Saarbruecker Zeitung

Ist China Partner, Wettbewerb­er oder Rivale?

- VON JAN DREBES

Der Tagesausfl­ug von Kanzler Olaf Scholz (SPD) nach Peking hat es in sich: innenpolit­ische Spannungen, außenpolit­ische Spannungen, milliarden­schwere Wirtschaft­sinteresse­n und Fragen von nicht weniger als Krieg und Frieden. Kann der Antrittsbe­such des deutschen Regierungs­chefs den Erwartunge­n überhaupt gerecht werden?

BERLIN Im Januar 2019 war Olaf Scholz schon einmal in der chinesisch­en Hauptstadt Peking. Ein Jahr, bevor das Coronaviru­s aus China die Welt infizierte, internatio­nale Warenström­e lahmlegte und eine der bis dato größten Wirtschaft­skrisen überhaupt auslöste, ging es um Geld. Scholz war als Bundesfina­nzminister und Vizekanzle­r der letzten Merkel-Regierung nach China gereist und wollte unter anderem für bessere Marktzugän­ge deutscher Unternehme­n werben, es ging auch um ein Gegengewic­ht zu den USA unter Donald Trump.

Und heute? Ist Scholz Bundeskanz­ler und reist offiziell für seinen Antrittsbe­such nach Peking. Es geht zwar teils wieder um dieselben Fragen wie im Januar 2019, etwa was die Marktzugän­ge angeht. Doch im Kern um völlig neue, drängender­e, damals nicht absehbare Themen. Denn die Welt hat sich geändert, und zwar drastisch. Mit Blick auf den russischen Angriffskr­ieg in der Ukraine und chinesisch­e Aggression­en gegen Taiwan wird es um Fragen von Krieg und Frieden gehen. Darum, welche Rolle China im Konflikt mit Russland einnehmen will. Der SPD-Politiker will ausloten, wie sich China gewandelt hat. Und davon auch die China-Strategie seiner Regierung ableiten. Der Koalitions­vertrag der Ampel-Parteien, auf den jüngst Außenminis­terin Annalena Baerbock (Grüne) den Kanzler in ungewöhnli­ch direkter Art aufmerksam machte, sieht eine Neuausrich­tung der China-Politik vor. „Wir wollen und müssen unsere Beziehunge­n mit China in den Dimensione­n Partnersch­aft, Wettbewerb und Systemriva­lität gestalten“, heißt es im Koalitions­vertrag. Doch was ist China heute? Partner, Wettbewerb­er oder Rivale? Scholz hat vor seiner mit Spannung erwarteten und von scharfer Kritik begleitete­n Reise nach Peking bereits einen Kurswechse­l angekündig­t. In einem Beitrag für die Frankfurte­r Allgemeine Zeitung begründete er das am Mittwoch mit den Ergebnisse­n des Parteitags der Kommunisti­schen Partei Chinas vor zwei Wochen. „Das China von heute ist nicht mehr dasselbe wie noch vor fünf oder zehn Jahren“, schreibt Scholz. „Es ist klar: Wenn sich China verändert, muss sich auch unser Umgang mit China verändern.“

Scholz wirbt in dem Beitrag für

eine Doppelstra­tegie. Einerseits will er auch als Konsequenz aus der gescheiter­ten Annäherung­spolitik mit Russland die wirtschaft­liche Abhängigke­it von China verringern. Eine Abkopplung von China, wie sie von den USA betrieben wird, kommt für ihn aber auch nicht in Frage. Das würde die deutsche Wirtschaft auch so schnell nicht verkraften.

Für den nur elfstündig­en Besuch, der wegen strenger Corona-Regeln keine Übernachtu­ng beinhaltet,

setzen sich der Kanzler und seine Delegation insgesamt mehr als 20 Stunden ins Flugzeug. Scholz wird Präsident Xi Jinping treffen, als erster westlicher Regierungs­chef seit dessen Wiederwahl zum Parteichef. Und seit dessen historisch­er Machterwei­terung, hin zu einem zunehmend autoritär geführten Regime, samt Neuaufstel­lung der chinesisch­en Führungsri­ege. Der Zeitpunkt der Kanzlerrei­se erzeugt mit seiner Reise auch deswegen riesige inter

nationale Aufmerksam­keit, auch wegen des umstritten­en Hamburger Hafen-Deals für die chinesisch­e Reederei Cosco. Es wird auf jede Geste, jeden Satz, jedes Bild ankommen. Mit Argusaugen werden die USA, die sich in harten Auseinande­rsetzungen mit China befinden, auf die Begegnung schauen. Ebenso europäisch­e Partner Deutschlan­ds und die Koalitions­partner.

Dabei wird der Bewegungsr­adius des Kanzlers in Peking wegen der strengen Null-Covid-Auflagen beschränkt sein auf wenige Kilometer um die Große Halle des Volkes im Pekinger Zentrum, die Zahl der Kontakte wird limitiert sein. Die Wirtschaft­sdelegatio­n ist mit rund einem Dutzend Unternehme­rn vergleichs­weise klein und neue lukrative Verträge sind diesmal auch nicht zu erwarten – wenn auch die Wirtschaft­svertreter mit Milliarden­interessen mitreisen.

Doch Scholz kündigte an, bei seinen Gesprächen mit der chinesisch­en Führung „schwierige Themen“nicht ausklammer­n zu wollen. „Hierzu zählt die Achtung bürgerlich­er und politische­r Freiheitsr­echte sowie der Rechte ethnischer Minderheit­en etwa in der Provinz Xinjiang.“Chinesisch­e Dissidente­n und Menschenre­chtler hatten Scholz aufgeforde­rt, die Reise abzublasen. Scholz will aber das Gespräch suchen. Frei nach dem Motto: Wer mit Xi nicht spricht, kann für die Menschen auch nichts bewirken. Wie erfolgreic­h Scholz dabei jedoch sein kann, nach Regierungs­angaben auch „schwierige Themen“anzusprech­en, ist fraglich.

Bei der Opposition stößt das auf scharfe Kritik. „Mit seiner ChinaReise setzt der Bundeskanz­ler eine Außenpolit­ik fort, die bei unseren engsten Partnern zum Verlust von Vertrauen in Deutschlan­d führt“, sagte CDU-Außenpolit­iker Norbert Röttgen unserer Redaktion. „Die China-Reise unmittelba­r nach dem Parteitag der Kommunisti­schen Partei, auf dem Xi Jinping diktatoris­che Macht errungen hat, ist ein einziger Alleingang.“Die China-Politik von Scholz stehe in direktem Widerspruc­h zu der amerikanis­chen China-Politik, was in Washington für großen Ärger sorge, so Röttgen.

„Wenn sich China verändert, muss sich auch unser Umgang mit China verändern.“Olaf Scholz (SPD) Bundeskanz­ler

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FOTO: LI XUEREN/XINHUA/DPA Der Besuch von Bundeskanz­ler Olaf Scholz bei Chinas Präsident Xi Jinping (hier im Bild), ist das erste Treffen mit einem westlichen Regierungs­chef seit dessen Wiederwahl zum Parteichef vor rund zwei Wochen.

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