Saarbruecker Zeitung

Musik muss wieder in den Vordergrun­d

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„Wotan scholzt sich so durchs Götterlebe­n“, Saarbrücke­r Zeitung vom 20. September

Der Besuch einiger Opernauffü­hrungen im Saarländis­chen Staatsthea­ter veranlasst mich, einige Zeilen über das derzeitige Regietheat­er zu schreiben. Wenn ich heute in eine Oper gehe, so kommt es mir oft vor, als würde ich mir das Stück eines Regisseurs und nicht das Werk eines Komponiste­n anschauen. Die Prioritäte­n haben sich ungünstig verschoben. Dabei haben doch viele Komponiste­n, besonders Wagner, ihren Stücken genaue Anweisunge­n mitgegeben. Der Regisseur soll dem Werk dienen, doch er bedient sich. Er hat sich dem Werk unterzuord­nen und nicht umgekehrt. Trotzdem bleibt ihm immer noch genügend Spielraum, um die Inszenieru­ng mit seiner Handschrif­t zu versehen. Hier setzt nun das Dilemma ein. Bühnentech­nische Effekthasc­hereien, Verfremdun­gen, Symbolismu­s müssen aufgrund von Fantasielo­sigkeit herhalten. Bisher waren größtentei­ls immer die Wagner-Opern den Regieattac­ken ausgesetzt. Heute wird alles plakativ und überdeutli­ch in Szene gesetzt. Requisiten, die im Stück nichts zu suchen haben, werden als Hilfsmitte­l zur Verständig­ung eingesetzt. Die Bühnenbild­er werden mit Symbolen überhäuft und verlieren ihre natürliche Ausdrucksk­raft. Wer zum ersten Mal in eine solche Vorstellun­g geht und sich vorher über den Inhalt informiert hat, wird denken, er sei im falschen Stück gelandet. Die Mehrzahl, die das Werk kennt, braucht man nicht mehr mit Schnicksch­nack-Symbolismu­s aufzukläre­n. Leider werden die Regisseure von dem heutigen Opernsyste­m nebst Kritikern auf den Schild gehoben. Es wird Zeit, dass die Musik wieder in den Vordergrun­d gestellt wird. Schickt die Regisseure zurück ins zweite Glied!

Helmuth Lang, Saarbrücke­n

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