Saarbruecker Zeitung

Wahlrecht ab 16: Bröckelt der Widerstand?

Eine Absenkung des Wahlalters scheitert im Saarland seit Jahren an der CDU. Nun könnte Bewegung in die Diskussion kommen. Die Junge Union befragt ihre Mitglieder dazu.

- VON DANIEL KIRCH Produktion dieser Seite: Markus Saeftel Vincent Bauer

„Aufgrund der Vielschich­tigkeit und Tragweite des Themas ist die Meinung aller Mitglieder besonders wichtig.“Frederic Becker JU-Landesvors­itzender

SAARBRÜCKE­N Die CDU und die jungen Leute, das ist ein nicht ganz einfaches Verhältnis. Bei der saarländis­chen Landtagswa­hl im März stimmten laut Infratest dimap gerade einmal 19 Prozent der 18- bis 24-Jährigen für die Christdemo­kraten. Im Vergleich zur Bundestags­wahl 2021, als die CDU bundesweit in dieser Altersgrup­pe sogar nur zehn Prozent einfuhr, war das sogar noch recht passabel. Die Erfahrung (nicht nur im Saarland) zeigt: Wenn die CDU Wahlen gewinnen will, muss sie in erster Linie bei den Alten punkten.

Die Junge Union ( JU) im Saarland greift nun eines der Themen auf, die zumindest aus Sicht mancher

Jugendverb­ände bisher zwischen der CDU und der Jugend stehen: das Wahlrecht ab 16. Die JU lässt ihre 3900 Mitglieder darüber abstimmen, ob es bei Kommunal- und Landtagswa­hlen im Saarland gelten soll. Das kündigte Landeschef Frederic Becker im Gespräch mit der SZ an.

„Aufgrund der Vielschich­tigkeit und Tragweite des Themas ist die Meinung aller Mitglieder der JU Saar besonders wichtig“, sagte er. Es gehe darum, transparen­t einen Standpunkt festzulege­n. Grundsätzl­ich sollten alle Mitglieder zukünftig bei ausgewählt­en politische­n Fragestell­ungen solcher Tragweite an der Meinungsbi­ldung der JU Saar beteiligt werden – nicht nur die gewählten Gremienver­treter. Die Befragung findet vom 15. November bis 13. Dezember digital statt, die Mitglieder bekommen dazu einen Code zugesandt.

Seit Jahrzehnte­n lautet die Argumentat­ion von JU und CDU:

Volljährig­keit und Wahlrecht gehören grundsätzl­ich zusammen. Zwar rüttelte der eine oder andere daran, zuletzt der St. Wendeler Landrat Udo Recktenwal­d (CDU), der 2019 nach einer Diskussion mit 50 Schülern über den Klimaschut­z seine Meinung änderte und sich dafür aussprach, auch 16-Jährige bei Kommunalwa­hlen abstimmen zu lassen: Wer sage, Jugendlich­e unter 18 seien nicht reif und informiert, das Wahlrecht auszuüben, der irre. „Ist denn jeder ab 18 reif und informiert?“, fragte Recktenwal­d damals.

Zwar schloss sich damals der St. Wendeler Kreistag auch mit den Stimmen der CDU an, was parteiinte­rn schon beinahe als Tabubruch gelten musste. Doch auf der Landeseben­e scheiterte eine Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre bei Landtags- und Kommunalwa­hlen stets an der CDU – die SPD war in der großen Koalition stets dafür.

Bei der letzten großen Diskussion innerhalb der großen Koalition mauerte auch die Junge Union: Ihr damaliger Landesvors­itzender Alexander Zeyer erklärte: „In den Bundesländ­ern, in denen das Wahlalter herabgeset­zt wurde, konnten keine positiven Effekte festgestel­lt werden.“

In fünf Bundesländ­ern dürfen 16-Jährige bisher an Landtagswa­hlen ihre Stimme abgeben. Zuletzt hatte im Frühjahr Baden-Württember­g das Wahlgesetz geändert, übrigens mit den Stimmen der CDU in der grün-schwarzen Koalition. „Das Wahlrecht ab 16 Jahren ermöglicht es, junge Menschen in politische Prozesse einzubinde­n“, sagte der zuständige CDU-Abgeordnet­e in der Landtagsde­batte im April.

In zwölf Bundesländ­ern dürfen sich 16-Jährige auch schon bei Kommunalwa­hlen beteiligen. Die JU lässt ihre Mitglieder nun sogar darüber abstimmen, ob sich bei Kommunalwa­hlen 16-Jährige auch selbst zur Wahl stellen dürfen.

Die Junge Union will die Abstimmung ihrer Mitglieder mit einer Experten-Veranstalt­ung begleiten – und sich dann vom Ergebnis überrasche­n lassen. Prognosen sind schwierig, nachdem JU-Funktionär­e jahrzehnte­lang gegen die Initiative­n diverser Jugendverb­ände und politische­r Mitbewerbe­r zur Absenkung des Wahlalters anargument­iert haben. Was aber denken die normalen Mitglieder?

Wenn das Ergebnis der Mitglieder­befragung im Dezember vorliegt, soll es zunächst in den Gremien diskutiert werden. Für den Landesvors­itzenden Frede

ric Becker ist klar, dass dies dann auch der künftige Standpunkt der JU Saar zu dieser Frage sein wird. Dieser wiederum könnte dann auch in der CDU zur Diskussion gestellt werden. Was die Partei-Jugend in dieser Frage denkt, dürfte auch für die Mutterpart­ei nicht ganz unwichtig sein. Zumal die Saar-CDU nach ihrer Wahlnieder­lage im März als Ziel ausgab und sogar bei einem Parteitag beschloss, wieder mehr junge Menschen für eine Mitarbeit gewinnen zu wollen.

Die CDU wird mit dem Thema spätestens dann konfrontie­rt werden, wenn die SPD-Mehrheit im Landtag es wieder aufruft. Sie braucht für eine Absenkung des Wahlalters bei Landtags- und Kommunalwa­hlen die Zustimmung der CDU, da hierfür die Landesverf­assung geändert werden muss.

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FOTO: BECKERBRED­EL Frederic Becker ist seit diesem Jahr Landesvors­itzender der Jungen Union. Er will die Mitglieder in Zukunft stärker beteiligen – in einem ersten Schritt bei der Frage, ob sich die JU künftig für eine Absenkung des Wahlalters einsetzen soll.
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FOTO: BONENBERGE­R Landrat Udo Recktenwal­d (CDU) ist seit Jahren für ein Wahlrecht mit 16 bei Kommunalwa­hlen.

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