Wahlrecht ab 16: Bröckelt der Widerstand?
Eine Absenkung des Wahlalters scheitert im Saarland seit Jahren an der CDU. Nun könnte Bewegung in die Diskussion kommen. Die Junge Union befragt ihre Mitglieder dazu.
„Aufgrund der Vielschichtigkeit und Tragweite des Themas ist die Meinung aller Mitglieder besonders wichtig.“Frederic Becker JU-Landesvorsitzender
SAARBRÜCKEN Die CDU und die jungen Leute, das ist ein nicht ganz einfaches Verhältnis. Bei der saarländischen Landtagswahl im März stimmten laut Infratest dimap gerade einmal 19 Prozent der 18- bis 24-Jährigen für die Christdemokraten. Im Vergleich zur Bundestagswahl 2021, als die CDU bundesweit in dieser Altersgruppe sogar nur zehn Prozent einfuhr, war das sogar noch recht passabel. Die Erfahrung (nicht nur im Saarland) zeigt: Wenn die CDU Wahlen gewinnen will, muss sie in erster Linie bei den Alten punkten.
Die Junge Union ( JU) im Saarland greift nun eines der Themen auf, die zumindest aus Sicht mancher
Jugendverbände bisher zwischen der CDU und der Jugend stehen: das Wahlrecht ab 16. Die JU lässt ihre 3900 Mitglieder darüber abstimmen, ob es bei Kommunal- und Landtagswahlen im Saarland gelten soll. Das kündigte Landeschef Frederic Becker im Gespräch mit der SZ an.
„Aufgrund der Vielschichtigkeit und Tragweite des Themas ist die Meinung aller Mitglieder der JU Saar besonders wichtig“, sagte er. Es gehe darum, transparent einen Standpunkt festzulegen. Grundsätzlich sollten alle Mitglieder zukünftig bei ausgewählten politischen Fragestellungen solcher Tragweite an der Meinungsbildung der JU Saar beteiligt werden – nicht nur die gewählten Gremienvertreter. Die Befragung findet vom 15. November bis 13. Dezember digital statt, die Mitglieder bekommen dazu einen Code zugesandt.
Seit Jahrzehnten lautet die Argumentation von JU und CDU:
Volljährigkeit und Wahlrecht gehören grundsätzlich zusammen. Zwar rüttelte der eine oder andere daran, zuletzt der St. Wendeler Landrat Udo Recktenwald (CDU), der 2019 nach einer Diskussion mit 50 Schülern über den Klimaschutz seine Meinung änderte und sich dafür aussprach, auch 16-Jährige bei Kommunalwahlen abstimmen zu lassen: Wer sage, Jugendliche unter 18 seien nicht reif und informiert, das Wahlrecht auszuüben, der irre. „Ist denn jeder ab 18 reif und informiert?“, fragte Recktenwald damals.
Zwar schloss sich damals der St. Wendeler Kreistag auch mit den Stimmen der CDU an, was parteiintern schon beinahe als Tabubruch gelten musste. Doch auf der Landesebene scheiterte eine Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre bei Landtags- und Kommunalwahlen stets an der CDU – die SPD war in der großen Koalition stets dafür.
Bei der letzten großen Diskussion innerhalb der großen Koalition mauerte auch die Junge Union: Ihr damaliger Landesvorsitzender Alexander Zeyer erklärte: „In den Bundesländern, in denen das Wahlalter herabgesetzt wurde, konnten keine positiven Effekte festgestellt werden.“
In fünf Bundesländern dürfen 16-Jährige bisher an Landtagswahlen ihre Stimme abgeben. Zuletzt hatte im Frühjahr Baden-Württemberg das Wahlgesetz geändert, übrigens mit den Stimmen der CDU in der grün-schwarzen Koalition. „Das Wahlrecht ab 16 Jahren ermöglicht es, junge Menschen in politische Prozesse einzubinden“, sagte der zuständige CDU-Abgeordnete in der Landtagsdebatte im April.
In zwölf Bundesländern dürfen sich 16-Jährige auch schon bei Kommunalwahlen beteiligen. Die JU lässt ihre Mitglieder nun sogar darüber abstimmen, ob sich bei Kommunalwahlen 16-Jährige auch selbst zur Wahl stellen dürfen.
Die Junge Union will die Abstimmung ihrer Mitglieder mit einer Experten-Veranstaltung begleiten – und sich dann vom Ergebnis überraschen lassen. Prognosen sind schwierig, nachdem JU-Funktionäre jahrzehntelang gegen die Initiativen diverser Jugendverbände und politischer Mitbewerber zur Absenkung des Wahlalters anargumentiert haben. Was aber denken die normalen Mitglieder?
Wenn das Ergebnis der Mitgliederbefragung im Dezember vorliegt, soll es zunächst in den Gremien diskutiert werden. Für den Landesvorsitzenden Frede
ric Becker ist klar, dass dies dann auch der künftige Standpunkt der JU Saar zu dieser Frage sein wird. Dieser wiederum könnte dann auch in der CDU zur Diskussion gestellt werden. Was die Partei-Jugend in dieser Frage denkt, dürfte auch für die Mutterpartei nicht ganz unwichtig sein. Zumal die Saar-CDU nach ihrer Wahlniederlage im März als Ziel ausgab und sogar bei einem Parteitag beschloss, wieder mehr junge Menschen für eine Mitarbeit gewinnen zu wollen.
Die CDU wird mit dem Thema spätestens dann konfrontiert werden, wenn die SPD-Mehrheit im Landtag es wieder aufruft. Sie braucht für eine Absenkung des Wahlalters bei Landtags- und Kommunalwahlen die Zustimmung der CDU, da hierfür die Landesverfassung geändert werden muss.