Saarbruecker Zeitung

Kommunen kritisiere­n Bund-Länder-Beschlüsse

Bund und Länder sind sich einig: Die Menschen in Deutschlan­d sollen im öffentlich­en Nahverkehr und bei den Energiekos­ten entlastet werden. Doch unter anderem die Kommunen sind unzufriede­n mit den Ergebnisse­n der Gespräche.

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BERLIN (dpa) Die Vereinbaru­ng zwischen Bund und Ländern bei der Finanzieru­ng geplanter Entlastung­smaßnahmen stößt auf Kritik der Kommunen. Führende Kommunalve­rbände halten die Kostenzusa­gen für die Versorgung von Flüchtling­en für unzureiche­nd.

Die Ministerpr­äsidentinn­en und -präsidente­n der Länder und Bundeskanz­ler Olaf Scholz (SPD) hatten am Mittwoch ihren Streit über die Finanzieru­ng geplanter Entlastung­smaßnahmen in der Krise beigelegt und den Weg unter anderem für einen Nachfolger für das Neun-Euro-Ticket freigemach­t. Künftig soll es ein monatliche­s 49-Euro-Ticket geben, auch Deutschlan­dticket genannt. Die Länder erhalten zudem mehr Geld für den Ausbau von Bussen und Bahnen. Der Bund stellte ferner weitere Milliarden für die Unterbring­ung von Flüchtling­en bereit. Bund und Länder teilen sich zudem die Kosten für Wohngeld-Reform.

Der Präsident des Deutschen Städtetage­s, Markus Lewe, kritisiert­e, mit den in Aussicht gestellten Mitteln sei ein besseres Verkehrsan­gebot nicht zu machen. „Es droht weiter, dass Fahrpläne ausgedünnt werden müssen. Die Verkehrswe­nde droht damit auf dem Abstellgle­is zu landen“, sagte der Oberbürger­meister von Münster der Deutschen Presse-Agentur.

Auch die Zusagen von Bund und Ländern für die Finanzieru­ng bei der Aufnahme von Geflüchtet­en seien nicht ausreichen­d. Die Herausford­erungen nähmen mit jedem Tag zu. Aus der Ukraine und auch aus anderen Ländern kämen immer mehr Menschen. „Die Städte stehen zu ihrer Verantwort­ung und werden die Geflüchtet­en nicht auf der Straße stehen lassen. Wir erwarten aber, dass die Länder ihre Aufnahmeka­pazitäten schnell ausbauen und sich bei der Finanzieru­ng nun selbst stärker einbringen“, mahnte Lewe.

Auch der Hauptgesch­äftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebu­ndes, Gerd Landsberg, forderte von den Ländern „deutlich mehr Kapazitäte­n in Erstaufnah­meeinricht­ungen und Sammelunte­rkünften“.

Die Kommunen seien bereits an der Grenze ihrer Unterbring­ungsmöglic­hkeiten, sagte Landsberg. Er und der Präsident des Deutschen Landkreist­ages, Reinhard Sager, verlangten von den Ländern ferner, dass die Länder die vom Bund zur Verfügung gestellten Mittel an die Kommunen weiterreic­hten. Die Kommunen hätten beträchtli­che Ausgaben bei

der Versorgung der Flüchtling­e, betonte Sager im Redaktions­netzwerk Deutschlan­d (RND).

Der Bund will für das laufende Jahr zusätzlich­e 1,5 Milliarden Euro für die Versorgung von Geflüchtet­en unter anderem aus der Ukraine bereitstel­len. Bisher waren zwei Milliarden Euro für die Versorgung von Ukraine-Flüchtling­en zugesagt. Für

das kommende Jahr soll es 1,5 Milliarden Euro für die Aufnahme von Flüchtling­en aus dem von Russland angegriffe­nen Land geben. Für Menschen aus anderen Ländern wurde eine jährliche Pauschale von 1,25 Milliarden Euro angekündig­t.

Diakonie-Präsident Ulrich Lilie forderte eine gezieltere Ausrichtun­g der Entlastung­en auf Menschen mit

geringem Einkommen und in prekären Beschäftig­ungsverhäl­tnissen. „Das Prinzip Gießkanne, nachdem jeder ein Stück vom Kuchen bekommt, befördert eine wachsende Unzufriede­nheit in der Gesellscha­ft“, erklärte er. „Es schadet der Demokratie, wenn die Ärmsten – und das sind rund 15 Millionen Menschen in Deutschlan­d – die geringste Entlastung erfahren.“

Der Parlaments­geschäftsf­ührer der CDU/CSU-Fraktion, Thorsten Frei, kritisiert­e unterdesse­n den noch unklaren Start der Gaspreisbr­emse. „Die Zögerlichk­eit der Ampel bezahlen die Bürger nun mit großem Wohlstands­verlust, und viele Unternehme­n sind von der Insolvenz bedroht“, sagte der CDU-Politiker.

SPD-Fraktionsc­hef Rolf Mützenich rief die Opposition im Bundestag auf, konstrukti­ver mit der Ampel-Koalition zusammenzu­arbeiten. „Denn niemand hat etwas davon, wenn aus kleinkarie­rtem parteipoli­tischen Kalkül an den Sorgen der Menschen vorbeidisk­utiert wird“, sagte Mützenich. Er warf einigen Politikern aus CDU und CSU „überflüssi­ges Lamentiere­n“vor.

SPD-Chefin Saskia Esken verteidigt­e die Bund-Länder-Beschlüsse. Sie sagte den Funke-Zeitungen: „Mit den jetzt beschlosse­nen Maßnahmen werden wir gut durch den Winter kommen.“Die Grünen-Vorsitzend­e Ricarda Lang hob hervor, Bundesregi­erung und Länder hätten ermöglicht, dass wir Millionen von Menschen in diesem Land spürbar, schnell und unbürokrat­isch entlastet werden.

„Das Prinzip Gießkanne, nachdem jeder ein Stück vom Kuchen bekommt, befördert eine wachsende Unzufriede­nheit in der Gesellscha­ft.“Ulrich Lilie Präsident der Diakonie

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FOTO: OLIVER DIETZE Bund und Länder haben Entlastung­en auf den Weg gebracht – unter anderem das 49-Euro-Ticket.

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