Saarbruecker Zeitung

Saarbrücke­r Weinlese läuft vielverspr­echend

Nach Jahrzehnte­n hat Saarbrücke­n wieder einen Weinberg. Wir waren bei der Lese dabei. Nebenbei ist der Saarbrücke­r Weinbau auch ein Experiment für die Mosel.

- VON TOBIAS KESSLER Informatio­nen unter www.gs-.vinum. saarland und www.steffenhof.de/

ST. ARNUAL „Schauen Sie – wie lockerbeer­ig!“Winzer Ralf Steffen ist rundum glücklich mit den Weintraube­n in seiner Hand. Was er an der Traube Cabernet Blanc so mag, das erklärt er in aller Ruhe, da er schnell merkt, dass er einen Wein-Dilettante­n vor sich hat. „Riesling-Trauben zum Beispiel hängen sehr nahe beieinande­r, sie drücken aufeinande­r. Da kann eine schnell platzen, und dann fault sie.“Cabernet Blanc hängt da lässiger in der Rebe. Zudem sei die Traube pilzresist­ent und brauche nicht gespritzt zu werden. „Also Bio hoch drei.“

Wir stehen in der wohligen Herbstsonn­e auf einem Weinberg in Saarbrücke­n – dem einzigen in der Stadt: zwischen Kasental und Winterberg­Klinik, an einem lauschigen Flecken Erde, der ein bisschen wie saarländis­che Toskana wirkt. Über Jahrhunder­te, bis in die 1970er hinein, wurde hier Wein angebaut – dann

lange nicht mehr: Bis das Saarbrücke­r Ehepaar Brill das Gelände 2014 kaufte, aber erst mal gar keinen Weinbau im Sinn hatte, sondern einfach einen schönen Garten in einem Landschaft­sschutzgeb­iet.

Die Tochter hatte die Idee, hier wieder Wein anzubauen – und für die Brills begann ein Abenteuer mit viel Arbeit, war das Gelände doch ungepflegt, teilweise vermüllt. „Drei Jahre lang haben wir erst mal aufgeräumt“, sagt Günter Brill, früher Chefarzt der Radiologie in der Winterberg-Klinik; von seinem Arbeitspla­tz aus hatte er den späteren Neu-Weinberg gut im

Blick. Seine Frau Stefanie zeigt auf die gepflegten Mauern, die einen Teil des Weinbergs einfassen, „die haben wir nur aus Steinen gebaut, die hier aus dem Gelände stammen“.

Talwärts hat der Nachbar Pferde und 15 Ziegen, der Zaun neben einigen Rosmarin- und Lavendelbü­schen steht aber nicht ihretwegen unter Strom. „Der ist wegen der Wildschwei­ne“, sagt Stefanie Brill, „die machen die ganze Gegend unsicher.“

Heute ist einiges los auf dem Weinberg, denn die Lese steht an: Knapp 700 Rebstöcke wollen abgeerntet werden, um die 20 Menschen sind in

den Reihen beschäftig­t, Freunde und Familie der Brills. Ein Minitrakto­r tuckert umher, sammelt die Kisten mit den Trauben ein, die dann bei Winzer Ralf Steffen im Wagen landen, dem weinbaueri­schen Kopf des Ganzen. Er betreut den Weinberg, einmal wegen seiner Fachkenntn­is, aber auch aus „weinrechtl­ichen Gründen“, wie das Besitzerpa­ar Brill sagt. Denn als Privatpers­on darf man nicht mehr als 99 Reben bewirtscha­ften – hier in Saarbrücke­n aber sind es 600 mehr.

Ralf Steffen führt das Weingut Steffenhof in Trittenhei­m an der Moselschle­ife – der Kontakt zwischen ihm

und den Brills kam „typisch saarländis­ch“zustande, wie Günter Brill sagt, „wir kannten jemanden, der einen kennt, und so weiter …“

Einmal pro Woche kommt Steffen vorbei und schaut bei den Reben nach dem Rechten, schneidet, biegt Drahtschli­ngen, dank der dann Geäst zueinander­findet und als fruchtbare Rebe wächst. Nach der Lese wird er die Trauben mit nach Trittenhei­m nehmen und im Frühjahr oder Sommer mit gefüllten Flaschen wiederkomm­en – 1300 waren es im vergangene­n Jahrgang, um die 1000 Liter Wein; bei diesem hofft Steffen auf die 2000, ist es heute doch die erste „volle Ernte“, denn die Reben im vergangene­n Jahr waren noch nicht ganz ausgewachs­en. „Letztes Jahr war das eher kleinbeeri­g“, sagt der Winzer, „jetzt werden es vollkommen­e Trauben.“Verarbeite­t werden die dann bei ihm in Trittenhei­m in schonender Ganztraube­npressung.

Der Wein, „2A“benannt nach dem „zweiten Anlauf“des Anbaus hier, ist schon jetzt ein Erfolg. Zurzeit können die Brills keine Bestellung­en mehr annehmen, die Nachfrage der 0,75-Liter-Flaschen à 17,50 Euro ist zu hoch. Die Stadt Saarbrücke­n hat 150 Flaschen als „Rathauswei­n“zum Verschenke­n an besondere Gäste erworben, der Rest ist vorbestell­t oder verkauft – unter anderem ins ferne Australien an, man ahnt es fast, ExilSaarlä­nder.

Pausen müssen sein bei der Lese. Auf dem Tisch vor dem kleinen Haus auf dem Gelände, wo einst Pferde die Trauben zum Keltern nach Kleinblitt­ersdorf brachten, stehen Flaschen von „2A“. Da erzählen Winzer Ralf Steffen und sein Sohn Marco, der auch im Betrieb arbeitet, von den aktuellen Problemen des Geschäfts, den steigenden Kosten von ziemlich allem. „Da gibt es schon Nächte“, sagt Ralf Steffen, „in denen man nicht schläft.“Die Arbeit im Saarbrücke­r Weinberg hat ihn derweil auf eine Idee gebracht: Er wird nun Cabernet Blanc auch bei sich in Trittenhei­m anbauen, ein Novum in der Region. „Hier in Saarbrücke­n war das ein Versuch, der wunderbar gelungen ist. Wenn das hier funktionie­rt, funktionie­rt das auch dort.“

„Letztes Jahr war das eher kleinbeeri­g. Jetzt werden es vollkommen­e Trauben.“Winzer Ralf Steffen über das Lesegut aus dem Saarbrücke­r Weinberg

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FOTO: KESSLER Bei der Weinlese am Winterberg, von links: Jung-Winzer Marco Steffen, Winzer Ralf Steffen und die Besitzer des Weinbergs, Günter und Stefanie Brill.

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