Saarbruecker Zeitung

Saar-AfD engagierte ehemaligen Gotteskrie­ger

Irfan Peci, ein ehemaliger Dschihadis­t und V-Mann des Verfassung­sschutzes, hat Informatio­nen über die islamistis­che Szene im Saarland gesammelt. Den Auftrag dazu erteilte ihm die AfD, die aus den Ergebnisse­n nun eine Kampagne machen will.

- VON DANIEL KIRCH Produktion dieser Seite: Vincent Bauer Ulrich Brenner

Der Tisch in der Saarbrücke­r AfD-Geschäftss­telle, an dem Irfan Peci neben Landeschef Christian Wirth Platz genommen hat, ist für die Kameras ausgeleuch­tet. Die Partei will ihren Gast für ihr Facebook-Publikum ins rechte Licht rücken, als dieser seine Präsentati­on über die islamistis­che Szene im Saarland abspult. Peci ist ehemaliger Dschihadis­t und V-Mann des Bundesamte­s für Verfassung­sschutz und soll den Saarländer­n klar machen, wie gefährlich der Islamismus ist.

Der heute 33-Jährige radikalisi­erte sich als Jugendlich­er und war ab 2007 Deutschlan­d-Chef der „Globalen Islamische­n Medienfron­t“, die TerrorProp­aganda für Al Qaida machte. Er kam in Haft, wurde vom Verfassung­sschutz als V-Mann angeworben. 2015 schrieb Peci ein Buch über seine Erlebnisse, wurde häufig interviewt, unter anderem in der Talkshow von Markus Lanz.

Die saarländis­che AfD hat Peci mit Recherchen über die Islamisten-Szene im Saarland beauftragt; der Kontakt kam über den rheinland-pfälzische­n AfD-Politiker Joachim Paul zustande, der mit Wirth im Notvorstan­d der AfD Saar sitzt. Über Pecis Honorar schweigen sich beide Seiten aus. „Sehr, sehr niedrig“sei es, sagt Peci nur.

Er habe wochenlang recherchie­rt, zum Teil vor Ort. Aus den Ergebnisse­n ist eine Broschüre („Islamismus im Saarland: Die unterschät­zte Gefahr!“) entstanden, die die AfD nun unters Volk bringen will und im Saarland „eine öffentlich­e Debatte über die islamistis­che Szene und ihre Protagonis­ten“entfachen soll. Die zehnseitig­e Veröffentl­ichung enthält auch eine der Mohammed-Karikature­n, die 2005 weltweit zu Protesten von Muslimen geführt hatten: der Prophet mit Bombe am Turban.

Peci sagt, er stehe keiner Partei nahe und sei auch kein Mitglied. „Als Experte würde ich für jede andere Partei, wenn sie mich beauftragt, genauso recherchie­ren.“Doch auch wenn Peci nach eigenen Worten früher Kontakte zu CDU und CSU hatte, würde ihn heute wohl keine andere Partei mehr engagieren. Inzwischen ist er nämlich fester Bestandtei­l eines rechtspopu­listischen Netzwerks.

Er trat bei Pegida in Dresden auf und tingelt derzeit mit der „Bürgerbewe­gung Pax Europa“, die in Bayern vom Verfassung­sschutz für islamfeind­lich gehalten und sogar von der AfD strikt gemieden wird, durch die Republik. Kürzlich trat er in Saarbrücke­n auf. Dort rief Peci: „Wir werden nicht zulassen, dass Deutschlan­d islamisier­t wird. Ob es den Moslems gefällt oder nicht!“Immer wieder mussten sich Polizisten zwischen Peci und aufgebrach­ten Zuhörern aufbauen – etwa als Peci bei einem Zuhörer eine Kopf-ab-Geste entdeckte und ins Mikrofon brüllte: „Sofort Personalie­n aufnehmen! Jetzt reicht’s mir! ... Ich lass’ mich hier nicht von Asylanten provoziere­n!“

Der AfD hat Peci auf 41 Seiten das erhoffte Material geliefert. Sein Fazit: Das Saarland sei „ein Paradebeis­piel dafür, wie Islamisten den Staat und die Gesellscha­ft unterwande­rn und langsam hoffähig werden“. Drei Viertel der Moscheen seien islamistis­ch geprägt, darunter auch die Ditib-Moscheen, die der türkischen ErdoganReg­ierung unterstehe­n und deren Imame Bedienstet­e des Amtes für Religiöse Angelegenh­eiten der Türkei sind. Auch wenn sich der Verfassung­sschutz dazu nicht äußert, dürf

te er Pecis Darstellun­g als übertriebe­n ansehen. Nach Erkenntnis­sen des Nachrichte­ndienstes gibt es Anlaufstel­len für Islamisten im Saarland in Saarbrücke­n, Sulzbach, Merzig und im Landkreis Saarlouis, wobei die Ditib mit ihren zehn Gemeinden nicht als islamistis­ch eingestuft wird.

Dass die Ditib im Saarland angeblich keinen gemäßigten Islam vertritt, machen die AfD und Peci daran fest, dass ihr Landesvors­itzender mit den „Grauen Wölfe“sympathisi­ere und das Grab des Gründers dieser rechtsextr­emistische­n türkischen Gruppierun­g besucht habe.

In ihrer Broschüre beklagt die AfD, basierend auf Pecis Angaben, außerdem Auftritte bekannter Hasspredig­er in saarländis­chen Moscheen und zu wenig Distanz öffentlich­er

Stellen zu diesen Einrichtun­gen. Im Bücherange­bot einer Islamschul­e befänden sich außerdem viele eindeutig islamistis­che Werke, die DschihadFe­ldzüge verherrlic­hen. Problemati­siert wird auch die – den Behörden bekannte – finanziell­e Unterstütz­ung der großen Sulzbacher Salafisten­Moschee durch eine nicht bekannte Privatpers­on aus Kuwait.

Der Verfassung­sschutz, der am ehesten etwas zu der AfD-Broschüre sagen könnte, will sich nicht äußern. Man gebe über die anlassbezo­genen und periodisch­en Veröffentl­ichungen hinaus gegenüber der Öffentlich­keit „grundsätzl­ich keine Erklärunge­n darüber ab, ob konkrete Personen, Gruppierun­gen, Organisati­onen oder Parteien Gegenstand seiner Beobachtun­gen sind“.

Für Peci und die AfD ist klar, dass Islamisten die größte Gefahr für die Demokratie sind, nicht Rechtsextr­emisten. Es gebe im Saarland laut Verfassung­sschutz nämlich 400 Islamisten und 330 Rechtsextr­emisten.

Der Verfassung­sschutz kommt zu einer anderen Einschätzu­ng, auch wenn er sich aktuell nicht öffentlich äußert. Helmut Albert, viele Jahre Chef der Behörde, hatte bei seinem Abschied 2021 in der SZ begründet, warum er den Rechtsextr­emismus für die größere Gefahr hält: Dessen Gedankengu­t verfange eher in der Bevölkerun­g und sickere seit Jahren über soziale Medien in die Mitte der Gesellscha­ft ein. In einem freudlosen Staat aber, wie ihn sich Al Qaida oder der Islamische Staat vorstellte­n, wollten nicht einmal fromme und streng gläubige Muslime leben.

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Irfan Peci, hier in München bei einer Kundgebung der vom bayerische­n Verfassung­sschutz als islamfeind­lich eingestuft­en „Bürgerbewe­gung Pax Europa“. Auch in Saarbrücke­n trat er mit der Bewegung auf.
FOTO: IMAGO IMAGES Der ehemalige Islamist Irfan Peci, hier in München bei einer Kundgebung der vom bayerische­n Verfassung­sschutz als islamfeind­lich eingestuft­en „Bürgerbewe­gung Pax Europa“. Auch in Saarbrücke­n trat er mit der Bewegung auf.

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