Le Pens erfolgreiche Strategie der Entteufelung
Zum 50. Geburtstag des Front National ist Marine Le Pen stark wie nie. Dafür musste die Tochter allerdings mit Parteigründer Jean-Marie Le Pen brechen.
Keine große Feier mit vielen Reden, sondern ein einfaches Kolloquium in der Nationalversammlung hat Marine Le Pen zum 50. Geburtstag ihrer Partei angesetzt. Was bescheiden wirkt, ist in Wirklichkeit ein weiteres Zeichen des neuen Selbstbewusstseins der Rechtspopulistin. „Von der Hoffnung zur Macht“heißt die Veranstaltung, die am Donnerstag genau dort stattfindet, wo Le Pen zur Eroberung des Elysée 2027 ansetzen will: in der französischen Volksvertretung. Denn dort feierte ihr Rassemblement National (RN) im Juni seinen bisher größten Erfolg. Bei den Parlamentswahlen wurde er mit 89 Abgeordneten zur stärksten Oppositionspartei.
Ein Ergebnis, das die Fraktionschefin beim Gruppenfoto im Ehrenhof der Assemblée Nationale so fröhlich und gelöst zeigte wie selten. Dass sich die Zahl der RN-Volksvertreter zwischen 2017 und 2022 verzehnfachte, ist vor allem ihr Verdienst. Die jüngste Tochter von Jean-Marie Le Pen befreite den Front National (FN) von rassistischem und antisemitischem Gedankengut ihres Vaters – zumindest nach außen hin. Den Parteigründer, der die Gaskammern der Nationalsozialisten als „Detail“der Geschichte des Zweiten Weltkriegs bezeichnet hatte, warf sie 2015 aus der Partei. „Ich teile nicht die Vision, die mein Vater vom Zweiten Weltkrieg hat“, sagte die Tochter ganz offen. 2018 ging sie sogar so weit, dem Parteigründer den Ehrenvorsitz abzuerkennen.
Was die Klatschpresse gerne als Familienstreit darstellt, ist allerdings eine eher kosmetische Trennung. Denn der alte Le Pen rief natürlich vor der Stichwahl um das Präsidentenamt im April dazu auf, „Marine“zu wählen – auch wenn er im Wahlkampf eine gewisse Sympathie für den Rechtsextremisten Éric Zemmour zeigte. Zemmour, der nur auf sieben Prozent kam, passt mit seiner offenen Hetze gegen Muslime besser zu Jean-Marie Le Pen als seine rhetorisch weich gespülte Tochter. Die schaffte gegen Amtsinhaber Emmanuel Macron 41,45 Prozent der Stimmen und kam damit der Macht deutlich näher als ihr Vater bei seinen fünf Präsidentschaftskandidaturen.
Jean-Marie Le Pen hatte den Front National 1972 gegründet. Doch im Gegensatz zu seiner Tochter, die sich in der Nationalversammlung seriös gibt, nutzten ihr Vater und seine Mitstreiter das Palais Bourbon für Hetztiraden. Wegen Anstiftung zum Rassenhass wurde Le Pen mehrfach verurteilt. Als der FN-Chef 2002 überraschend in die Stichwahl gegen Jacques Chirac kam, stand ganz Frankreich unter Schock. Geschlossen wandten sich die anderen Parteien in einer „republikanischen Front“gegen den Rechtsextremisten, der dadurch haushoch gegen Chirac verlor.
20 Jahre später ist die republikanische Front weitgehend zusammen gebrochen und die Le-Pen-Partei hat ihren Schrecken verloren. Das ist das Ergebnis von Marine Le Pens Strategie der „Entteufelung“, die sie seit der Übernahme der Parteiführung von ihrem Vater 2011 umsetzt. 2015 benannte sie die Partei in Rassemblement National um– statt einer Front also eine Sammlungsbewegung, in der sich auch Konservative wiederfinden sollen. Doch auch wenn sie die Fassade übertünchte: In ihren von Nationalismus geprägten Ideen blieb Le Pen ihrem Vater treu. „Das Programm wurde nicht wesentlich geändert“, kommentierte Jean-Marie Le Pen im Frühjahr die Entwicklung der Partei zufrieden.
In den Köpfen ihrer Landsleute bleiben aber nicht die harten Töne, sondern das weich gezeichnete Image einer Frau haften, die sich gerne mit ihren Katzen fotografieren lässt. Zu einer erneuten Präsidentschaftskandidatur, die sie eigentlich ausgeschlossen hatte, sagt die 54-Jährige inzwischen nur: „In der Politik sollte man niemals nie sagen.“