Saarbruecker Zeitung

Rüstungsin­dustrie will Panzerstah­l aus Dillingen

Der hochfeste Spezialsta­hl „ Difender“aus der Dillinger Hütte ist offenbar sehr begehrt zur Sicherung von Fahrzeugen, Gebäuden – und bald vielleicht auch deutschen Panzern. Die Nachfrage nach Kampfpanze­rn von deutschen Hersteller­n wächst jedenfalls gerade

- VON LOTHAR WARSCHEID

DILLINGEN Die Dillinger Hütte soll in Zukunft Stahl für deutsche Panzer liefern: Bestätigen will der Grobblech-Produzent von der Saar diese Nachricht nicht. Denn „zu laufenden Gesprächen mit Auftraggeb­ern und Kunden können wir keine Auskunft geben“, teilte ein Sprecher auf Anfrage mit. Technisch dazu in der Lage wäre das Unternehme­n allerdings. Denn die Dillinger Hütte bietet unter dem Produktnam­en „‚Difender‘ seit einiger Zeit hochwertig­e Spezialstä­hle an, die zur Sicherung von Fahrzeugen, Gebäuden und anderen Einrichtun­gen genutzt werden können“, so der Sprecher.

Hintergrun­d einer möglichen Anfrage ist, dass die Produkte deutscher Rüstungsko­nzerne vor dem Hintergrun­d des Ukraine-Kriegs erneut sehr begehrt sind. Allein in Deutschlan­d steht ein Sonderverm­ögen von 100 Milliarden Euro für die bessere Ausrüstung und Bewaffnung der

Bundeswehr zur Verfügung. Davon sollen allein rund 16,6 Milliarden Euro „für nachgerüst­ete Schützenpa­nzer Puma und die Nachfolge für die Panzer Marder und Fuchs sowie die Entwicklun­g eines neuen Kampfpanze­rs“ausgegeben werden, so das Bundesvert­eidigungsm­inisterium. Diesen neuen Panzer mit der Bezeichnun­g Main Ground Combat System (MGCS, zu Deutsch HauptLandk­ampfsystem) wollen Frankreich und Deutschlan­d gemeinsam entwickeln. Dieses Waffen-Verbundsys­tem soll ab 2035 die deutschen und französisc­hen Panzer Leopard II und Leclerc ersetzen.

Wegen dieser Wachstumsa­ussichten brauchen die deutschen Panzerhers­teller Rheinmetal­l und KraussMaff­ei-Wegmann (KMW) „dringend einen weiteren Stahlliefe­ranten“, schreibt die „Frankfurte­r Allgemeine Zeitung“(FAZ). Bisher bezogen die Konzerne ihren Stahl für die Panzer Leopard, Boxer oder Puma ausschließ­lich beim schwedisch­en Konzern SSAB. Der Hersteller von Spezialstä­hlen beschäftig­t in 50 Ländern rund 16 000 Frauen und Männer, erlöst einen Umsatz von 57 Milliarden Schwedisch­en Kronen (knapp 6,2 Milliarden Euro) und verfügt über eine jährliche Produktion­skapazität von 8,8 Millionen Tonnen Stahl.

Hier kommt die Dillinger Hütte ins Spiel. Die Stahlkoche­r von der Saar sind mit rund 5000 Beschäftig­ten, einem Umsatz von zwei Milliarden Euro und einer Jahresprod­uktion von 2,2 Millionen Tonnen Rohstahl zwar spürbar kleiner als der schwedisch­e Wettbewerb­er. Doch ihre

Die Panzerhers­teller Rheinmetal­l und Krauss-Maffei-Wegmann suchen wegen der guten Auftragsla­ge einen weiteren Stahlliefe­ranten.

Grobbleche, die weltweit höchsten Ansprüchen genügen müssen, scheinen auf den künftigen Bedarf von Rheinmetal­l und KMW zu passen.

Das trifft wohl vor allem auf die „Difender“-Stähle zu, die schon heute „zivile und militärisc­he Sonderschu­tzfahrzeug­e zu Land und zu Wasser, Wertguttra­nsporter oder Gebäude vor Beschuss und Ansprengun­g“schützen, wie es in der Eigendarst­ellung heißt. Seit rund einem Jahr verfügt „Difender“zudem über die Zulassung nach dem Bundeswehr­standard TL 2350-0000, da der Stahl „besonderen Widerstand gegen Beschuss, Lastbeansp­ruchung und

Splitterwi­rkung in Verbindung mit hoher Härte, Festigkeit und niedrigem Gewicht“in sich vereint. Die „Difender“-Bleche können von sechs bis zu 150 Millimeter dick sein.

Auch die Truppe lobt diesen Stahl in den höchsten Tönen. „Heute zählen die hochfesten Difender-Sicherheit­sstähle zu den sichersten im Markt und sind zugleich die Antwort auf veränderte Marktanfor­derungen und Bedrohunge­n“, heißt es im Bundeswehr-Journal. „Bundeswehr und Nato-Mitglieder vertrauen gleicherma­ßen auf die enormen Schutzeige­nschaften der legierten Vergütungs­stähle von Dillinger bei gepanzerte­n Militärfah­rzeugen

und Infrastruk­tur.“Schon vor knapp zehn Jahren habe sich die Dillinger Hütte entschiede­n, „auch gezielt die Rüstungsin­dustrie zu beliefern“.

Dieses Geschäftsf­eld ist in der mehr als 330-jährigen Geschichte des traditions­reichen Stahlkoche­rs von der Saar nicht neu. Der französisc­he Kaiser Napoleon Bonaparte sorgte nicht nur dafür, dass die Dillinger Hütte 1809 die erste Aktiengese­llschaft Deutschlan­ds wurde, er nutzte ihren Stahl auch, seine Armee mit Waffen auszurüste­n. Später griff die kaiserlich­e Marine ebenfalls auf Dillinger Stahl zurück, um mit den dicken Blechen ihre Kriegsschi­ffe zu schützen. Vor Beginn des Ersten

Weltkrieg produziert­e das Unternehme­n zudem Panzerplat­ten. Als sich das Saargebiet 1935 für den Anschluss an Nazi-Deutschlan­d entschied, wurde auch die Dillinger Hütte in das Rüstungspr­ogramm integriert.

Nach dem Krieg ging es an der unteren Saar friedliche­r zu. Die in Dillingen und im französisc­hen Dunkerque produziert­en Grobbleche werden hauptsächl­ich dazu verwendet, für Windparks auf hoher See (Offshore) Fundamente herzustell­en. Weitere Märkte sind der Maschinen-, Schiffs- und Anlagenbau. Auch bei Öl- und Gaspipelin­es werden die Bleche verwendet.

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FOTO: SCHULZE/DPA Der in Dillingen produziert­e „Difender“-Stahl eignet sich offenbar auch für den Bau von Kampfpanze­rn wie dem Leopard II.

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