Die Macher von morgen gewinnen, fördern und binden
Der Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer des Saarlandes macht auf das Problem des Nachwuchsmangels im Handwerk aufmerksam.
In manchen Lehrbüchern wird Handwerk immer noch als eine Tätigkeit definiert, die mit der Hand unter Nutzung einfacher Werkzeuge ausgeübt wird. Diese Definition ist längst überholt. Das Handwerk ist heute zweitstärkster Wirtschaftsbereich in Deutschland: In über einer Million Handwerksbetrieben, die einen Jahresumsatz von 668 Milliarden Euro erwirtschaften, arbeiten rund 5,6 Millionen Menschen. Modernes Handwerk ist digital und innovativ und besitzt den sprichwörtlichen „goldenen Boden“. Handwerkerinnen und Handwerker werden mehr denn je gebraucht. Beispielhaft dafür steht die von der Bundesregierung ausgerufene Energiewende, die ohne das Handwerk nicht realisiert werden könnte.
Trotz dieser guten Aussichten gibt es auch Herausforderungen im Handwerk. Neben Materialengpässen, Inflation und hohen Energiepreisen bereitet vor allem der Fachkräftemangel den Betrieben Sorge. Um Aufträge abzuarbeiten, den Betrieb aufrechtzuerhalten, mit Blick auf die Zukunft zu gestalten und eines Tages an einen passenden Nachfolger übergeben zu können, braucht es Nachwuchs, Fach- und Führungskräfte. Und die sind nicht in ausreichendem Maße verfügbar. Diese Herausforderung betrifft längst nicht mehr nur die Betriebe, sondern muss vielmehr von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft im Schulterschluss angegangen werden. Denn ohne handwerkliche Fachkräfte werden Herausforderungen wie regionaler Strukturwandel, die Energiewende und die Schaffung neuen Wohnraums nicht zu meistern sein.
Im Handwerk steht der Mensch im Mittelpunkt. Das zeigt sich auch bei der Aus- und Weiterbildung qualifizierter Fachkräfte. In vielen Betrieben konnten Fachkräfte, Führungskräfte, Meister und potenzielle Betriebsübernehmer oftmals aus dem eigenen Team rekrutiert wurden. Aber die Rahmenbedingungen für die
Nachwuchsgewinnung haben sich stark geändert, insbesondere durch ein verändertes Berufswahlverhalten junger Menschen. Entsprechend bleiben freie Ausbildungsplätze im Handwerk immer häufiger unbesetzt.
Das Handwerk hat verstanden, dass es neue Wege gehen muss, um Talente zu gewinnen. Entsprechend hat es sein Angebot, insbesondere bei Entlohnung und Arbeitszeit, deutlich verbessert.
Ich kenne einige Betriebe im Saarland, die das Qualitätssiegel „familienfreundliches Unternehmen“tragen. In solchen Unternehmen ist oft auch das interne Miteinander so freundschaftlich, dass man die Belegschaften selbst für große Familien halten könnte. Auch gibt es Betriebe, denen es gelingt, Talente zu gewinnen und zu binden, weil sie ganz besonders auf Digitalisierung und Innovationskraft setzen.
Fakt ist: Das Handwerk kann selbst viel tun, um bei Fachkräften und Nachwuchsfachkräften zu punkten. Zusätzlich braucht es aber auch die Unterstützung von Politik und Gesellschaft, um die Anerkennung zu erfahren, die ihm gebührt und in der Folge mehr Jugendliche von den Chancen zu überzeugen, die eine handwerkliche Ausbildung bietet. Die Politik muss die duale Erstausbildung und höhere Berufsbildung stärken. Auf diesem soliden Fundament könnte wieder eine echte Wertschätzung für die berufliche Bildung entstehen. Denn der zentrale Pfeiler der Fach- und Führungskräftesicherung bleibt die duale Berufsausbildung.