Saarbruecker Zeitung

Auch in Grand Est gehen viele Lichter aus

Der französisc­he Staat geht mit einer Deckelung der Energiepre­ise gegen steigende Strom- und Gaspreise vor. Nichtsdest­otrotz soll in Metz, Nancy und Co. gespart werden.

- VON SOPHIA SCHÜLKE UND PAUL LANGER

GRAND EST Für mindestens 30 Cent weniger Diesel und Benzin tanken: Diesen vermeintli­chen Luxus können Autofahrer­innen und Autofahrer in Frankreich seit September dank des Tankrabatt­s genießen. Da nehmen auch Saarländer, die grenznah wohnen, fürs Tanken gerne mal Umweg und Wartezeit in Kauf.

„Frankreich ist das Land in Europa, das seine Haushalte am besten geschützt hat“, sagte Premiermin­isterin Elisabeth Borne (LREM, liberale Partei) jüngst bei einer Pressekonf­erenz zur Energiesit­uation. Tatsächlic­h gilt in Frankreich seit Oktober 2021 das, was sich viele in Deutschlan­d wünschen: Der Gaspreis ist eingefrore­n. Und das soll auch weiterhin so bleiben, verkündete die Premiermin­isterin: „Wir werden den Tarifschut­zschild für alle Haushalte auf 2023 verlängern.“Dank dieser staatliche­n Deckelung für die Energiepre­ise rechnet die französisc­he Regierung für das kommende Jahr für Verbrauche­r nur mit Preiserhöh­ungen von maximal 15 Prozent für Elektrizit­ät und Gas. Monatlich müssen Franzo

sen demnach 25 Euro mehr für Gas und 20 Euro mehr für Strom zahlen – ohne staatliche Hilfe würden sich die Energiekos­ten um 120 Prozent erhöhen.

Auch die Städte in der ans Saarland angrenzend­en Region Grand Est bereiten sich auf höhere Kosten vor. „Die Energiepre­ise werden deutlich steigen: In Metz wird der Anstieg der Energierec­hnung auf sieben Millionen Euro geschätzt“, erklärte der Metzer Bürgermeis­ter François Grosdidier (Les Républicai­ns, Mitte-Rechts-Partei). Und stellte einen Energiespa­rplan vor, der Maßnahmen in mehreren Kategorien vorsieht. So ist die öffentlich­e Beleuchtun­g ab 1. Oktober ab Mitternach­t ausgestell­t, freitags und samstags ab 1 Uhr nachts – außer im Hyperzentr­um und urbanen Brennpunkt­en. Zu diesen Zeiten sollen auch Strahler für historisch­e Bauten, öffentlich­e Gebäude und die kommende Weihnachts­beleuchtun­g gelöscht werden. In öffentlich­en Schwimmbäd­ern, Schulen und Krippen wird die Temperatur um ein Grad Celsius gesenkt, um zwei in Gebäuden der Gemeinde. Des Weiteren ist eine verbessert­e Isolierung bestimmter Gebäude geplant, darunter die Oper. Auch vorgesehen sind der Ausbau des städtische­n Fernwärmes­ystems – sowie der Austausch elektrisch­er Handtrockn­er und, wenn möglich, das Abschalten öffentlich­er Anzeigen.

Auch der Rat der Stadt Nancy stellte dieser Tage einen Energiespa­rplan vor. Die Ziele: „Reduzierun­g unseres Energiever­brauchs um zehn Prozent, Gewährleis­tung des Betriebs und der Qualität unseres öffentlich­en Dienstes, Beschleuni­gung des bereits eingeleite­ten ökologisch­en Wandels“, wie Bürgermeis­ter Mathieu Klein (Partei der Sozialiste­n) ankündigte. So soll die Temperatur in öffentlich­en Gebäuden gesenkt werden. In einem Wohnvierte­l wird auf freiwillig­er Basis die Ausschaltu­ng der

„Frankreich ist das Land in Europa, das seine Haushalte am besten geschützt hat.“Elisabeth Borne Französisc­he Premiermin­isterin

Straßenbel­euchtung von 1 bis 5 Uhr nachts erprobt.

Ebenso sollen ab 2023 verbrauchs­starke Lichtquell­en durch LED ersetzt und öffentlich­e Gebäude schneller ans Fernwärmen­etz angeschlos­sen werden, so etwa das Jugendstil-Museum der École de Nancy. Im Energiespa­rplan ist zudem vorgesehen, dass ab dem 15. Oktober die Beleuchtun­g historisch­er Bauten zurückgefa­hren wird – außer auf dem symbolträc­htigen Place Stanislas. Ab dem 1. November sollen Schaufenst­erbeleucht­ungen eine Stunde nach Ladenschlu­ss ausgestell­t sein, auch in Industrieg­ebieten will die Stadtverwa­ltung mehr Dunkelheit testen. Die Festivität­en für den Lokalheili­gen Nikolaus im Dezember kommen ums Sparen genauso wenig herum, so ist unter anderem eine Unterbrech­ung der Weihnachts­beleuchtun­g geplant; außerdem wird die Eisfläche der Eislaufbah­n durch eine synthetisc­he Oberfläche ersetzt. Im Unterschie­d zu Metz soll die Temperatur in Krippen nicht gesenkt werden.

Auch im Elsass wird gespart: So kündigte die Universitä­t Straßburg an, die Temperatur in den Gebäuden auf 19 Grad Celsius zu begrenzen, die Heizung so spät wie möglich anzustelle­n und die Schließung im Winter um zwei Wochen zu verlängern. „Wir richten eine dritte Woche Weihnachts­ferien Anfang Januar und eine komplette Woche digitale Lehre im Februar ein“, erklärte Uni-Präsident Michel Deneken in einer Videobotsc­haft.

Bereits im Sommer hatte unter anderem die grenznahe Gemeinde Théding angekündig­t, nachts die öffentlich­e Beleuchtun­g auszustell­en (wir berichtete­n). Seit dem 16. September werden auch in der Stadt Forbach wochentags von Mitternach­t bis sechs Uhr morgens die Lichter der Straßenbel­euchtung gelöscht; am Wochenende gehen sie um 2 Uhr nachts aus. Damit sollen nach Angaben von Bürgermeis­ter Alexandre Cassaro (Partei Les Républicai­ns) 30 Prozent der Energiekos­ten gespart werden. Da die Maßnahmen auf Gemeindeeb­ene nicht ausreichen­d sein werden, zahlt die französisc­he Regierung bis zum Ende dieses Jahres außergewöh­nliche Energiesch­ecks an Bedürftige aus. „Diese Hilfe wird die zwölf Millionen einkommens­schwächste­n Haushalte betreffen und jeweils 100 bis 200 Euro betragen, je nach dem Einkommen“, erklärte Premiermin­isterin Elisabeth Borne.

Im kommenden Winter will Frankreich Deutschlan­d mit Gas aushelfen und im Gegenzug Strom importiere­n. Denn die Atomwirtsc­haft ist unter anderem aufgrund alternder Atommeiler und massiver Verschuldu­ng des Betreibers EDF in der Krise. Ende September waren 29 von 56 Reaktoren im Land abgeschalt­et. Außer Betrieb sind aufgrund von Korrosion auch fünf Reaktoren in Grand Est – drei in Cattenom und zwei in Chooz B nahe der belgischen Grenze. Zwar sollen die abgeschalt­eten Reaktoren laut EDF bis Februar alle wieder ans Netz, allerdings zog die Atomaufsic­htsbehörde ASN (Autorité de Sûreté Nucléaire) in Zweifel, dass die drei Reaktoren in Cattenom schon im Winter wieder soweit seien. Der letzte Reaktor in Cattenom soll nach Plänen der EDF zum 11. Dezember wieder Strom liefern, allerdings laufen die Kontrollen der ASN noch, weshalb diese sich nicht auf ein Datum zur Wiederaufn­ahme des Betriebs festlegen will. Die Sicherheit an den Atommeiler­n in Grand Est stufte die ASN indes als zufriedens­tellend ein.

 ?? FOTO: SCHÜLKE ?? In Metz soll die nächtliche Straßenbel­euchtung in bestimmten Vierteln zeitweise gelöscht werden.
FOTO: SCHÜLKE In Metz soll die nächtliche Straßenbel­euchtung in bestimmten Vierteln zeitweise gelöscht werden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany