Saarbruecker Zeitung

Das Erbgut als Spur zu unseren Vorfahren

Er ist der Sohn eines Nobelpreis­trägers, bezeichnet aber seine Mutter als größten Einf luss: Der seit 1997 in Leipzig forschende Schwede Svante Pääbo hat den Medizin-Nobelpreis zugesproch­en bekommen.

- VON GISELA GROSS

LEIPZIG (dpa) Mumien, Skelette von Neandertal­ern oder auch versteiner­ter Kot eines ausgestorb­enen Faultiers: Spuren aus der weit zurücklieg­enden Vergangenh­eit, insbesonde­re von ausgestorb­enen Menschenfo­rmen, stehen im Zentrum der Arbeit des Genetikers Svante Pääbo. Entspreche­nd sieht man ihn auf Fotos zu seiner Forschung häufig mit alten Schädeln posieren. Künftig dürfte Pääbo auf Porträts wohl ab und an auch mit einem anderen wichtigen Gegenstand zu sehen sein: der Nobelpreis-Medaille. Denn der Schwede hat am Montag diese Auszeichnu­ng für Medizin zugesproch­en bekommen– 40 Jahre nach seinem Vater, dem Biochemike­r Sune Bergström.

Svante Pääbo ist seit Jahrzehnte­n in Deutschlan­d tätig und spricht fließend Deutsch: Von 1990 hatte er an der Universitä­t München geforscht, seit 1997 arbeitet er am neu gegründete­n Max-Planck-Institut für evolutionä­re Anthropolo­gie in Leipzig. Die frohe Botschaft aus Schweden erreichte den zweifachen Vater am Tag der Deutschen Einheit zu Hause, kurz bevor er seine Tochter bei der Nanny abholen wollte. Der 67-Jährige und seine Frau waren am Vormittag im Garten und haben auf die Auszeichnu­ng angestoßen, wie eine Nachbarin berichtete.

Die Faszinatio­n für vergangene Zeiten begann bei dem 1955 geborenen Forscher bereits in der Jugend: Damals habe ihn seine Mutter – die er am Montag als seinen größten Einfluss bezeichnet­e – auf eine Ägyptenrei­se mitgenomme­n, erzählte er vor Jahren in einem Interview.

Folgericht­ig begann er 1975 an der Universitä­t Uppsala in Schweden zunächst unter anderem ein Ägyptologi­e-Studium, realisiert­e dann aber, dass seine Vorstellun­g davon „viel zu romantisch“gewesen sei: „Es war viel, viel langweilig­er, als ich dachte.“Um Ausgrabung­en etwa sei es gar nicht gegangen. Pääbo wechselte zum Fach Medizin. Erkenntnis­se aus dem Feld der Genetik verband

Pääbo gilt als Begründer der Disziplin Paläogenet­ik und hat in seiner Karriere zahlreiche Preise gewonnen.

er mit seinem Wissen um Bestände in ägyptologi­schen Museen.

Neben seiner eigentlich­en Forschungs­arbeit habe er in seiner Zeit als Doktorand nachts oder am Wochenende Versuche zu den Fragen gemacht, die ihn umtrieben – heimlich, aus Angst vor dem Doktorvate­r, wie er einst berichtete. Noch als Doktorand wies er nach, dass das Erbmolekül DNA in altägyptis­chen Mumien überdauern kann. Die Herausford­erung in dem Feld: Es handelt sich um geringste DNA-Mengen, die nach all der Zeit nur noch bruchstück­haft vorliegen.

Auch Verunreini­gungen von Proben waren ein großes Problem.

Es gebe in einem Forscherle­ben viel mehr Momente, in denen man Frust miteinande­r teile, sagte Pääbo einmal im Deutschlan­dfunk. Anders 1996: Damals seien bei den ersten Neandertal­er-Sequenzen die größten Emotionen gekommen:

„Und da haben wir sofort erkannt: Das waren menschenäh­nliche, aber nicht identisch mit den jetzt lebenden Menschen. Das war schon ein

großes Gefühl.“Auch für Dienstag hat Pääbo Feierlichk­eiten am Institut angekündig­t.

Pääbo gilt als Begründer der Disziplin Paläogenet­ik und hat in seiner Karriere zahlreiche Preise gewonnen, etwa den Breakthrou­gh Prize in Life Science, den Körber-Preis für die Europäisch­e Wissenscha­ft und den Japan-Preis. Forscherko­llegen bezeichnen ihn als sehr offen und nahbar sowie beständig in seiner Arbeit. Am Institut in Leipzig seien die Hierarchie­n flach. Der Schwede möge Japan, erklärte der Anthropolo­ge Jean-Jacques Hublin auf dpaAnfrage. Dort verbringe Pääbo, wann immer es möglich sei, Zeit beim Meditieren in einem kleinen Tempel.

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FOTO: SCHMIDT/DPA Der schwedisch­e Evolutions­forscher Svante Pääbo hat für seine Forschung zur Evolution des Menschen und zu dessen ausgestorb­enen Verwandten den Nobelpreis für Medizin erhalten.

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