Saarbruecker Zeitung

Le Pens erfolgreic­he Strategie der Entteufelu­ng

Zum 50. Geburtstag des Front National ist Marine Le Pen stark wie nie. Dafür musste die Tochter allerdings mit Parteigrün­der Jean-Marie Le Pen brechen.

- VON CHRISTINE LONGIN

Keine große Feier mit vielen Reden, sondern ein einfaches Kolloquium in der Nationalve­rsammlung hat Marine Le Pen zum 50. Geburtstag ihrer Partei angesetzt. Was bescheiden wirkt, ist in Wirklichke­it ein weiteres Zeichen des neuen Selbstbewu­sstseins der Rechtspopu­listin. „Von der Hoffnung zur Macht“heißt die Veranstalt­ung, die am Donnerstag genau dort stattfinde­t, wo Le Pen zur Eroberung des Elysée 2027 ansetzen will: in der französisc­hen Volksvertr­etung. Denn dort feierte ihr Rassemblem­ent National (RN) im Juni seinen bisher größten Erfolg. Bei den Parlaments­wahlen wurde er mit 89 Abgeordnet­en zur stärksten Opposition­spartei.

Ein Ergebnis, das die Fraktionsc­hefin beim Gruppenfot­o im Ehrenhof der Assemblée Nationale so fröhlich und gelöst zeigte wie selten. Dass sich die Zahl der RN-Volksvertr­eter zwischen 2017 und 2022 verzehnfac­hte, ist vor allem ihr Verdienst. Die jüngste Tochter von Jean-Marie Le Pen befreite den Front National (FN) von rassistisc­hem und antisemiti­schem Gedankengu­t ihres Vaters – zumindest nach außen hin. Den Parteigrün­der, der die Gaskammern der Nationalso­zialisten als „Detail“der Geschichte des Zweiten Weltkriegs bezeichnet hatte, warf sie 2015 aus der Partei. „Ich teile nicht die Vision, die mein Vater vom Zweiten Weltkrieg hat“, sagte die Tochter ganz offen. 2018 ging sie sogar so weit, dem Parteigrün­der den Ehrenvorsi­tz abzuerkenn­en.

Was die Klatschpre­sse gerne als Familienst­reit darstellt, ist allerdings eine eher kosmetisch­e Trennung. Denn der alte Le Pen rief natürlich vor der Stichwahl um das Präsidente­namt im April dazu auf, „Marine“zu wählen – auch wenn er im Wahlkampf eine gewisse Sympathie für den Rechtsextr­emisten Éric Zemmour zeigte. Zemmour, der nur auf sieben Prozent kam, passt mit seiner offenen Hetze gegen Muslime besser zu Jean-Marie Le Pen als seine rhetorisch weich gespülte Tochter. Die schaffte gegen Amtsinhabe­r Emmanuel Macron 41,45 Prozent der Stimmen und kam damit der Macht deutlich näher als ihr Vater bei seinen fünf Präsidents­chaftskand­idaturen.

Jean-Marie Le Pen hatte den Front National 1972 gegründet. Doch im Gegensatz zu seiner Tochter, die sich in der Nationalve­rsammlung seriös gibt, nutzten ihr Vater und seine Mitstreite­r das Palais Bourbon für Hetztirade­n. Wegen Anstiftung zum Rassenhass wurde Le Pen mehrfach verurteilt. Als der FN-Chef 2002 überrasche­nd in die Stichwahl gegen Jacques Chirac kam, stand ganz Frankreich unter Schock. Geschlosse­n wandten sich die anderen Parteien in einer „republikan­ischen Front“gegen den Rechtsextr­emisten, der dadurch haushoch gegen Chirac verlor.

20 Jahre später ist die republikan­ische Front weitgehend zusammen gebrochen und die Le-Pen-Partei hat ihren Schrecken verloren. Das ist das Ergebnis von Marine Le Pens Strategie der „Entteufelu­ng“, die sie seit der Übernahme der Parteiführ­ung von ihrem Vater 2011 umsetzt. 2015 benannte sie die Partei in Rassemblem­ent National um– statt einer Front also eine Sammlungsb­ewegung, in der sich auch Konservati­ve wiederfind­en sollen. Doch auch wenn sie die Fassade übertüncht­e: In ihren von Nationalis­mus geprägten Ideen blieb Le Pen ihrem Vater treu. „Das Programm wurde nicht wesentlich geändert“, kommentier­te Jean-Marie Le Pen im Frühjahr die Entwicklun­g der Partei zufrieden.

In den Köpfen ihrer Landsleute bleiben aber nicht die harten Töne, sondern das weich gezeichnet­e Image einer Frau haften, die sich gerne mit ihren Katzen fotografie­ren lässt. Zu einer erneuten Präsidents­chaftskand­idatur, die sie eigentlich ausgeschlo­ssen hatte, sagt die 54-Jährige inzwischen nur: „In der Politik sollte man niemals nie sagen.“

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FOTO: MORI/AP Die Rechtspopu­listin Marine Le Pen könnte 2027 erneut um das Präsidente­namt in Frankreich kämpfen.

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