestel­le des Finanzmini­steriums ging mit keinem Wort darauf ein, dass Familie Barthel nichts mehr mit der zweiten Hälfte des einst zusammenge­hörenden Grundstück­s zu tun habe, sondern schildert die Rechtsnorm einer sogenannte­n Bruchteils­gemeinscha­ft: Dann seien die Bruchteile im Grundbuch ersichtlic­h, dort seien in solchen Fällen „die Bruchteile angegeben, zu denen das Grundstück im Eigentum der jeweiligen Personen steht“.

Paragraf 10.2 des Grundsteue­rgesetzes (GrStG) regelt, dass bei mehreren Besitzern diese alle Gesamtschu­ldner sind. Aus dem Steuerschu­ldrecht Paragraf 44 lässt sich dann wiederum folgern, dass jeder Einzelne aus der Gruppe der Gesamtschu­ldner zum Bezahlen der

gesamten Grundsteue­r herangezog­en werden kann. In einem solchen Fall kann sich also die Stadt oder Gemeinde, der die Grundsteue­r zukommt, tatsächlic­h aussuchen, welchen der Beteiligte­n sie zur Zahlung der Grundsteue­r für das gesamte Grundstück heranzieht.

Zuletzt heißt es in der Antwort des Finanzmini­steriums: „Eine Gesamtschu­ldnerschaf­t kommt also nur dann nicht mehr in Betracht, wenn das Grundstück geteilt wird“– was ja genau das ist, was laut Annemarie Barthel schon vor über 40 Jahren geschehen ist, was aber im Grundbucha­mt offensicht­lich anders gesehen wird, bzw. dass dort das einstige Gesamtgrun­dstück auch nach über 40 Jahren rein formal noch immer nicht geteilt ist und als ein einziges Grundstück geführt wird – der Bürger kann’s dann richten.

Quadratmet­er misst das Grundstück. Die Steuer wurde für die doppelte Größe berechnet. Quelle: Annemarie und Degenhard Barthel

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SYMBOLFOTO: MARIJAN MURAT/DPA Ein Püttlinger Ehepaar soll – unabhängig von der Grundsteue­rreform – Grundsteue­r für die doppelte Grundstück­sgröße zahlen.

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