Für deutsche Soldaten wird es in Mali einsam
In Westafrika sind Islamisten und Putschisten auf dem Vormarsch. Frankreich sortiert sich militärisch neu. Doch Deutschland zögert bislang mit einer Kurskorrektur.
TILLIA/DAKAR (dpa) Die im Jahr 2018 begonnene Ausbildungsmission „Gazelle“gilt mit ihrer SpezialkräfteSchule in Tillia als Vorzeigeprojekt. Etwa 900 Nigrer haben die Lehrgänge durchlaufen. Für die Kaserne in der Wüste und die Ausbildungsstätte hat Deutschland seit 2018 etwa acht Millionen Euro bereitgestellt, weitere rund 43 Millionen Euro für Schutzausrüstungen, Fahrzeuge, Funkgeräte, Nachtsichtgeräte und Waffen. Das 41. SpezialkräfteBataillon der Nigrer gehört zu den bestausgerüsteten Verbänden des Landes. Die Absolventen der Trainings sind längst schon gegen Islamisten und bewaffnete Banden im Einsatz, während sich die Republik Niger als Partner erwiesen hat. Nur etwa 200 deutsche Soldaten sind in Tillia im Einsatz. Für das kommende Jahr gibt es ein festes Ende dieser Mission.
Ganz anders im Nachbarland Mali, wo Putschisten seit 2021 eine Übergangsregierung bilden. Die Grenze – sie ist von Tillia rund 100 Kilometer entfernt – ist bei dieser Reise für den deutschen Generalinspekteur Eberhard Zorn bürokratisch unüberwindbar, weil kurzfristig die Visabestimmungen geändert wurden und plötzlich ein persönliches Vorsprechen verpflichtend gemacht wurde. So kann Deutschlands oberster Soldat die 1100 deutschen Blauhelme der UN-Mission Minusma im Camp Castor in der malischen Stadt Gao nicht besuchen.
Der Affront wäre nicht so groß, wenn nicht eine Konfrontation auf die nächste gefolgt wäre. So haben die malischen Militärmachthaber die Zusammenarbeit mit russischen Söldnern gesucht und inzwischen schätzungsweise 1200 bis 1500 bewaffnete Russen ins Land gelassen.
Die UN-Blauhelme werden dagegen an der kurzen Leine gehalten. Oder konkret: Die Bundeswehr kann zwar noch ihre „Rettungskette“für die Versorgung Schwerverletzter aus Mali sicherstellen, hat aber keine Genehmigungen, die einen regulären militärischen Betrieb ihrer Transportflieger vom Typ A400M für Personal und Material ermöglichen. Auch der Flug der Heron-Drohne – neben deutschen Patrouillen das zentrale Instrument des Aufklärungsauftrages – ist seit drei Wochen untersagt. Wie lange will ein Geberland dies akzeptieren, den eigenen Soldaten zumuten und der Öffentlichkeit erklären. Von Schikane hatte schon die Wehrbeauftragte des Bundestages, Eva Högl, gesprochen und gemahnt, Mali dürfe nun keine unendliche Geschichte werden.
Doch es wird einsamer um Deutschlands Soldaten in dem Land. Frankreich ist im Streit mit der malischen Regierung abgezogen. Die Schweden sind weg, die Niederländer wollen weg. Unklar ist, wie es mit den Briten weitergeht – auch angesichts der politischen Turbulenzen in London. Gut möglich, dass Deutschland letztlich als Führungsnation ohne erkennbare, eigene Strategie und ohne belastbare Partner dastehen könnte – mit einem großen moralischen Kompass in der Hand, aber gewissermaßen ohne Landkarte.
Um die terroristischen Kräfte zurückzudrängen hatte die gewaltsam abgelöste Regierung in Mali lange auf militärische Unterstützung durch Frankreich gesetzt. Doch spätestens seit dem Machtantritt von Assimi Goita, der seit im Mai 2021 und dem erneuten Militärputsch Chef der Übergangsregierung ist, wurde die Beziehung zu Frankreich immer schlechter. Schließlich folgte das Zerwürfnis. Mitte August verließen die letzten französischen Soldaten Mali. Goita rückt seitdem die Zusammenarbeit mit Russland demonstrativ in den Vordergrund. Zuletzt telefonierte er Anfang Oktober mit Präsident Wladimir Putin und lobte auf Twitter die „Win-WinPartnerschaft, die auf gegenseitigem Respekt“beruhe.