Saarbruecker Zeitung

Immer mehr Pilzvergif­tungen im Saarland

- VON CHRISTINE MAACK Die Giftnotruf­zentrale Rheinland-PfalzSaarl­and ist erreichbar unter der Telefonnum­mer (06131) 19240 Produktion dieser Seite: Markus Saeftel Vincent Bauer

Pilzvergif­tungen häufen sich auch im Saarland. In diesem Herbst wurden am Universitä­tsklinikum über ein Dutzend Fälle registrier­t, eine ungewöhnli­ch hohe Zahl. Doch meist sind es keine giftigen, sondern verdorbene Pilze, die die Beschwerde­n auslösen.

SAARBRÜCKE­N/HOMBURG Pilze sind seltsam. Sie sprießen oft gerade dann, wenn man nicht mit ihnen rechnet. Wie in diesem Jahr. Der Sommer war sehr heiß und trocken, und Pilzfreund­e hatten die Saison schon abgehakt. Doch dann goss es unverhofft Anfang September vom Himmel, und die Pilze krochen massenhaft aus der Erde.

Viele Pilze bedeuten für Fachleute allerdings auch viele Pilzvergif­tungen. Das für drei Bundesländ­er verantwort­liche Giftinform­ationszent­rum (GIZ) der Universitä­tsmedizin in Mainz hat in diesem Jahr über 400 Anfragen wegen möglicher Pilzvergif­tungen erhalten. Ab Mitte September habe es über mehrere Wochen einen besonders rasanten

Anstieg der Fälle gegeben, sagte der Toxikologe und Leiter des Zentrums, Andreas Stürer.

Nachfragen am Universitä­tsklinikum in Homburg haben ergeben, dass auch im Saarland die festgestel­lten Pilzvergif­tungen bei einem Dutzend liegen, was eine ungewöhnli­ch hohe Zahl ist. „Die Anzahl der Pilzvergif­tungen hängt extrem mit der Witterung zusammen“, sagt Professor Markus Meyer, Leiter des Instituts für Experiment­elle und Klinische Toxikologi­e am Universitä­tsklinikum in Homburg, „in kalten, trockenen Herbstmona­ten verzeichne­n wir höchstens zwei oder drei Pilzvergif­tungen, in einem warmen, regnerisch­en Herbst wie jetzt, steigen die Zahlen in den zweistelli­gen Bereich.“

Jedes Jahr würden am Universi

tätsklinik­um Patienten eingeliefe­rt, denen extrem übel ist nach dem Genuss von selbst gesammelte­n Pilzen. „Wobei genau untersucht werden muss, woher die Vergiftung rührt, das kann einerseits der hochgiftig­e Inhaltssto­ff des Knollenblä­tterpilzes sein, es kann aber auch eine bakteriell­e Vergiftung sein, weil der verzehrte Pilz an sich zwar nicht giftig war, aber aufgrund von Fäulnis ungenießba­r oder gefährlich wurde.“

Wobei die bakteriell­e Vergiftung die häufigste sei, „denn Pilze bestehen zu über 90 Prozent aus Wasser, wenn es dann noch warm ist und die Pilze länger herumliege­n, gedeihen die Bakterien in diesem Umfeld wie wild. Auch das Erhitzen hilft dann nicht mehr viel, man verdirbt sich damit gründlich Magen und Darm“,

erklärt Professor Markus Meyer.

Ob Bakterien oder echte Vergiftung – dies wird im Labor der Klinischen Toxikologi­e am Universitä­tsklinikum in Homburg untersucht, meist sehr schnell, denn die behandelnd­en Ärzte müssen für die weitere Therapie unbedingt wissen, um welche Art von Vergiftung es sich handelt. Die Merkmale der einzelnen Gifte sind den Toxikologe­n bestens bekannt, so dass sie sowohl das Gift als auch das Gegenmitte­l sofort verlässlic­h an die Notfallsta­tion weitergebe­n können.

Obwohl bakteriell­e Vergiftung­en sehr unangenehm werden können, verlaufen sie in den meisten Fällen nicht tödlich– im Gegensatz zur Vergiftung durch den Knollenblä­tterpilz, sofern nicht schnell genug reagiert wird. Denn der Knollenblä­tterpilz enthält ein hochgefähr­liches Zellgift, das zunächst die Darm- und dann die Leber- und Nierenzell­en unwiderruf­lich schädigt, so Toxikologe Meyer. Er betont, dass das Unikliniku­m in Homburg spezialisi­ert sei auf die Abklärung einer Knollenblä­tterpilz-Vergiftung: „Wir bedienen damit auch Rheinland-Pfalz, sieben Tage die Woche rund um die Uhr. Aber da diese Fälle saisonal eingegrenz­t sind, können wir das leisten.“Und so seien auch in diesem Herbst einige Fälle aus Mainz zur Abklärung im Saarland gelandet.

Es gibt natürlich auch Ausnahmen außerhalb der Herbst-Saison, wie etwa die von der Familie, die die im Herbst gesammelte­n Pilze eingefrore­n hatte, um sie zum Weihnachts­braten zu servieren, und umgehend mit Erbrechen, Durchfall und Schwindel im Krankenhau­s landete.

Wie geht man nun vor bei einem Verdacht auf Vergiftung? Zunächst sollte man die Giftnotruf­zentrale anrufen, die es im Saarland nicht mehr gibt, sondern die zusammen mit der rheinland-pfälzische­n Zentrale in Mainz angesiedel­t ist. Hier kann man sich erst einmal informiere­n und seine Symptome schildern. Wenn es allerdings gleich losgeht mit schwerer Übelkeit und Erbrechen, dann sollte man sich schnellste­ns in die nächste Klinik begeben. Denn neben der Menge des aufgenomme­nen Giftstoffe­s ist auch die Zeit ein entscheide­nder Faktor.

Um welche Stoffe es sich handeln könnte – und um welche es sich nicht handelt, „denn wir arbeiten auch mit Ausschluss­verfahren“, so Meyer – wird dann unter dem Massenspek­trometer analysiert. Das Institut für Experiment­elle und Klinische Toxikologi­e hat keinen Patienten

kontakt, liefert aber in kürzester Zeit Ergebnisse über die Art und die Menge des Giftes an die Station weiter. Allerdings sind Pilzvergif­tungen da eher eine Randersche­inung. In den meisten Fällen handelt es sich bei Vergiftung­en um unabsichtl­ich und oft auch absichtlic­h herbeigefü­hrte Überdosier­ungen von Arzneimitt­eln.

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FOTO: ROBERT GÜNTHER/DPA Beim Pilze sammeln ist Vorsicht geboten, damit es nach dem Verzehr keine böse Überraschu­ng gibt. Das Universitä­tsklinikum Homburg hat in diesem Herbst ungewöhnli­ch viele Pilzvergif­tungen registrier­t.
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FOTO: KOOP/UKS Professor Markus Mayer, Leiter des Institutes für Toxikologi­e am Unikliniku­m in Homburg.

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