Saarbruecker Zeitung

Marine Le Pen bringt ihre „Soldaten“in Stellung

Rassemblem­ent National in Frankreich wählt einen neuen Vorsitzend­en. Erstmals tritt bei dieser Abstimmung kein Mitglied der Familie Le Pen an.

- VON CHRISTINE LONGIN Produktion dieser Seite: Martin Wittenmeie­r Laura Weidig

PARIS Der Sitz des Rassemblem­ent National ist in einem Neubau im schicken 16. Arrondisse­ment von Paris untergebra­cht. Marine Le Pen ließ ihre Partei im vergangene­n Jahr aus der Vorstadt Nanterre in die Hauptstadt ziehen, um zu zeigen, dass ihre Rechtspopu­listen keine Randpartei mehr sind. Wer künftig in der Parteizent­rale bestimmt, entscheide­n rund 40 000 Mitglieder diese Woche in einer Online-Abstimmung. Le Pen, die den Vorsitz 2011 von ihrem Vater JeanMarie übernommen hatte, will sich lieber ihrer Aufgabe als Chefin der größten Opposition­sfraktion widmen. Die Nationalve­rsammlung ist für sie eine Bühne, auf der sie ihre nächste Präsidents­chaftskand­idatur vorbereite­t. Die Partei überlässt sie voraussich­tlich Interimsch­ef Jordan Bardella, dem gegen den bisherigen Vize Louis Aliot die größeren Chancen vorhergesa­gt werden.

Dass zwei Kandidaten zur Abstimmung stehen, suggeriert eine demokratis­che Alternativ­e. Aber sowohl Le Pens Schützling, der erst 27 Jahre alte Bardella, als auch ihr früherer Lebensgefä­hrte Aliot stehen der einstigen Parteichef­in nahe. Auch wenn die Anwältin keine Präferenz erkennen lässt, ist doch bekannt, dass sie Jordan Bardella als neuen Parteichef bevorzugt. Sie selbst entdeckte den hochgewach­senen jungen Mann, der aus der Pariser Problemvor­stadt Drancy kommt und machte ihn 2019 zum Spitzenkan­didaten bei der Europawahl.

Die Zeitung Le Monde nennt den stets perfekt gestylten Nachwuchsp­olitiker „den besten Soldaten“Le Pens. Offiziell will Bardella den Kurs der „Normalisie­rung“fortsetzen, den seine Förderin 2011 einleitete, als sie den Parteivors­itz von ihrem Vater übernahm. Gleichzeit­ig zeigt sich Bardella, der mit einer Nichte Le Pens liiert ist, allerdings mit deutlich extremeren Positionen. So flirtet er offen mit dem rechtsextr­emen Politiker Éric Zemmour, dessen Wähler er als „aufrichtig­e Patrioten“bezeichnet. Die Verschwöru­ngstheorie vom „großen Bevölkerun­gsaustausc­h“, der zufolge eine weiße, christlich­e Bevölkerun­g durch eine muslimisch­e ersetzt wird, passt durchaus in seine Rhetorik. „Ich nutze nicht den Ausdruck vom großen Bevölkerun­gsaustausc­h, aber ich erkenne die zutreffend­e Realität, die er beschreibt“, sagt er dem rechtsnati­onalen Magazin Valeurs actuelles.

Sein Rivale Louis Aliot warnt dagegen vor dieser Theorie, die Zemmour offen vertritt. Nach außen hin verkörpert der hemdsärmel­ige Bürgermeis­ter der Stadt Perpignan den gemäßigten Flügel des RN. Er fordert seine Partei sogar auf, ein „Bad Godesberg“einzuleite­n, also eine ideologisc­he Wende hin zur Mitte, wie sie die SPD 1959 auf ihrem Parteitag in Bad Godesberg vollzog.

Die „nationale Priorität“, wie sie Marine Le Pen in ihrem Programm fordert, wird allerdings auch von Aliot vertreten. Sie sieht vor, Französinn­en und Franzosen beispielsw­eise bei der Arbeitspla­tzvergabe zu bevorzugen. Gleichzeit­ig distanzier­te sich der 53-Jährige, der Bürochef von Le Pens Vater Jean-Marie war, nie von dessen rassistisc­hen und antisemiti­schen Ausfällen.

Dennoch nahmen die Nazi-Jäger Serge und Beate Klarsfeld Mitte Oktober die Ehrenmedai­lle der Stadt Perpignan von Aliot entgegen. „Wenn ich in der extremen Rechten eine Entwicklun­g sehe, wenn ich Leute sehe, die sich unseren

Werten anschließe­n wie Louis Aliot, die das Gedenken an die Shoah respektier­en, dann kann ich das nur konstatier­en“, kommentier­te Serge Klarsfeld in einem Radiointer­view die hochumstri­ttene Entscheidu­ng. Der Vorsitzend­e der Organisati­on SOS Racisme, Dominique Sopo, warf Klarsfeld vor, mit seiner Geste zur Banalisier­ung der extremen Rechten beizutrage­n.

Marine Le Pen gehört inzwischen zu den beliebtest­en Politikern Frankreich­s. Nachdem sie bei den Präsidents­chaftswahl­en im Frühjahr mit knapp 42 Prozent ein Rekorderge­bnis geschafft hatte, ist eine weitere Kandidatur 2027 ein offenes Geheimnis. Bis dahin will sie auf alle Fälle eine Spaltung ihrer Partei in einen radikalen Flügel um Bardella und einen moderaten Flügel um Aliot verhindern. Die Einheit sei die Grundlage für einen künftigen Wahlsieg, mahnte sie in einem Zeitungsin­terview.

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FOTO: JOCARD/AFP Beim Parteitag des Rassemblem­ent National wird am Samstag der Nachfolger von Marine Le Pen bekannt gegeben. Klarer Favorit ist der 27-jährige Jordan Bardella (links).

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