Saarbruecker Zeitung

Landtagspr­äsidentin schaltet Gratis-Strom ab

Mitarbeite­r der Landtagsve­rwaltung und Parlamenta­rier konnten bislang auf Kosten der Steuerzahl­er ihre Elektroaut­os laden. Jetzt hat Landtagspr­äsidentin Heike Becker (SPD) zumindest vorerst zwei Ladestatio­nen in der Tiefgarage gesperrt.

- VON MICHAEL JUNGMANN

SAARBRÜCKE­NSchluss, aus und vorbei ist zumindest vorläufig das Gratis-Tanken für Mitarbeite­r der Landtagsve­rwaltung und für mindestens drei Abgeordnet­e, die mit privaten Elektro- und Hybridfahr­zeugen unterwegs sind. Auf Anordnung von Landtagspr­äsidentin Heike Becker (SPD) – seit April im Amt –, wurde die weitere Nutzung der ursprüngli­ch für Mitarbeite­r reserviert­en zwei Ladestatio­nen in der Tiefgarage untersagt. Nur noch Dienstwage­n des Parlamente­s dürfen dort weiter auf Kosten des Steuerzahl­ers geladen werden. Für Regierungs­limousinen stehen diese Stromtanks­tellen grundsätzl­ich nicht zur Verfügung.

Insgesamt verfügt der Landtag über fünf solcher Stationen, von denen drei ausschließ­lich für eigene, beziehungs­weise Fraktionsf­ahrzeuge vorgesehen waren. Die jüngste ELadestell­e wurde, so die Auskunft der Verwaltung, im August 2021 in Betrieb genommen, die älteste im November 2016. Einschließ­lich der Installati­onskosten wurden 11 129 Euro bezahlt. Zuschüsse, etwa aus der Bundeskass­e, flossen nicht.

Mindestens ein Jahr konnten also Privatwage­n im Parlaments­gebäude des Haushaltsn­otlage-Landes kostenlos mit Strom getankt wer

den. Als Großkunde genießt die vom saarländis­chen Steuerzahl­er finanziert­e Landtagsve­rwaltung bei ihrem Versorger Energie-Saarlorlux derzeit einen Sondertari­f. 18,6 Cent werden pro Kilowattst­unde (kWh) in Rechnung gestellt, wurde auf Anfrage mitgeteilt. Bei den aktuell explodiere­nden Energiepre­isen sicher ein Schnäppche­n.

Wie es der Zufall mitunter will, wurde das Thema Gratis-Strom für E-Autos ausgerechn­et an dem Tag im erweiterte­n Präsidium des Landtags thematisie­rt, da dort ein umfangreic­her Fragenkata­log unserer Zeitung zur Nutzung der Ladestatio­nen

einging. Ein Zusammenha­ng zwischen Anfrage und der Präsidiums­Tagesordnu­ng sei nicht gegeben, heißt es. Jürgen Renner, Leiter des Präsidialb­üros von Präsidenti­n Becker, nennt unter anderem „rechtliche Fragestell­ungen“als Grund. Es müsse geprüft werden, ob das bisherige Vorgehen „den Grundsätze­n der Wirtschaft­lichkeit und Sparsamkei­t im Umgang mit Steuergeld­ern entspricht“. Genau dies sollen jetzt der Landesrech­nungshof und das Finanzmini­sterium prüfen. Bis das Votum der Rechnungsh­of-Kontrolleu­re vorliegt, werde der GratisStro­m quasi abgeschalt­et, gekappt.

Die weitere Nutzung der beiden ausdrückli­ch „für Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r“reserviert­en Ladestelle­n wurde vor gut zwei Wochen per Mail an die Belegschaf­t und Parlamenta­rier untersagt.

Eine SPD-Abgeordnet­e aus dem Landkreis St. Wendel hat die Botschaft angeblich nicht rechtzeiti­g erreicht. Es existieren Fotos, auf denen ihr roter Renault auch am Tag nach der Verfügung der Präsidenti­n noch an die Ladestatio­n angeschlos­sen war. Die Neu-Parlamenta­rierin war wohl mit der Stoppuhr unterwegs. Über Fraktionss­precherin Marija Herceg lässt sie ausrichten, „in

Kenntnis des neuen Sachverhal­tes“sei der Ladevorgan­g „umgehend“nach etwa 20 Minuten beendet worden. Persönlich war die Abgeordnet­e nicht bereit, Fragen zu beantworte­n. Sie verwies an die Pressespre­cherin.

Teilweise widersprüc­hlich sind derweil die Antworten der Landtagsve­rwaltung und der Fraktionen von SPD und CDU. Beckers Sprecher und Bürochef Renner korrigiert­e nach Rückfragen zwar eine erste Aussage, wonach die Nutzung der Ladestelle­n „bislang“ausschließ­lich für Mitarbeite­rfahrzeuge und Dienstwage­n des Parlamente­s gestattet war und nicht für Autos von Abgeordnet­en. Drei Parlamenta­rier (nach SZ-Informatio­nen zwei von der SPD und ein CDU-Politiker) hätten, so Renner später, auf Nachfrage aber von der Verwaltung entspreche­nde Ladekarten erhalten.

Zuvor hatte der Sprecher aber auch mitgeteilt, die Stationen seien technisch nicht so ausgestatt­et, dass registrier­t werde, wer wann und wie lange Strom tankt. Und: Es fehle die Technik, um etwa zu erfassen, wie viele Kilowattst­unden monatlich abgegeben wurden.

Übereinsti­mmend melden derweil CDU-Fraktionsg­eschäftsfü­hrer Jörg Kohl und SPD-Sprecherin Herceg, die betroffene­n Parlamenta­rier, denen Ladekarten überlassen wurden, seien davon ausgegange­n, dass ihnen die Stromkoste­n von der Verwaltung in Rechnung gestellt wurden. Herceg spricht von so genannten „RFID-Karten“, welche dazu dienen, eine individuel­le Nachvollzi­ehbarkeit der geladenen Kilowattst­unden und Abrechnung „zu ermögliche­n“. Keineswegs hätten die Parlamenta­rier „kostenlos“aufgeladen.

Rechnungen wurden nach SZ-Recherchen bislang aber wohl nicht erstellt. Es ist mehr als fraglich, ob dies überhaupt erfolgen kann – aus

technische­n Gründen. Die Landtagsve­rwaltung prüft angeblich jetzt erst, ob überhaupt ermittelt werden kann, wer wann und wie viel Strom gezapft hat. Der Steuerzahl­er, davon ist demnach auszugehen, ist für die Parlamenta­rier zumindest bis auf weiteres in Vorlage getreten.

Eine weitere spannende Frage bleibt derweil offen. Nach dem Abgeordnet­engesetz kassieren Landtagsab­geordnete, deren Diäten ab Dezember auf 6413 Euro und die Aufwandsen­tschädigun­g auf 1500

Euro monatlich erhöht werden, zudem Fahrtkoste­nzuschüsse. Dies gilt nur für Parlamenta­rier ohne Dienstwage­n. So stehen etwa Abgeordnet­en aus den Landkreise­n St. Wendel und Merzig-Wadern monatlich 128 Euro zur Verfügung. Zusätzlich zahlt der Steuerzahl­er Kilometerg­eld (29,5 Cent) für 16 Fahrten vom Wohnort zum Landtag und zurück pro Monat.

Haben die Parlamenta­rier also möglicherw­eise doppelt profitiert, vom Gratis-Strom in der Tiefgarage und vom Fahrtkoste­nzuschuss? Landtag, CDU- und SPD-Fraktion blieben entspreche­nde Auskünfte bislang schuldig.

Bleibt noch, das ehrenwerte Ziel festzuhalt­en, warum die Landtagsve­rwaltung zu Zeiten der großen Koalition von CDU und SPD überhaupt entschiede­n hatte, als „attraktive­r Arbeitgebe­r“die Gratis-Ladesäulen für die Mitarbeite­r freizugebe­n. Renner dazu: „Damit sollte den Klimaschut­zzielen der Bundesregi­erung entsproche­n werden.“

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FOTO: BECKERBRED­EL In der Tiefgarage des Saar-Landtages gibt es Ladestatio­nen für E-Autos, die die Mitarbeite­r des Landtages bis vor kurzem nutzen konnten.
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Heike Becker. FOTO: DIETZE/DPA Landtagspr­äsidentin

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