Sparkassen-Kunden können auf Zinsnachzahlung hoffen
Bürger, deren Prämiensparverträge 2019 gekündigt wurden, sollten jetzt aktiv werden, um die Verjährung von Ansprüchen zu verhindern, rät ein Experte.
SAARBRÜCKEN/LEIPZIG Die Kündigung langlaufender Prämiensparverträge der Sparkassen beschäftigt viele Kunden bereits seit 2019, sagt Konrad Diwo von der Verbraucherzentrale Saarland. Die genaue Zahl ist dem Finanzexperten zwar nicht bekannt, doch er schätzt sie auf 15 000 bis 20 000 Verträge im Saarland.
Im Streit um zu wenig gezahlte Zinsen bei langfristigen Sparverträgen namens „Prämiensparen flexibel“erging bereits am 6. Oktober 2021 ein Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs. Die Verbraucherzentrale Sachsen hatte gegen die Sparkasse Leipzig geklagt. Das Gericht stellte klar, dass in dem verhandelten Fall die Zinsanpassungsklausel der Bank unwirksam war und hat sich auf die Seite der Verbraucherinnen und Verbraucher gestellt.
Diese Zinsanpassungsklausel müsse in den Verträgen so eindeutig formuliert werden, dass die Sparer die Zinssätze selbst nachvollziehen können. Dies sei aber in vielen Fällen nicht der Fall, sagte das Gericht. Darüber hinaus bestätigte das Gericht weitestgehend die Auffassung der Verbraucherzentrale, dass die Verjährungsfrist erst mit Beendigung des Sparvertrages beginnt. „Dieses Urteil hat eine große Bedeutung für alle Inhaber dieser langfristigen Prämiensparverträge, vor allem für Kunden der Sparkassen, aber auch bei anderen Kreditinstituten“, betont Konrad Diwo.
2019 hätten zwei der sechs saarländischen Sparkassen damit begonnen, langlaufende Prämiensparverträge zu kündigen. Die meisten von ihnen enthielten Klauseln zur Zinsanpassung, die nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs rechtswidrig sind. Es sei wichtig zu wissen, „dass Ansprüche auf Zinsnachzahlungen der Verjährung unterliegen“, erklärt der Finanzexperte.
Diese trete drei Jahre nach Ende des Jahres in Kraft, in dem die Sparkasse den Vertrag gekündigt hat.
Verbraucher, deren Verträge im Jahr 2020 oder später gekündigt wurden oder noch laufen, müssen also nichts befürchten. Für Sparer, deren Verträge bereits 2019 gekündigt wurden, ist dagegen Eile geboten. Um die Verjährung aufzuhalten, sollten unterschiedliche Möglichkeiten in Erwägung gezogen werden, rät die Verbraucherzentrale Saarland. So könne man beispielsweise die Sparkasse kontaktieren – mit dem Ziel, dass diese schriftlich erkläre, auf die Verjährung zu verzichten.
Zudem haben Verbraucher die Möglichkeit, ein Schlichtungsverfahren beim Ombudsmann des Sparkassenverbandes einzuleiten. Damit werde die Verjährung der Zinsnachzahlung für die Zeit ab Antragstellung bis sechs Monate nach Beendigung des Verfahrens gehemmt: „Das ist allerdings nur eine Zwischenlösung, um Zeit zu gewinnen, bis offene Rechtsfragen geklärt sind“, so der Verbraucherschützer.
In einem Punkt hat das Gericht keine Entscheidung gefällt und den Sachverhalt an das Oberlandesgericht Dresden zurückverwiesen. Es geht darum, welche Bezugsgröße für die Verzinsung der Sparverträge herangezogen werden muss. Inzwischen gebe es verschiedene Empfehlungen von mehreren gerichtlich bestellten Gutachtern, die aber sehr unterschiedlich ausfallen. „Nichtsdestotrotz wird es zu Zinsnachzahlungen kommen müssen – in welcher Höhe muss aber noch geklärt werden“, sagt Diwo.
Der Sparkassenverband Saar erklärt auf Anfrage unserer Zeitung: „Auch nach der vielbeachteten Entscheidung des BGH vom 6. Oktober 2021 zur Berechnung der Zinsen bei Prämiensparverträgen mit unwirksamer Zinsanpassungsklausel gibt es nach wie vor offene Fragen“, sagt Pressesprecher Benjamin Kirsch.
Zum einen habe der Entscheidung des BGH eine Vertragskonstellation zugrunde gelegen, die sächsische Sparkassen verwendet hätten. „In unserer Region waren die Prämiensparverträge gerade an Stellen, auf die sich der BGH in seiner vorgenannten Entscheidung maßgeblich stützt, regelmäßig anders ausgestaltet. Es kommt daher auf die individuelle Vertrags-Gestaltung an“, erklärt Kirsch.
Zum anderen sei die zentrale Rechtsfrage, welcher Referenzzins zugrunde zu legen ist, vom BGH nicht beantwortet worden. Das Oberlandesgericht Dresden müsse hierzu erneut entscheiden. Kirsch: „Die Instanzgerichte, die sich bisher mit der Thematik befasst hatten, kommen zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen.“Zahlen, wie viele Prämiensparverträge im Saarland betroffen sind, wollte er nicht nennen.
Ein Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs hat die Rechte der Bankkunden gestärkt. Trotzdem sind für den Sparkassenverband Saar noch viele Fragen offen und der individuelle Vertrag entscheidend.
Die Verbraucherzentrale hilft bei der Nachberechnung der Zinsansprüche. Beratungstermine können unter Tel. (06 81) 5 00 89 55 montags, mittwochs und freitags von 9 bis 11 Uhr vereinbart werden.