„Ich sehe den Fonds als eine Art Befreiungsschlag“
Der Wirtschaftsweise befürwortet den von der Landesregierung geplanten Milliarden-Fonds zum Strukturwandel im Saarland.
SAARBRÜCKEN Achim Truger ist seit 2019 Mitglied des Sachverständigenrates. Im Interview mit der SZ erklärt der gewerkschaftsnahe Professor für Sozioökonomie, Schwerpunkt Staatstätigkeit und Staatsfinanzen an der Universität Duisburg-Essen, wie die erhoffte Rendite der Milliarden-Investitionen aussehen könnte – und warum er erwartet, dass andere Bundesländer dem saarländischen Beispiel folgen werden.
Sie haben die Nachricht, dass das Saarland für den Strukturwandel einen kreditfinanzierten Transformationsfonds auflegen will, umgehend auf Twitter geteilt. Waren Sie selbst überrascht?
TRUGER Ja, und zwar positiv.
Warum?
TRUGER Ich sehe den Transformationsfonds als eine Art Befreiungsschlag. Es gibt wahnsinnig viele Aufgaben und Herausforderungen, die man nicht aus dem laufenden Haushalt und auch nicht durch die Verwaltung des Mangels bewältigen kann. Da muss man in die Offensive gehen! Der Fonds ist ökonomisch gut begründet: Investitionen kann man laut ökonomischer Theorie Kredit-finanzieren, weil dadurch in der Zukunft ein Nutzen anfällt. Das steht und fällt aber natürlich damit, dass mit dem Fonds vernünftige Dinge gemacht werden.
Das Saarland will den Fonds für die drei I’s nutzen: Industriepolitik, Infrastruktur und Innovationen. Ist das vernünftig?
TRUGER Das sind alles Bereiche, die im weitesten Sinne zukunftsgerichtet und investiv sind. Wenn das gut gemacht wird, fällt später etwas Positives ab.
Der Finanzminister hat in seiner Regierungserklärung gesagt: „Die durchschnittliche Rendite der beabsichtigten Investitionen ist trotz steigender Zinsen deutlich höher als die Zins- und Tilgungslast der Verschuldung.“Welche Form kann diese Rendite annehmen?
TRUGER Es ist nicht so, dass der Staat investiert und dann Rückzahlungen wie bei einer Verzinsung erhält. Rendite kann ganz viel sein: vermiedene Zahlungen, Klimaneutralität, bessere Schulen und Infrastruktur, aber auch eine gelungene Transformation mit einer stärkeren Wirtschaft. Wenn man hinterher eine größere
Wirtschaft hat, kommt am Ende gesamtwirtschaftlich ein Gewinn heraus. Die Schuldenstandsquote – also das Verhältnis von Verschuldung und Wirtschaftsleistung – wird dadurch geringer und der Staat kann auch die Zinsen leichter zahlen.
Dass die Zinsen für die neuen Schulden, immerhin drei Milliarden Euro, die künftigen Generationen stark belastet wird, befürchten Sie also nicht?
TRUGER Die Zinsausgaben werden nominal natürlich steigen, aber in Relation zur Wirtschaftsleistung könnte die Last am Ende wie gesagt sogar niedriger sein. Außerdem würden die künftigen Generationen natürlich auch dadurch belastet, wenn nicht investiert würde, die Transformation misslingt und es weniger Jobs gibt.
Das erste I steht für Industriepolitik: Wenn das Land mit den Investitionen Neuansiedlungen finanziert, liegt die Rendite auf der Hand: mehr Jobs und damit höhere Steuereinnahmen.
TRUGER Das Saarland hat mit einer schrumpfenden Bevölkerung zu kämpfen, was auch für die Einnahmen des Landes schlecht ist. Wenn es dem Saarland gelingt, Wachstum und damit Beschäftigung zu schaffen und Menschen von außen ins Land kommen, hat das einen sehr positiven fiskalischen Effekt.
Das zweite I ist die Infrastruktur. Wie sieht die Rendite, wenn das Land mit dem Geld eine Schule oder ein Dorfgemeinschaftshaus saniert?
TRUGER Wenn das eine energetische Sanierung ist, fallen in Zukunft weniger Energiekosten an. Eine Schule, die verfällt, verursacht auch Kosten. Und gut ausgebildete Arbeitskräfte sind wichtig. In Hessen mussten mal Wochen vor den Sommerferien Schulen wegen Einsturzgefahr geschlossen werden. Das hat sicherlich keine positive Rendite.
Gehen Sie davon aus, dass andere Bundesländer dem saarländischen Beispiel folgen werden?
TRUGER Ich kann mir vorstellen, dass das Saarland Nachahmer finden wird. Und zwar deshalb, weil die Transformation auch für andere Bundesländer Herausforderungen schafft und viele das nicht aus dem laufenden Haushalt schultern können.