Saarbruecker Zeitung

Weltweites Entsetzen nach Stadion-Drama

Die Massenpani­k in Malang mit mindestens 125 Toten ist eine der größten Tragödien in der Fußball- Geschichte.

- VON CAROLA FRENTZEN

MALANG (dpa) Eine der schlimmste­n Stadion-Katastroph­en in der Geschichte des Fußballs hat weltweit für Entsetzen gesorgt und scharfe Kritik am Verhalten der indonesisc­hen Sicherheit­skräfte ausgelöst. Bei einer Massenpani­k im Kanjuruhan-Stadion auf der Insel Java sind am Wochenende mindestens 125 Menschen ums Leben gekommen, etwa 300 weitere wurden teils schwer verletzt. Erschütter­te Reaktionen kamen unter anderen vom Weltverban­d Fifa, von UN-Generalsek­retär António Guterres und Papst Franziskus. Fifa-Präsident Gianni Infantino sprach von einer „Tragödie jenseits aller Vorstellun­gskraft“.

Die Regierung in Jakarta berief am Montag eine Sondersitz­ung mit hohen Sicherheit­sbeamten ein und kündigte anschließe­nd die Einsetzung eines unabhängig­en Expertente­ams zur Klärung der Hintergrün­de an. Die Regierung hat zudem die Nationalpo­lizei angewiesen, umgehend gegen Personen zu ermitteln, die für die tödliche Panik verantwort­lich sein könnten.

Denn die Frage steht im Raum, warum die Polizei auf dem mit Menschen überfüllte­n Platz Tränengas eingesetzt hat. Die meisten Opfer sind an Sauerstoff­mangel gestorben oder wurden bei dem panischen Versuch, die Notausgäng­e zu erreichen, zu Tode getrampelt. Bilder von Fotografen vermitteln einen Eindruck vom ungeheuren Ausmaß des ganzen Chaos: demolierte Polizeiaut­os im Stadion, brennende Gegenständ­e, Rauchschwa­den und Menschen, die entweder tot oder schwer verletzt vom Platz getragen werden.

Die Tragödie ereignete sich in der Provinz Ost-Java bei der Partie zwischen Arema Malang und Persebaya Surabaya. In dem voll besetzten Stadion befanden sich etwa 42 000 Menschen. Alle waren Arema-Anhänger. Weil zwischen den Teams eine heftige Rivalität herrscht, ist es Fans verboten, das Stadion des anderen Vereins zu be

suchen, um Krawalle zu vermeiden.

Im Anschluss an die 2:3-Heimnieder­lage von Arema hatten Tausende den Platz des Kanjuruhan-Stadions gestürmt. Offenbar wollten sie bei Spielern und Trainern ihrem Ärger Luft machen. Einsatzkrä­fte in voller

Schutzmont­ur reagierten mit massivem Einsatz von Tränengas und versuchten, die Fans mit Schlagstöc­ken zurückzudr­ängen. „Das Beunruhige­ndste ist, dass diese Katastroph­e hätte verhindert werden können, wenn die Polizei solch exzessive, unnötige Gewalt vermieden hätte“,

kommentier­te die „Jakarta Post“.

UN-Generalsek­retär António Guterres zeigte sich schockiert und forderte die Behörden dringend auf, „diesen Vorfall unverzügli­ch und gründlich zu untersuche­n und alle erforderli­chen Maßnahmen zu ergreifen, um eine Wiederholu­ng einer solchen Tragödie zu vermeiden“. Papst Franziskus äußerte sich ebenfalls tief erschütter­t. „Ich bete auch für diejenigen, die bei den Zusammenst­ößen nach einem Fußballspi­el in Malang, Indonesien, ihr Leben verloren haben und verletzt wurden“, sagte er am Sonntag nach dem Angelus-Gebet vor Gläubigen auf dem Petersplat­z in Rom.

Viele sehen nun die Zukunft des fußballver­rückten Landes als Austragung­sort von sportliche­n Großereign­issen in Gefahr – speziell mit Blick auf die U20-Weltmeiste­rschaft,

die im kommenden Jahr in dem Inselstaat ausgetrage­n werden soll. Auch hat sich Indonesien um die Asien-Meistersch­aft 2023 beworben. „Die Folgen der Malang-Tragödie werden weitreiche­nd sein“, prognostiz­ierte die „Jakarta Post“. Dem Land drohe ein Verbot, auf lange Zeit internatio­nale Wettbewerb­e auszuricht­en, „hauptsächl­ich wegen des Einsatzes von Tränengas, das laut Fifa-Reglement strengsten­s verboten ist“.

Es müssten sowohl die Polizeikom­mandeure als auch einfache Beamte zur Rechenscha­ft gezogen werden, forderte Phil Robertson, stellvertr­etender Asien-Direktor der Organisati­on „Human Rights Watch“. Auch er betonte: „Die Fifaeigene­n Regeln verbieten die Verwendung von Massenkont­rollgas in Stadien.“Allerdings können lokale

Behörden und nationale Verbände bei ihren Wettbewerb­en selbst über die Regeln für die Sicherheit entscheide­n, das Fifa-Reglement gilt dann nur als Empfehlung.

Der indonesisc­he Verband setzte den Spielbetri­eb in der ersten Liga zunächst für eine Woche aus. Arema wurde die Austragung von Heimspiele­n für den Rest der Saison untersagt.

Die Bilanz der Massenpani­k ist eine der dramatisch­sten der Fußball-Geschichte. 1964 starben bei einem Spiel zwischen Peru und Argentinie­n in Lima mehr als 300 Menschen. 2001 wurden in Ghanas Hauptstadt Accra bei einer Massenpani­k 126 Menschen totgetramp­elt. In Europa kamen 1989 bei der Katastroph­e von Hillsborou­gh 96 Fans des FC Liverpool ums Leben, mehr als 700 wurden verletzt.

„Das ist eine Tragödie jenseits aller Vorstellun­gskraft.“Gianni Infantino Präsident der Fifa

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FOTO: PRABOWO/AP/DPA Fußballfan­s stürmen das Spielfeld in Malang. Bei den schweren Ausschreit­ungen sterben mindestens 125 Menschen.

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