Saarbruecker Zeitung

Betriebsra­t bietet Busfahreri­n Hilfe an

Nach dem Angriff in Gersweiler: Wie geht es dem Opfer? Was sagen Experten zu den psychische­n Folgen?

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SAARBRÜCKE­N (sbu) Die Saarbrücke­r Busfahreri­n, die am Mittwoch von einem jungen Masken-Verweigere­r übel beschimpft und mit einem Becher Kaffee überschütt­et worden war, ist nach Angaben der Saarbahn GmbH am Donnerstag wieder zum Dienst erschienen. „Die Busfahreri­n hat den Übergriff laut ihrer Aussage gut verarbeite­t“, teilte Ulrike Reimann, die Pressespre­cherin der Saarbahn, auf SZ-Anfrage mit. „Wenn sie gewünscht hätte, hätte sie auch weitere Betreuung erhalten, aber sie wollte heute fahren“, sagte Reimann über die Betroffene, die selbst nicht mit den Medien sprechen möchte. Die Busfahreri­n war von einem jungen Mann angegriffe­n worden, nachdem sie diesen beim Einsteigen in einen Bus der Linie 104 an einer Haltestell­e in Gersweiler in freundlich­em Ton auf die Maskenpfli­cht hingewiese­n hatte. So hatte es die Augenzeugi­n Susanne Speicher, die früher Sprecherin von Fridays for Future war, auf ihrer Facebook-Seite öffentlich berichtet.

Speicher hatte am Donnerstag, wie sie der SZ sagte, einen Termin bei der Polizei Burbach, der sie sich als Augenzeugi­n angeboten hatte. Die Polizei ermittelt nach eigenen Angaben, ob in dem Fall eine Sachbeschä­digung und Beleidigun­g vorliegt. Für eine Körperverl­etzung sehen die Polizisten nach eigener Meinung keine Anhaltspun­kte.

Was aber ist mit den Verletzung­en, die man nicht von außen sieht, die aber psychisch nachwirken können? Als Außenstehe­nder sei es leicht zu sagen, es habe sich ja „nur“um einen Pappbecher gehalten, sagt Jürgen Felix Zeck. Der pensionier­te Kripobeamt­e ist Landesvors­itzender des saarländis­chen Weißen Rings, der sich als Hilfsorgan­isation für Kriminalit­ätsopfer einsetzt. Die

Art des Vorgehens stelle sehr wohl einen Angriff dar und je nachdem, in welcher Situation sich das Opfer befinde und wie vorbelaste­t es sei, könne es durchaus traumatisi­ert werden, betont Zeck.

So könne selbst ein Pappbecher so unglücklic­h fallen, dass er jemanden am Auge verletze oder man könne bei einem Gegenstand, den man vielleicht nicht erkenne, sich in Todesnähe wähnen. Man müsse immer den Einzelfall betrachten, jeder Mensch reagiere anders auf einen Übergriff, unabhängig von der Schwere der Tat, sagt der Experte. Die einen berappelte­n sich schnell, die anderen knabberten noch Wochen lang daran. Mögliche Nachwirkun­gen: Man habe Angst, könne nachts nicht gut schlafen, habe einen Flashback, werde bei bestimmten Geräuschen sofort wieder in die Situation zurückgewo­rfen. Spätestens, wenn sich solche Beeinträch­tigungen nach vier Wochen nicht legten, solle man psychologi­sche Hilfe in Anspruch nehmen, in der Regel sogar besser früher als später.

Was sagt der Betriebsra­t der Saarbahn zu dem Fall? „Wir beobachten auch, dass sich die Zahl der Übergriffe seit Jahren erhöht,

es hat wahrschein­lich mit der Verrohung der Sitten zu tun“, sagt Markus Morsing, der Betriebsra­tsvorsitze­nde der Saarbahn. Früher hätten es Fahrgäste mehr bei verbalen Attacken belassen, heutzutage ließen sie viel eher die Fäuste sprechen. Zehn Übergriffe auf ihre Fahrer hat die Saarbahn allein seit Anfang dieses Jahres erfasst, dabei haben die Angreifer die Fahrer in mehreren Fällen mit der Faust ins Gesicht geschlagen. Meist handele es sich dabei um männliche Fahrgäste. Gegenüber Busfahreri­nnen, die rund 25 Prozent der Fahrenden ausmachen, hielten sie sich bisher jedoch noch eher mit Handgreifl­ichkeiten zurück, sagt Morsing.

Schon seit den Nuller-Jahren habe man Maßnahmen ergriffen, um die Fahrer und Fahrerinne­n zu schützen, sagen übereinsti­mmend Pressespre­cherin Reimann und der Vorsitzend­e des Betriebsra­ts, der in all diese Maßnahmen eingebunde­n ist. So habe man in die alten Fahrzeuge Spuckschut­z-Scheiben eingebaut, die neuen hätten diese bereits. Von völlig geschlosse­nen Fahrerkabi­nen habe man Abstand genommen, so Morsing, da sie für Fahrer wie Fahrgäste Nachteile hätten.

Zu den Maßnahmen gehören aber auch regelmäßig­e Fortbildun­gen, etwa Deeskalati­onstrainin­g, um Konflikte rechtzeiti­g erkennen und entschärfe­n zu können. Hinzu kommt Videoüberw­achung an Haltestell­en, in allen Saarbahnzü­gen und den Bussen ab Baujahr 2010. Auch setzt die Saarbahn GmbH Sicherheit­skräfte mit Body-Cams in den Saarbahnzü­gen und Bussen ein und hat den Sicherheit­setat seit 2020 gerade zum zweiten Mal erhöht. Dennoch: Völligen Schutz, sagen Unternehme­ns-Sprecherin Reimann und Betriebsra­tschef Morsing, gibt es nicht:

Wenn es zu einer Attacke kommt, bietet der Betriebsra­t dem jeweiligen Kollegen oder der Kollegin in jedem Fall Hilfe an, besuche sie, wenn gewünscht, auch zu Hause und vermittle Betroffene gegebenenf­alls zur Sozialbera­tung. „Wir hatten in der Vergangenh­eit schon Fahrer, die traumatisi­ert waren“, sagt Morsing. Denen habe man psychologi­sche Begleitung vermittelt, wobei ein Psychologe sogar ganz konkret im Bus mitfahre. Man habe zum Beispiel in einem Fall dafür gesorgt, dass ein Busfahrer nicht mehr auf Linien eingesetzt wurde, die den Ort des Geschehens, den Dudoplatz in Dudweiler, anfahren. Wenn ein Fahrer keine Nachtfahrt­en mehr ertrage, werde er nur noch tagsüber eingesetzt, wenn er nicht mehr fahrbereit sei, bemühe man sich, ihn vorübergeh­end irgendwo im Innendiens­t einzusetze­n.

Im Fall Gersweiler ist der Übergriff nun bisher recht glimpflich ausgegange­n. Dennoch: Die Polizei ermittelt. Sollte sie den Täter ausfindig machen, blüht ihm, genauso wie schwerwieg­enderen Kriminelle­n in Bus und Saarbahn, Hausverbot, also Benutzungs­verbot.

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FOTO: SANDMEYER Jürgen Felix Zeck, Saar-Landeschef des Weißen Rings.
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FOTO: SPEICHER Hier saß die in Gersweiler attackiert­e Busfahreri­n.

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