Immer mehr Pilzvergiftungen im Saarland
Pilzvergiftungen häufen sich auch im Saarland. In diesem Herbst wurden am Universitätsklinikum über ein Dutzend Fälle registriert, eine ungewöhnlich hohe Zahl. Doch meist sind es keine giftigen, sondern verdorbene Pilze, die die Beschwerden auslösen.
SAARBRÜCKEN/HOMBURG Pilze sind seltsam. Sie sprießen oft gerade dann, wenn man nicht mit ihnen rechnet. Wie in diesem Jahr. Der Sommer war sehr heiß und trocken, und Pilzfreunde hatten die Saison schon abgehakt. Doch dann goss es unverhofft Anfang September vom Himmel, und die Pilze krochen massenhaft aus der Erde.
Viele Pilze bedeuten für Fachleute allerdings auch viele Pilzvergiftungen. Das für drei Bundesländer verantwortliche Giftinformationszentrum (GIZ) der Universitätsmedizin in Mainz hat in diesem Jahr über 400 Anfragen wegen möglicher Pilzvergiftungen erhalten. Ab Mitte September habe es über mehrere Wochen einen besonders rasanten
Anstieg der Fälle gegeben, sagte der Toxikologe und Leiter des Zentrums, Andreas Stürer.
Nachfragen am Universitätsklinikum in Homburg haben ergeben, dass auch im Saarland die festgestellten Pilzvergiftungen bei einem Dutzend liegen, was eine ungewöhnlich hohe Zahl ist. „Die Anzahl der Pilzvergiftungen hängt extrem mit der Witterung zusammen“, sagt Professor Markus Meyer, Leiter des Instituts für Experimentelle und Klinische Toxikologie am Universitätsklinikum in Homburg, „in kalten, trockenen Herbstmonaten verzeichnen wir höchstens zwei oder drei Pilzvergiftungen, in einem warmen, regnerischen Herbst wie jetzt, steigen die Zahlen in den zweistelligen Bereich.“
Jedes Jahr würden am Universi
tätsklinikum Patienten eingeliefert, denen extrem übel ist nach dem Genuss von selbst gesammelten Pilzen. „Wobei genau untersucht werden muss, woher die Vergiftung rührt, das kann einerseits der hochgiftige Inhaltsstoff des Knollenblätterpilzes sein, es kann aber auch eine bakterielle Vergiftung sein, weil der verzehrte Pilz an sich zwar nicht giftig war, aber aufgrund von Fäulnis ungenießbar oder gefährlich wurde.“
Wobei die bakterielle Vergiftung die häufigste sei, „denn Pilze bestehen zu über 90 Prozent aus Wasser, wenn es dann noch warm ist und die Pilze länger herumliegen, gedeihen die Bakterien in diesem Umfeld wie wild. Auch das Erhitzen hilft dann nicht mehr viel, man verdirbt sich damit gründlich Magen und Darm“,
erklärt Professor Markus Meyer.
Ob Bakterien oder echte Vergiftung – dies wird im Labor der Klinischen Toxikologie am Universitätsklinikum in Homburg untersucht, meist sehr schnell, denn die behandelnden Ärzte müssen für die weitere Therapie unbedingt wissen, um welche Art von Vergiftung es sich handelt. Die Merkmale der einzelnen Gifte sind den Toxikologen bestens bekannt, so dass sie sowohl das Gift als auch das Gegenmittel sofort verlässlich an die Notfallstation weitergeben können.
Obwohl bakterielle Vergiftungen sehr unangenehm werden können, verlaufen sie in den meisten Fällen nicht tödlich– im Gegensatz zur Vergiftung durch den Knollenblätterpilz, sofern nicht schnell genug reagiert wird. Denn der Knollenblätterpilz enthält ein hochgefährliches Zellgift, das zunächst die Darm- und dann die Leber- und Nierenzellen unwiderruflich schädigt, so Toxikologe Meyer. Er betont, dass das Uniklinikum in Homburg spezialisiert sei auf die Abklärung einer Knollenblätterpilz-Vergiftung: „Wir bedienen damit auch Rheinland-Pfalz, sieben Tage die Woche rund um die Uhr. Aber da diese Fälle saisonal eingegrenzt sind, können wir das leisten.“Und so seien auch in diesem Herbst einige Fälle aus Mainz zur Abklärung im Saarland gelandet.
Es gibt natürlich auch Ausnahmen außerhalb der Herbst-Saison, wie etwa die von der Familie, die die im Herbst gesammelten Pilze eingefroren hatte, um sie zum Weihnachtsbraten zu servieren, und umgehend mit Erbrechen, Durchfall und Schwindel im Krankenhaus landete.
Wie geht man nun vor bei einem Verdacht auf Vergiftung? Zunächst sollte man die Giftnotrufzentrale anrufen, die es im Saarland nicht mehr gibt, sondern die zusammen mit der rheinland-pfälzischen Zentrale in Mainz angesiedelt ist. Hier kann man sich erst einmal informieren und seine Symptome schildern. Wenn es allerdings gleich losgeht mit schwerer Übelkeit und Erbrechen, dann sollte man sich schnellstens in die nächste Klinik begeben. Denn neben der Menge des aufgenommenen Giftstoffes ist auch die Zeit ein entscheidender Faktor.
Um welche Stoffe es sich handeln könnte – und um welche es sich nicht handelt, „denn wir arbeiten auch mit Ausschlussverfahren“, so Meyer – wird dann unter dem Massenspektrometer analysiert. Das Institut für Experimentelle und Klinische Toxikologie hat keinen Patienten
kontakt, liefert aber in kürzester Zeit Ergebnisse über die Art und die Menge des Giftes an die Station weiter. Allerdings sind Pilzvergiftungen da eher eine Randerscheinung. In den meisten Fällen handelt es sich bei Vergiftungen um unabsichtlich und oft auch absichtlich herbeigeführte Überdosierungen von Arzneimitteln.