Künstlerin macht ihre Gäste zu Göttinnen
Die Fischbacherin Ruth Maria Katharina Jung verwandelte am Tag der Bildenden Kunst ihren Vorgarten in einen farbenfrohen Tempel und lud ihre Besucherinnen ein, auf einem königlichen Sessel als Göttin Platz zu nehmen.
FISCHBACH „Das ist einfach wunderbar hier“, sagt Birgit begeistert. „Ich bin als Frau gekommen und gehe als Göttin.“Sie ist nur eine von vielen begeisterten Besucherinnen, die den Weg in die Fischbacher Mittelstraße gefunden haben. Dorthin hatte Ruth Maria Katharina Jung am Tag der Bildenden Kunst kürzlich zur Ausstellung „Kunst für Göttinnen“eingeladen.
„Ich möchte mit dieser Ausstellung dazu beitragen, der Welt ein weiblicheres Gesicht zu geben“, erklärt die gelernte Grafikdesignerin, die sowohl in der Werbebranche als auch freiberuflich tätig war. Dabei befasst sie sich seit über 30 Jahren mit Weiblichkeit, heidnischen Mythen, Märchen und der symbolischen Vielfalt hinter christlichen Darstellungen etwa bei Kirchenfenstern. „Besonders interessant ist immer wieder, was sich hinter christlichen Darstellungen verbirgt. Oft sind das ja heidnische Ursprünge, die das Christentum aufgenommen und für sich vereinnahmt hat. Gerade auch, was mit der Darstellung von Frauen einhergeht.“
Die Weiblichkeit, ihre Darstellungsmöglichkeiten sowie ihre Kraft und Stärke stehen im Vordergrund der Ausstellung und sollen den Besucherinnen Mut geben zur Selbstermächtigung. Der Weg zu
mehr selbstbewusster Weiblichkeit führt dabei in Jungs farben- und lebensfrohen Garten zwischen abstrakten Linolschnitten der Göttin Hel vorbei zu einer in Pink gehaltenen Marienstatue im Leopardenmantel über einen roten Teppich zum Herzstück der Ausstellung.
Dort, unter einem Holunderbaum können und sollen sich die Besucherinnen im königlichen Samtsessel selbst als Göttinnen spüren. So wie die große germanische Muttergöttin Holle, die als Frau Holle durch das Märchen der Gebrüder Grimm in Deutschland jedem Kind bekannt ist. Die Göttin Holle, „Die Strahlende“, sendet unter anderem folgende Botschaft aus: „Wenn Du einmal nicht weißt, wer Du bist, was Du tun kannst, wie Du dich entscheiden sollst, dann komm‘ zu mir. Du findest mich in einem Brunnen, an einer Quelle, im Holunderbusch…“.
Der Andrang auf der Wiese vor dem Haus ist ständig hoch. Die von weitem leuchtenden bunten
Gebetsfähnchen wirken anziehend. Gäste lassen sich intensiv auf das ein, was sie im Garten finden. Ob Drucke, Zeichnungen oder die Monotypien – Unikatdrucke, die direkt von der Glasplatte, also ohne
Druckstock abgenommen und nach Wunsch zusammengestellt werden dürfen.
„Hier ist so vieles zu sehen, was mich ganz persönlich betrifft“, meint Antje aus Fischbach. Unter anderem findet die Darstellung der „Spinning Women“, die auf die nordische Mythologie rund um die Nornen anspielen, große Beachtung. Schicksalsbestimmende Göttinnen, die, wie auf der Darstellung zu sehen, wortwörtlich „die Fäden spinnen und in ihren Händen halten“.
Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft und die Fragen an jede einzelne Besucherin, jeden Besucher, stellt sich; wo stehe ich gerade, wo möchte ich hin, woher komme ich? Ruth Maria Katharina Jung, die aus der Eifel stammt, hat diese mystische Grundstimmung noch selbst erlebt und glaubt, sie aus der Eifel mitgebracht zu haben. „Ich erinnere mich noch an die Spinnstuben damals in der Eifel. Die Spinnerinnen, die zusammensaßen und sich zuarbeiteten, eine kraftvolle, weibliche Einheit bildeten.“
Besucherin Anne kommt aus Bitburg. Sie freut sich besonders über die Menschen in Jungs Garten. „So viele liebe, liebe Leute. Das ist berührend. Hier werden so viele Gefühle transportiert. Alle sind begeistert.“So wie die Künstlerin selbst.
„Es berührt mich sehr, wie meine Kunst die Menschen zum Nachdenken anregt, wie sie etwas in Bewegung bringt“, so Jung. Viele Besucherinnen und Besucher an diesem Nachmittag wollen sich mit den Themen der Ausstellungen unbedingt intensiver befassen. „Ich bin voller Wissbegierde auf neue Themen aus deinem offenen Atelier zurückgekehrt“, äußert sich Eva aus Fischbach. Ein besseres Kompliment kann es nicht geben.
Ruth Maria Katharina Jung