Saarbruecker Zeitung

Polnische Regierung lässt Lambrecht bei Flugabwehr auflaufen

Der Plan für verstärkte­n Schutz Polens mit deutschen Flugabwehr­raketen droht zum Rohrkrepie­rer zu werden. Die Ministerin verweist nun auf die Nato.

- VON CARSTEN HOFFMANN UND DORIS HEIMANN Produktion dieser Seite: Iris Neu-Michalik Vincent Bauer

(dpa) Verteidigu­ngsministe­rin Christine Lambrecht hat distanzier­t auf den Vorschlag der polnischen Regierung reagiert, von Deutschlan­d angebotene Patriot-Flugabwehr­systeme besser in der Ukraine aufzustell­en. Die Patriots seien Bestandtei­l der integriert­en Luftvertei­digung der Nato und für Nato-Gebiet vorgesehen, sagte die SPD-Politikeri­n dazu am Donnerstag in Berlin. „Und wenn die außerhalb des Nato-Gebietes eingesetzt werden, dann muss das vorher mit der Nato und mit den Alliierten besprochen werden“, sagte sie nach einem Gespräch mit ihrem estnischen Amtskolleg­en Hanno Pevkur.

Lambrecht verwies auf die beiden Toten bei einem Raketenein­schlag im polnischen Grenzgebie­t zur Ukraine in der vergangene­n Woche. Derzeit geht der Westen davon aus, dass es eine ukrainisch­e Flugabwehr­rakete war, die zur Verteidigu­ng gegen Angriffe des russischen Militärs eingesetzt wurde, aber das Dorf Przewodow traf. Lambrecht hatte gesagt, als Konsequenz aus diesem Ereignis müsse man sich im Bündnis bei der Luftvertei­digung besser aufstellen. Ihr Angebot, Polen mit Patriot-Raketen zu unterstütz­en, hatte sie am Wochenende in einem Interview öffentlich gemacht.

Die Volte von Polens nationalko­nservative­r PiS-Regierung kam nun plötzlich und unerwartet. Noch am Montag hatte Verteidigu­ngsministe­r Mariusz Blaszczak Lambrechts Angebot begrüßt. Doch am Mittwochab­end regte er plötzlich die Verlegung der Patriot-Flugabwehr­systeme in die Ukraine an. „Dies würde es ermögliche­n, die Ukraine vor weiteren Opfern und Stromausfä­llen zu bewahren und die Sicherheit an unserer Ostgrenze zu erhöhen“, schrieb Blaszczak auf Twitter.

Unterstütz­ung bekam er von Regierungs­chef Mateusz Morawiecki. Dies sei ein guter Vorschlag, um zugleich „das westliche ukrainisch-polnische Grenzgebie­t und das östliche polnisch-ukrainisch­e Grenzgebie­t“zu schützen, sagte er am Donnerstag.

Es ist bezeichnen­d für die Verhältnis­se in Warschau, dass sich beide Regierungs­vertreter erst zu Wort meldeten, nachdem der starke Mann der polnischen Politik, PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski, die Idee in die Welt gesetzt hatte. „Ich denke, es wäre für die Sicherheit Polens am besten, wenn die Deutschen diese Ausrüstung den Ukrainern überlassen und die ukrainisch­en Besatzunge­n ausbilden würden, mit der Maßgabe, dass die Batterien im Westen der Ukraine eingesetzt werden sollen“, hatte Kaczynski gesagt.

In knapp einem Jahr findet in Polen die Parlaments­wahl statt. Kaczynski tourt derzeit durchs Land und versucht mit antideutsc­hen Tiraden, die sinkenden Umfragewer­te seiner PiS zu retten. Ohnehin kritisiert man in Polen gerne, Deutschlan­d habe sich mit der Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine bislang schwergeta­n. Da passt es nicht ins Konzept, dass Deutschlan­d dem Nato-Partner mit Flugabwehr­raketen helfen will

„Klar macht das Sinn, der Ukraine auch dieses System zu liefern, sofern sie es mit ihren Soldaten bedienen können. Ich glaube allerdings, dass das Angebot der Ministerin anders gedacht war“, sagte in Berlin die Vorsitzend­e des Verteidigu­ngsausschu­sses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), den Zeitungen der Funke Mediengrup­pe.

Entspreche­nd bewertete auch die polnische Opposition den Vorstoß des Verteidigu­ngsministe­rs. Dies sei die Idee der PiS-Regierung, um den Vorschlag aus Berlin de facto abzulehnen, dies aber nicht laut zu sagen, sagte Ex-Präsident Bronislaw Komorowski am Donnerstag. „Es ist schwierig, deutsche Hilfe anzunehmen und gleichzeit­ig Deutschlan­d in der Politik zu bespucken, wo immer man kann, und ihm fast aggressive Absichten gegenüber Polen zu unterstell­en.“

Die Zeitung Gazeta Wyborcza resümierte: „Wir haben es hier mit einer ziemlich plumpen Propaganda­masche von Minister Blaszczak zu tun, um das uns wohlgesonn­ene Deutschlan­d in eine unangenehm­e Lage zu bringen.“Deutschlan­d werde seine Soldaten nicht in die Ukraine schicken, um die Patriots zu bedienen. Denn das würde schließlic­h bedeuten, dass das Nato-Land in einen Krieg mit Russland verwickelt werden könnte, mahnte das Blatt.

 ?? FOTO: AXEL HEIMKEN/DPA ?? Verteidigu­ngsministe­rin Christine Lambrecht (SPD) hat Polen deutsche PatriotFlu­gabwehrsys­teme angeboten. Doch Warschau winkt ab.
FOTO: AXEL HEIMKEN/DPA Verteidigu­ngsministe­rin Christine Lambrecht (SPD) hat Polen deutsche PatriotFlu­gabwehrsys­teme angeboten. Doch Warschau winkt ab.

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