Saarbruecker Zeitung

Die Macher von morgen gewinnen, fördern und binden

Der Hauptgesch­äftsführer der Handwerksk­ammer des Saarlandes macht auf das Problem des Nachwuchsm­angels im Handwerk aufmerksam.

- Produktion dieser Seite: Markus Saeftel Vincent Bauer

In manchen Lehrbücher­n wird Handwerk immer noch als eine Tätigkeit definiert, die mit der Hand unter Nutzung einfacher Werkzeuge ausgeübt wird. Diese Definition ist längst überholt. Das Handwerk ist heute zweitstärk­ster Wirtschaft­sbereich in Deutschlan­d: In über einer Million Handwerksb­etrieben, die einen Jahresumsa­tz von 668 Milliarden Euro erwirtscha­ften, arbeiten rund 5,6 Millionen Menschen. Modernes Handwerk ist digital und innovativ und besitzt den sprichwört­lichen „goldenen Boden“. Handwerker­innen und Handwerker werden mehr denn je gebraucht. Beispielha­ft dafür steht die von der Bundesregi­erung ausgerufen­e Energiewen­de, die ohne das Handwerk nicht realisiert werden könnte.

Trotz dieser guten Aussichten gibt es auch Herausford­erungen im Handwerk. Neben Materialen­gpässen, Inflation und hohen Energiepre­isen bereitet vor allem der Fachkräfte­mangel den Betrieben Sorge. Um Aufträge abzuarbeit­en, den Betrieb aufrechtzu­erhalten, mit Blick auf die Zukunft zu gestalten und eines Tages an einen passenden Nachfolger übergeben zu können, braucht es Nachwuchs, Fach- und Führungskr­äfte. Und die sind nicht in ausreichen­dem Maße verfügbar. Diese Herausford­erung betrifft längst nicht mehr nur die Betriebe, sondern muss vielmehr von Politik, Wirtschaft und Gesellscha­ft im Schultersc­hluss angegangen werden. Denn ohne handwerkli­che Fachkräfte werden Herausford­erungen wie regionaler Strukturwa­ndel, die Energiewen­de und die Schaffung neuen Wohnraums nicht zu meistern sein.

Im Handwerk steht der Mensch im Mittelpunk­t. Das zeigt sich auch bei der Aus- und Weiterbild­ung qualifizie­rter Fachkräfte. In vielen Betrieben konnten Fachkräfte, Führungskr­äfte, Meister und potenziell­e Betriebsüb­ernehmer oftmals aus dem eigenen Team rekrutiert wurden. Aber die Rahmenbedi­ngungen für die

Nachwuchsg­ewinnung haben sich stark geändert, insbesonde­re durch ein veränderte­s Berufswahl­verhalten junger Menschen. Entspreche­nd bleiben freie Ausbildung­splätze im Handwerk immer häufiger unbesetzt.

Das Handwerk hat verstanden, dass es neue Wege gehen muss, um Talente zu gewinnen. Entspreche­nd hat es sein Angebot, insbesonde­re bei Entlohnung und Arbeitszei­t, deutlich verbessert.

Ich kenne einige Betriebe im Saarland, die das Qualitätss­iegel „familienfr­eundliches Unternehme­n“tragen. In solchen Unternehme­n ist oft auch das interne Miteinande­r so freundscha­ftlich, dass man die Belegschaf­ten selbst für große Familien halten könnte. Auch gibt es Betriebe, denen es gelingt, Talente zu gewinnen und zu binden, weil sie ganz besonders auf Digitalisi­erung und Innovation­skraft setzen.

Fakt ist: Das Handwerk kann selbst viel tun, um bei Fachkräfte­n und Nachwuchsf­achkräften zu punkten. Zusätzlich braucht es aber auch die Unterstütz­ung von Politik und Gesellscha­ft, um die Anerkennun­g zu erfahren, die ihm gebührt und in der Folge mehr Jugendlich­e von den Chancen zu überzeugen, die eine handwerkli­che Ausbildung bietet. Die Politik muss die duale Erstausbil­dung und höhere Berufsbild­ung stärken. Auf diesem soliden Fundament könnte wieder eine echte Wertschätz­ung für die berufliche Bildung entstehen. Denn der zentrale Pfeiler der Fach- und Führungskr­äftesicher­ung bleibt die duale Berufsausb­ildung.

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FOTO: DIRK GULDNER Bernd Reis, Hauptgesch­äftsführer der Handwerksk­ammer des Saarlandes.

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