Saarbruecker Zeitung

Bemerkensw­erte römische Signale

Italiens neue Regierungs­chefin Giorgia Meloni, die sich stets europakrit­isch geäußert hat, besuchte auf ihrer ersten Auslandsre­ise die EU-Institutio­nen in Brüssel.

- VON GREGOR MAYNTZ Produktion dieser Seite: Martin Wittenmeie­r, Laura Weidig

BRÜSSEL Mit dieser Priorisier­ung hat sie zumindest schon mal den Propheten schlimmste­r Befürchtun­gen den Wind aus den Segeln genommen. Nicht etwa die Europa-Gegner in Ungarn, Polen oder Schweden nahm sich die neue Regierungs­chefin der Rechts-Koalition in Italien, Georgia Meloni, an diesem Donnerstag zum Ziel ihrer ersten Auslandsre­ise im Amt. Es war die EU selbst. Mit dem vollen Programm durch die Institutio­nen. EU-Parlaments­präsidenti­n Roberta Metsola, EU-Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen und EU-Ratspräsid­ent Charles Michel suchten sie am Nachmittag und Abend in Brüssel auf. Den Auftakt machte eine Unterredun­g mit ihrem Landsmann, dem EU-Wirtschaft­skommissar Paolo Gentiloni.

„Benvenuta Presidente Giorgia Meloni“, twitterte die Parlaments­präsidenti­n kurz nach einem herzlichen Händeschüt­teln der beiden Politikeri­nnen im Europa-Parlament. Verziert mit einer Italien- und einer EU-Flagge unterstric­h Metsola, dass Italien „schon immer eine zentrale Rolle in der EU gespielt“habe. Angesichts der russischen Invasion in der Ukraine, explodiere­nder Energiepre­ise und steigender Inflation gelte: „Mehr denn je müssen wir zusammenha­lten.“

Die Positionie­rung in Sachen Ukraine und Russland hatte zuletzt auch in Italien für Schlagzeil­en gesorgt. Die Chefs ihrer Koalitions­partner, Silvio Berlusconi und Matteo Salvini, machten lange keinen Hehl aus ihrer Sympathie zu Russlands Präsident Wladimir Putin. Berlusconi rühmte sich sogar, die Beziehunge­n zu Putin intensivie­rt zu haben und dafür vom Kremlherrs­cher mit 20 Flaschen Wodka als Geschenk zum

Geburtstag Ende September belohnt worden zu sein. Ein Vorgang, der nun als mutmaßlich­er Verstoß gegen EUSanktion­en geprüft wird. Berlusconi stellte sich sogar gegen die Ukraine. Nicht so seine neue Regierungs­chefin. Meloni machte gleich nach Amtsantrit­t klar, dass sie die italienisc­hen Waffenlief­erungen in Form von Raketenwer­fern, Panzerhaub­itzen und weiterer Artillerie „umfassend“weiterführ­en werde. Damit wolle sie die „Internatio­nale Glaubwürdi­gkeit Italiens“aufrechter­halten.

Hatte sie im Wahlkampf noch in Richtung Brüssel gedroht, wenn sie die Regierung übernehme, werde für die EU „das schöne Leben vorbei“sein, so markierte Meloni in ihrer ersten Grundsatzr­ede ihr Land als „voll und ganz Teil des Westens, seines Bündnissys­tems, Gründungss­taat der Europäisch­en Union, der Eurozone und der Atlantisch­en Allianz“.

Das bedeutet jedoch noch nicht, dass die EU der neuen Regierungs­chefin den roten Teppich ausrollte. Schon im italienisc­hen Wahlkampf hatte von der Leyen, bei einer USReise von jungen Leuten darauf angesproch­en, von „Werkzeugen“gesprochen, die die EU gegen europafein­dliches Verhalten von Mitgliedss­taaten zur Verfügung habe.

Auch ihr Glückwunsc­h zur Wahl war eher abwartend formuliert, als sie Meloni schrieb, sie „zähle auf eine konstrukti­ve Zusammenar­beit mit der neuen Regierung bei den Herausford­erungen, denen wir uns gemeinsam stellen müssen“. Nach ihrem Gespräch mit Meloni meinte Metsola am Abend in diesem Sinne: „Siamo piu forti se stiamo insieme ( Wir sind stärker, wenn wir zusammen sind).“

Vor allem über die Energiekos­ten wollte Meloni in Brüssel reden. Und das bedeutete übersetzt: über Geld. Viel Geld. Denn Meloni hat mit dem Verspreche­n von Steuerentl­astungen und staatliche­r Unterstütz­ung die Wahlen gewonnen. Um das zu erfüllen und ihre Wählerschi­chten gut durch den Winter zu bringen, braucht sie Milliarden aus Brüssel. Dort wird die Stabilität angesichts der geplanten Neuverschu­ldung kritisch gesehen. Tatsächlic­h steht Italien das größte Stück vom Kuchen des Corona-Wiederaufb­aufonds zu – gut 190 Milliarden Euro. Aber Meloni hat auch gesehen, wie Verstöße gegen EU-Recht im Falle Polens und Ungarns dazu geführt haben, dass Brüssel den Geldhahn zudreht. Gerade angesichts der nun in Rom fälligen Aufstellun­g des ersten Haushaltes der neuen Regierung braucht Meloni daher Klarheit, unter welchen Bedingunge­n sie mit wie viel EU-Geld rechnen kann.

Eine Italien-Kennerin wie die Grünen-Europa-Abgeordnet­e Alexandra Geese geht deshalb davon aus, dass sich Meloni in „Europa gemäßigt konservati­v geben“werde. Das historisch hoch verschulde­te Land brauche eine sinnvolle Lockerung des Wachstums- und Stabilität­spaktes. Gleichzeit­ig warnte Geese davor, sich vor diesem Hintergrun­d vom moderaten Auftreten der neuen Regierungs­chefin täuschen zu lassen. Nach innen sei es Meloni nämlich nicht.

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FOTO: MONALDO/DPA Ihre erste Auslandsre­ise führte Giorgia Meloni, Ministerpr­äsidentin von Italien, nach Brüssel.

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