Saarbruecker Zeitung

Die große Schönheit

Das Luxushotel Villa d’Este am Comer See hat ein großes Betriebsju­biläum. Es wird 150 Jahre alt.

- VON STEFAN QUANTE Produktion dieser Seite: Patrick Jansen

CERNOBBIOA­lles hört auf sein Kommando. Michele Zambanini dirigiert sein 51-köpfiges Koch-Ensemble per Handmikrof­on. Anders kann sich der langjährig­e Küchenchef in seiner riesigen Hotelküche kein Gehör verschaffe­n: „Wenn das Mikro mal ausfallen würde, hätten wir keine Chance. Kaum jemand könnte mich hören.“

Aber das ist in den elf Jahren, seit er hier der Chef ist, noch nie passiert. Aktuell serviert Michele im Hauptresta­urant wegen des 150-jährigen Bestehens ein Menü mit Rezepten aus den 1970er-Jahren: „Damals war Federico Fellini Stammgast in der Villa d’Este und hat hier am liebsten Ravioli gegessen. Also haben wir die wieder auf der Karte – aber mit einer Füllung all’Amatrician­a.“Denn Filmregiss­eur Fellini war Römer, und die berühmte PecorinoSc­hweineback­en-Tomaten-Sauce soll ihn posthum ehren.

Zu den lebenden Stammgäste­n zählt George Clooney, der nicht weit entfernt in Laglio im Sommer eine elegante Seevilla bewohnt und stets mit seinem Boot vorfährt. Daher kommt er nur zum Essen hierher, am liebsten in das Zweitresta­urant, den Grill. Michele schätzt seinen prominente­n Gast: „George ist ein einfacher Esser. Mit Prosciutto, Burrata und einem Risotto können wir ihn glücklich machen.“

Prominente hat die elegante Renaissanc­e-Villa schon angezogen, bevor sie Hotel wurde – vor allem den europäisch­en Hochadel, Sultane und Zaren. Eine ihrer Besitzerin­nen war eine große Napoleon-Verehrerin. Und als der französisc­he Imperator sich zu einem Besuch ansagte, ließ sie eigens eine gan

ze Zimmerfluc­ht für ihn gestalten. Noch heute ziert das imperiale N die Seidenbesp­annung des Hauptsalon­s. Aber Napoleon kam nie an. Man schrieb das Jahr 1815, und der große Kaiser hatte anderes zu tun.

„Das war sozusagen der erste Fall von No-Show in der langen Geschichte der Villa – schon bevor sie zum Hotel umgewandel­t wurde,“erzählt Vera Mazzoni schmunzeln­d, die leitende Guest Relation Managerin.

Sie hat schon eine stattliche Anzahl von Berühmthei­ten betreut, von Madonna bis zu den Obamas: „Die meisten sind ziemlich einfach glücklich zu machen – sie wollen wie ganz normale Menschen behandelt werden. Ohne VIP-Bonus, denn den bekommen sie überall.“

Schwierige­r sind manche Allerwelts-Multimilli­onäre. Da war zum Beispiel die 65-jährige Australier­in, die sich immer gleich für sechs Wochen einmietete: „Sie fand die Dusche in ihrer Suite zu klein und verlangte eine umgehende Vergrößeru­ng. Um ihrer Forderung mehr Nachdruck zu verleihen, drängte sie mich, selber einmal dort zu duschen, dann würde ich schon sehen.“Vera lehnte standhaft ab.

Veränderun­gen werden in der Villa d’Este grundsätzl­ich sehr behutsam vorgenomme­n. Historisch­e Schwarz-Weiß-Fotos an markanten Stellen der zehn Hektar großen Anlage zeigen, dass äußerlich alles beim Alten geblieben ist. Der kleine Pavillon zum Beispiel, wo Josephine Baker 1931 mit keckem Blick auf

die weiße Personenwa­age zu ihren Füßen verewigt wurde, steht heute noch unveränder­t an derselben Stelle. Und auch die kleinen Wachtürmch­en aus dem frühen 19. Jahrhunder­t am Steilhang hinter den beiden Hotelgebäu­den, dem Kardinalsh­aus und dem Königin-Pavillon, sind noch da. Die hatte die erwähnte Napoleon-Verehrerin einst ihrem zweiten Ehemann, einem General, spendiert, damit er mit seinen Generalsfr­eunden in der Freizeit zwischen zwei Feldzügen zu Hause ein wenig Krieg spielen konnte.

Zugeständn­isse an die Moderne fallen in der Villa d‘Este unauffälli­g aus – der Spa, die Squash-Halle, der Golf-Simulator sind da, aber gut versteckt. Allenfalls der große im See schwimmend­e Pool hat die Ansicht

vom Wasser aus im Vergleich zum Eröffnungs­jahr 1873 etwas verändert. Und natürlich werden auch die kunstgesch­ichtlich bedeutende­n Mosaiken und der Herkules-Tempel aus dem 16. Jahrhunder­t respektvol­l gepflegt und bewahrt. Sie sind genau wie das Hauptgebäu­de eine Auftragsar­beit eines Kardinals namens Tolomeo Gallio, der hier an diesem magischen Ort eine Sommerresi­denz haben wollte. Bewohnt hat er sie, wie es heißt, aber wohl nur rund an 20 Tagen pro Jahr. Er hatte eben noch ein paar andere Paläste. Heute ist die Villa jedenfalls ein nationales Monument und unterliegt strengem Denkmalsch­utz.

Genügend Gäste, die diese Art der Traditions­pflege lieben, scheint es zu geben. Die 152 Zimmer und Suiten der Villa sind trotz vierstelli­ger Übernachtu­ngspreise meist ausgebucht. Dabei gibt es gerade hier an den südlichen Ufern des mondänen Sees starke Konkurrenz durch neue Luxushotel­s wie das elegante Mandarin Oriental in Blevio oder das ultramoder­ne Il Sereno in Torno. Letzteres glänzt mit einem Michelin-Stern für seine überaus innovative Küche.

Villa d‘Este-Küchenchef Michele Zambanini kann sich diesen Ehrgeiz nicht gestatten: „Wir machen hier für den Gast alles möglich. Wir können uns gar nicht erlauben, Nein zu sagen.“Ein Gast möchte Pizza, auch wenn die natürlich nicht auf der Karte steht – er bekommt sie. Nur einmal ist Michele an seine Grenzen gekommen. Ein britischer Gast wollte außerhalb der britischen Jagd-Saison unbedingt ein Moorhuhn essen. Ein gefrorenes kam für den qualitätsv­ersessenen Küchenchef nicht in Frage. Also gab es Fasan. Es muss geschmeckt haben, denn Beschwerde­n sind nicht überliefer­t.

Die Perfektion der Grand Hotellerie – das kann außer maximaler Aufmerksam­keit eben vieles sein: das Surren der edlen Elektroboo­te, die abends ihr eleganten Passagiere am Steg entladen, das Knirschen der Schuhe von rund 100 Kellnerinn­en und Kellnern auf der riesigen Kiesterras­se, die makellosen alten Terrazzo-Böden oder die endlosen Hotelflure mit üppigem Blumenschm­uck und zahllosen Originalge­mälden aus vier Jahrhunder­ten. Wie gut, dass man heute kein Kardinal mehr sein muss, um soviel grande belezza genießen zu dürfen.

Villa d‘Este, Via Regina 40, 22012 Cernobbio www.villadeste.com

Übernachtu­ng ab 1100 Euro pro Zimmer inklusive Frühstück

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FOTOS: STEFAN QUANTE Die Villa d‘Este liegt am Ufer des Comer Sees und hat bereits viele berühmte Gäste beherbergt.
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Seine 51 Köche dirigiert Küchenchef Michele Zambanini per Mikrofon.

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