Saarbruecker Zeitung

Tor oder Abseits? Klatschen oder nicht? – Eine GLOSSE

- Alexandra Raetzer

Auch wenn meine Lieblingsm­annschaft Erfolg hat: ich bin immer der Verlierer, sobald ich mich der Gefahr aussetze, Fußballspi­ele in Gesellscha­ft anzuschaue­n. Ungezählt sind die mitleidige­n Blicke, die man mir zuwirft, wenn ich „Toooor!!!“jubele, obwohl der Spieler – für den Kenner glasklar erkennbar – im Abseits war. Sämtliche gut gemeinte Versuche, mir diese angeblich völlig simple Regel zu erklären, sind gescheiter­t, was mich vom gemeinscha­ftlichen Mitfiebern jedoch nicht abhalten kann. Zumindest gute Freunde müssen mein Nichtwisse­n aushalten! Schließlic­h haben sie mit mir auch etwas zu lachen, wenn ich „Schröder“für sein exzellente­s Pass-Spiel lobe, obwohl der gute Mann „Müller“heißt, oder wenn ich mein nichtvorha­ndenes Expertentu­m durch Kommentare zu Trikots und Frisuren auszugleic­hen versuche. Neulich hat mir jemand gebeichtet, dass er ja gerne in klassische Konzerte gehen würde, wenn er nur wüsste, wann er klatschen soll (und vor allem: wann nicht). Da fiel mir ein steinschwe­rer Ball vom Herzen: Es gibt also Leute, denen es ähnlich geht wie mir als unkundigem Fußballfan!

Dabei ist die Sache mit dem Klatschen viel leichter zu verstehen als die Abseitsfra­ge. Geklatscht wird in der klassische­n Musik immer erst am Ende eines Werkes, zum Beispiel einer Sonate, einer Suite oder einer Symphonie. Diese Werke bestehen aus mehreren sogenannte­n „Sätzen“wie etwa Allegro, Andante, Menuett oder Largo. Man kann sich das vorstellen wie bei einem Buch: Das ganze Buch ist das Werk, die einzelnen Kapitel heißen in der Musik „Sätze“. Geklatscht wird also immer erst am Ende des „Buches“– selbst dann, wenn man zwischendu­rch so begeistert ist, dass es einen regelrecht in den Händen juckt.

Wer vor dem Konzert sein Handy ausschalte­t, während des Konzertes das Plaudern einstellt und nicht gerade dann lauthals hustet, wenn die Solistin zarteste Töne anstimmt oder das Orchester eine stimmungsv­olle Pause einlegt, hat schon alles richtig gemacht. Wer bei der Frage „ jetzt klatschen oder noch nicht?“bei seinen ersten Konzertbes­uchen unsicher ist, dem empfehle ich meine neueste Public-Viewing-Methode: Ich warte mit meinem „Toooor!“-Jubel vorerst einfach, bis einer der AbseitsExp­erten begeistert vom Hocker springt.

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