Saar-AfD engagierte ehemaligen Gotteskrieger
Irfan Peci, ein ehemaliger Dschihadist und V-Mann des Verfassungsschutzes, hat Informationen über die islamistische Szene im Saarland gesammelt. Den Auftrag dazu erteilte ihm die AfD, die aus den Ergebnissen nun eine Kampagne machen will.
Der Tisch in der Saarbrücker AfD-Geschäftsstelle, an dem Irfan Peci neben Landeschef Christian Wirth Platz genommen hat, ist für die Kameras ausgeleuchtet. Die Partei will ihren Gast für ihr Facebook-Publikum ins rechte Licht rücken, als dieser seine Präsentation über die islamistische Szene im Saarland abspult. Peci ist ehemaliger Dschihadist und V-Mann des Bundesamtes für Verfassungsschutz und soll den Saarländern klar machen, wie gefährlich der Islamismus ist.
Der heute 33-Jährige radikalisierte sich als Jugendlicher und war ab 2007 Deutschland-Chef der „Globalen Islamischen Medienfront“, die TerrorPropaganda für Al Qaida machte. Er kam in Haft, wurde vom Verfassungsschutz als V-Mann angeworben. 2015 schrieb Peci ein Buch über seine Erlebnisse, wurde häufig interviewt, unter anderem in der Talkshow von Markus Lanz.
Die saarländische AfD hat Peci mit Recherchen über die Islamisten-Szene im Saarland beauftragt; der Kontakt kam über den rheinland-pfälzischen AfD-Politiker Joachim Paul zustande, der mit Wirth im Notvorstand der AfD Saar sitzt. Über Pecis Honorar schweigen sich beide Seiten aus. „Sehr, sehr niedrig“sei es, sagt Peci nur.
Er habe wochenlang recherchiert, zum Teil vor Ort. Aus den Ergebnissen ist eine Broschüre („Islamismus im Saarland: Die unterschätzte Gefahr!“) entstanden, die die AfD nun unters Volk bringen will und im Saarland „eine öffentliche Debatte über die islamistische Szene und ihre Protagonisten“entfachen soll. Die zehnseitige Veröffentlichung enthält auch eine der Mohammed-Karikaturen, die 2005 weltweit zu Protesten von Muslimen geführt hatten: der Prophet mit Bombe am Turban.
Peci sagt, er stehe keiner Partei nahe und sei auch kein Mitglied. „Als Experte würde ich für jede andere Partei, wenn sie mich beauftragt, genauso recherchieren.“Doch auch wenn Peci nach eigenen Worten früher Kontakte zu CDU und CSU hatte, würde ihn heute wohl keine andere Partei mehr engagieren. Inzwischen ist er nämlich fester Bestandteil eines rechtspopulistischen Netzwerks.
Er trat bei Pegida in Dresden auf und tingelt derzeit mit der „Bürgerbewegung Pax Europa“, die in Bayern vom Verfassungsschutz für islamfeindlich gehalten und sogar von der AfD strikt gemieden wird, durch die Republik. Kürzlich trat er in Saarbrücken auf. Dort rief Peci: „Wir werden nicht zulassen, dass Deutschland islamisiert wird. Ob es den Moslems gefällt oder nicht!“Immer wieder mussten sich Polizisten zwischen Peci und aufgebrachten Zuhörern aufbauen – etwa als Peci bei einem Zuhörer eine Kopf-ab-Geste entdeckte und ins Mikrofon brüllte: „Sofort Personalien aufnehmen! Jetzt reicht’s mir! ... Ich lass’ mich hier nicht von Asylanten provozieren!“
Der AfD hat Peci auf 41 Seiten das erhoffte Material geliefert. Sein Fazit: Das Saarland sei „ein Paradebeispiel dafür, wie Islamisten den Staat und die Gesellschaft unterwandern und langsam hoffähig werden“. Drei Viertel der Moscheen seien islamistisch geprägt, darunter auch die Ditib-Moscheen, die der türkischen ErdoganRegierung unterstehen und deren Imame Bedienstete des Amtes für Religiöse Angelegenheiten der Türkei sind. Auch wenn sich der Verfassungsschutz dazu nicht äußert, dürf
te er Pecis Darstellung als übertrieben ansehen. Nach Erkenntnissen des Nachrichtendienstes gibt es Anlaufstellen für Islamisten im Saarland in Saarbrücken, Sulzbach, Merzig und im Landkreis Saarlouis, wobei die Ditib mit ihren zehn Gemeinden nicht als islamistisch eingestuft wird.
Dass die Ditib im Saarland angeblich keinen gemäßigten Islam vertritt, machen die AfD und Peci daran fest, dass ihr Landesvorsitzender mit den „Grauen Wölfe“sympathisiere und das Grab des Gründers dieser rechtsextremistischen türkischen Gruppierung besucht habe.
In ihrer Broschüre beklagt die AfD, basierend auf Pecis Angaben, außerdem Auftritte bekannter Hassprediger in saarländischen Moscheen und zu wenig Distanz öffentlicher
Stellen zu diesen Einrichtungen. Im Bücherangebot einer Islamschule befänden sich außerdem viele eindeutig islamistische Werke, die DschihadFeldzüge verherrlichen. Problematisiert wird auch die – den Behörden bekannte – finanzielle Unterstützung der großen Sulzbacher SalafistenMoschee durch eine nicht bekannte Privatperson aus Kuwait.
Der Verfassungsschutz, der am ehesten etwas zu der AfD-Broschüre sagen könnte, will sich nicht äußern. Man gebe über die anlassbezogenen und periodischen Veröffentlichungen hinaus gegenüber der Öffentlichkeit „grundsätzlich keine Erklärungen darüber ab, ob konkrete Personen, Gruppierungen, Organisationen oder Parteien Gegenstand seiner Beobachtungen sind“.
Für Peci und die AfD ist klar, dass Islamisten die größte Gefahr für die Demokratie sind, nicht Rechtsextremisten. Es gebe im Saarland laut Verfassungsschutz nämlich 400 Islamisten und 330 Rechtsextremisten.
Der Verfassungsschutz kommt zu einer anderen Einschätzung, auch wenn er sich aktuell nicht öffentlich äußert. Helmut Albert, viele Jahre Chef der Behörde, hatte bei seinem Abschied 2021 in der SZ begründet, warum er den Rechtsextremismus für die größere Gefahr hält: Dessen Gedankengut verfange eher in der Bevölkerung und sickere seit Jahren über soziale Medien in die Mitte der Gesellschaft ein. In einem freudlosen Staat aber, wie ihn sich Al Qaida oder der Islamische Staat vorstellten, wollten nicht einmal fromme und streng gläubige Muslime leben.