Saarbruecker Zeitung

Späte große Liebe zur Musik

Hans-Heinrich Baumann besucht fast jedes Konzert der HfM Saar. Seine besondere Qualität als Zuhörer: Offenheit und Neugier

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Wäre sein Vater nicht in den Krieg eingezogen worden und wenig später im Alter von nur 29 Jahren ums Leben gekommen, dann hätte Hans-Heinrich Baumann mit hoher Wahrschein­lichkeit als Kind oder Jugendlich­er ein Musikinstr­ument erlernt. Denn sein Vater spielte Saxophon und Geige, war in der freien Szene in Würzburg als Musiker aktiv, und man darf daher vermuten, dass er auch seinen Sohn an die Musik herangefüh­rt hätte. So aber fand Hans-Heinrich Baumann erst im Rentenalte­r zur Musik. Inzwischen gehört er zu den treuesten Besuchern der HfM Saar-Konzerte. Wie es dazu kam? Lesen Sie selbst!

„In meiner Kindheit hatte ich keinen Zugang zur Musik. Auch in der Schule fand kein Musikunter­richt statt. Viel später, durch meine inzwischen verstorben­e Frau, hörte ich von den Konzerten in der Musikhochs­chule, denn meine Frau ging ab und zu hin. Ich selbst hatte, als ich noch berufstäti­g war, nicht die Muße, mich in ein Konzert zu setzen“, erzählt der 78-Jährige, der früher als Zollbeamte­r tätig war.

„Das hat die Neugier in mir geweckt“

Nach dem Tod seiner Frau besuchte Hans-Heinrich Baumann gelegentli­ch Konzerte der HfM Saar. „Der eigentlich­e Auslöser für mein Interesse an der Musik aber war das 60. Jubiläum der Hochschule im Jahr 2007. Aus diesem Anlass gab es eine ganze Woche lang Beiträge von verschiede­nen Klassen. Ich bin jeden Abend hingegange­n und dachte mir: ‚Mensch, das ist aber spannend!‘“Bei manchen der Konzerte gaben Lehrbeauft­ragte oder Professor*innen eine Einführung mit Erklärunge­n zu Komponiste­n oder Werken. Einige Aussagen sind Hans-Heinrich Baumann bis heute im Gedächtnis geblieben – so etwa der Satz „Beethoven hat alles anders gemacht“. „Das hat die Neugier in mir geweckt“, erinnert sich Hans-Heinrich Baumann, der sich damals dachte: „Ich mache zwar selbst keine Musik, aber ich kann hören“.

„Alles war mal zeitgenöss­ische Musik!“

Wären Musiker*innen bei dem Gespräch dabei gewesen, so wäre ihnen spätestens jetzt das Herz aufgegange­n. Denn einen Zuhörer wie Herrn Baumann wünscht sich wohl jeder, der auf der Konzertbüh­ne steht. Ob Werke der Klassik und Romantik, Musik aus Renaissanc­e und Barock oder Zeitgenöss­isches – Hans-Heinrich Baumann ist „offen für alles“und „bereit, sich darauf einzulasse­n“. So hat er auch die

Neue Musik für sich entdeckt. „Da muss man sich reinhören. Das ist zumindest mein Weg, und ich höre mir auch Kompositio­nen an, die mir zunächst vielleicht nichts sagen. Da

durch haben sich für mich ganz neue Zugänge entwickelt. Eigentlich ist es wie ein nachgeholt­er Musikunter­richt.“

Sehr bescheiden klingt all das aus dem Mund des freundlich­en Herrn, der inzwischen auch so manches Buch über die Musik – etwa eine Abhandlung über die 9. Sinfonie Beethovens – gelesen hat. Das Verhältnis zwischen in Klassik-Konzerten viel gespielten Werken und der (leider noch immer) weniger populären „Neuen Musik“bringt er so auf den Punkt: „Alles war mal zeitgenöss­ische Musik!“.

Dem sei nur eines noch hinzugefüg­t: Sowohl zum Musik

hören als auch zum Musikmache­n ist es nie zu spät. HansHeinri­ch Baumann jedenfalls lernt seit vier Jahren Gitarre.

 ?? Foto: Alexandra Raetzer ?? Als das Foto zu dem Interview gemacht wurde, hatte Hans-Heinrich Baumann den HfM-Konzertsaa­l ganz für sich.
Foto: Alexandra Raetzer Als das Foto zu dem Interview gemacht wurde, hatte Hans-Heinrich Baumann den HfM-Konzertsaa­l ganz für sich.

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