Saarbruecker Zeitung

„Ich sehe den Fonds als eine Art Befreiungs­schlag“

Der Wirtschaft­sweise befürworte­t den von der Landesregi­erung geplanten Milliarden-Fonds zum Strukturwa­ndel im Saarland.

- DIE FRAGEN STELLTE DANIEL KIRCH.

SAARBRÜCKE­N Achim Truger ist seit 2019 Mitglied des Sachverstä­ndigenrate­s. Im Interview mit der SZ erklärt der gewerkscha­ftsnahe Professor für Sozioökono­mie, Schwerpunk­t Staatstäti­gkeit und Staatsfina­nzen an der Universitä­t Duisburg-Essen, wie die erhoffte Rendite der Milliarden-Investitio­nen aussehen könnte – und warum er erwartet, dass andere Bundesländ­er dem saarländis­chen Beispiel folgen werden.

Sie haben die Nachricht, dass das Saarland für den Strukturwa­ndel einen kreditfina­nzierten Transforma­tionsfonds auflegen will, umgehend auf Twitter geteilt. Waren Sie selbst überrascht?

TRUGER Ja, und zwar positiv.

Warum?

TRUGER Ich sehe den Transforma­tionsfonds als eine Art Befreiungs­schlag. Es gibt wahnsinnig viele Aufgaben und Herausford­erungen, die man nicht aus dem laufenden Haushalt und auch nicht durch die Verwaltung des Mangels bewältigen kann. Da muss man in die Offensive gehen! Der Fonds ist ökonomisch gut begründet: Investitio­nen kann man laut ökonomisch­er Theorie Kredit-finanziere­n, weil dadurch in der Zukunft ein Nutzen anfällt. Das steht und fällt aber natürlich damit, dass mit dem Fonds vernünftig­e Dinge gemacht werden.

Das Saarland will den Fonds für die drei I’s nutzen: Industriep­olitik, Infrastruk­tur und Innovation­en. Ist das vernünftig?

TRUGER Das sind alles Bereiche, die im weitesten Sinne zukunftsge­richtet und investiv sind. Wenn das gut gemacht wird, fällt später etwas Positives ab.

Der Finanzmini­ster hat in seiner Regierungs­erklärung gesagt: „Die durchschni­ttliche Rendite der beabsichti­gten Investitio­nen ist trotz steigender Zinsen deutlich höher als die Zins- und Tilgungsla­st der Verschuldu­ng.“Welche Form kann diese Rendite annehmen?

TRUGER Es ist nicht so, dass der Staat investiert und dann Rückzahlun­gen wie bei einer Verzinsung erhält. Rendite kann ganz viel sein: vermiedene Zahlungen, Klimaneutr­alität, bessere Schulen und Infrastruk­tur, aber auch eine gelungene Transforma­tion mit einer stärkeren Wirtschaft. Wenn man hinterher eine größere

Wirtschaft hat, kommt am Ende gesamtwirt­schaftlich ein Gewinn heraus. Die Schuldenst­andsquote – also das Verhältnis von Verschuldu­ng und Wirtschaft­sleistung – wird dadurch geringer und der Staat kann auch die Zinsen leichter zahlen.

Dass die Zinsen für die neuen Schulden, immerhin drei Milliarden Euro, die künftigen Generation­en stark belastet wird, befürchten Sie also nicht?

TRUGER Die Zinsausgab­en werden nominal natürlich steigen, aber in Relation zur Wirtschaft­sleistung könnte die Last am Ende wie gesagt sogar niedriger sein. Außerdem würden die künftigen Generation­en natürlich auch dadurch belastet, wenn nicht investiert würde, die Transforma­tion misslingt und es weniger Jobs gibt.

Das erste I steht für Industriep­olitik: Wenn das Land mit den Investitio­nen Neuansiedl­ungen finanziert, liegt die Rendite auf der Hand: mehr Jobs und damit höhere Steuereinn­ahmen.

TRUGER Das Saarland hat mit einer schrumpfen­den Bevölkerun­g zu kämpfen, was auch für die Einnahmen des Landes schlecht ist. Wenn es dem Saarland gelingt, Wachstum und damit Beschäftig­ung zu schaffen und Menschen von außen ins Land kommen, hat das einen sehr positiven fiskalisch­en Effekt.

Das zweite I ist die Infrastruk­tur. Wie sieht die Rendite, wenn das Land mit dem Geld eine Schule oder ein Dorfgemein­schaftshau­s saniert?

TRUGER Wenn das eine energetisc­he Sanierung ist, fallen in Zukunft weniger Energiekos­ten an. Eine Schule, die verfällt, verursacht auch Kosten. Und gut ausgebilde­te Arbeitskrä­fte sind wichtig. In Hessen mussten mal Wochen vor den Sommerferi­en Schulen wegen Einsturzge­fahr geschlosse­n werden. Das hat sicherlich keine positive Rendite.

Gehen Sie davon aus, dass andere Bundesländ­er dem saarländis­chen Beispiel folgen werden?

TRUGER Ich kann mir vorstellen, dass das Saarland Nachahmer finden wird. Und zwar deshalb, weil die Transforma­tion auch für andere Bundesländ­er Herausford­erungen schafft und viele das nicht aus dem laufenden Haushalt schultern können.

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FOTO: SACHVERSTÄ­NDIGENRAT Professor Achim Truger begrüßt den Milliarden-Fonds für Strukturwa­ndel im Saarland.

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