So wird Saarland Spezialist für Wasserstoff
Wasserstoff ist das Zauberwort für die Zukunft der Industrie in der Region. Doch wie lassen sich schnellstmöglich Experten für die vielen technischen Anwendungen ausbilden? In Völklingen gab es jetzt Antworten auf diese Frage.
(low) Wasserstoff gilt als der Energieträger der Zukunft. Doch es gibt kaum Mitarbeiter, die den Umgang damit beherrschen. Um Abhilfe zu schaffen, haben am Donnerstag bei einer Veranstaltung des Weiterbildungsanbieters Tüv Nord Bildung zahlreiche Industriebetriebe und Bildungsakteure in der Großregion Saar-Lor-Lux und Südbelgien vereinbart, die berufliche Bildung auf diesem Zukunftsfeld nach vorne zu bringen. Sie unterschrieben eine Erklärung, in der sie sich dafür aussprachen, „innovative Ansätze zu unterstützen, um den Qualifikationsbedarf der Unternehmen zu decken“. Erste Pflänzchen gibt es schon. Im Frühjahr 2023 startet der Tüv Nord im Saarland die „Qualifizierung zum Fachexperten für Wasserstoffanwendungen“, ein Lehrgang, der von der Industrie- und Handelskammer (IHK) zertifiziert ist. Dort sollen „ausgelernte Fachkräfte, Industriemeister oder Fachwirte, aber auch Quereinsteiger mit ausreichend Berufserfahrung grundlegendes Wissen über die Wasserstoff-Technologie erhalten“, sagte Sascha Wagner, Leiter Weiterbildung beim Tüv Nord. „An solchen Lehrgängen können auch Interessierte aus Frank
reich und Luxemburg teilnehmen“, sagte Jürgen Tilk, der bei der IHK für die Weiterbildung zuständig ist.
Er machte auch deutlich, „dass dies nur der Anfang sein kann“. Auf diese Fachexperten-Ausbildung aufbauend, „benötigen wir eine weitere Stufe mit Technik- und Anwendermodulen“. In diesen drei Lehrgängen, die jeweils 100 Stunden umfassen, „müssen die Themen Wasserstoff-Erzeugung, Netzund Speichertechnik, aber auch der Einsatz von Wasserstoff in der Produktion stehen“, betonte der IHKFachmann. Am Ende müsse nach einem weiteren Aufbaumodul von 90 Stunden die Industriefachkraft
für Wasserstofftechnik (IHK) stehen.
Auch in Frankreich laufen solche Projekte. „Wir haben für 84 Berufe mit den Unternehmen Kontakt aufgenommen, um zu erfahren, ob in diesen Berufsfeldern eine ZusatzAusbildung in Sachen Wasserstoff interessant ist“, berichtete Laurent Deflandere vom französischen Wei
terbildungsträger Afpa. „Auf Basis der Antworten haben wir AusbildungsModule entwickelt, zum Beispiel für die Instandhaltung von WasserstoffAnlagen, aber für den Betrieb von H2-Tankstellen.“Afpa-Mitarbeiter Clément Maury hat eine „grenzüberschreitende Initiative für H2-Kompetenzen“gestartet, die über das EUProgramm Interreg finanziert wird, das länderübergreifende Vorhaben fördert. Maury will herausfinden, welche Wasserstoff-Strategien die Länder der Großregion verfolgen, welche Schulungsprogramme es bereits gibt und welche noch gebraucht werden. Das Projekt, das 2022 startete, läuft über drei Jahre. „Wir dürfen bei alldem die akademische Ebene nicht außer Acht lassen“, forderte Bodo Groß vom Saarbrücker Institut für Zukunftsenergie-Systeme (Izes). Das Institut hat einen Förderantrag beim EU-Akademikerprogramm MSCA eingereicht, um ein Bildungsvorhaben auf Hochschul-Ebene im Saarland zu ermöglichen; „Hallie“heißt die englischsprachige Abkürzung. Ihm stimmte Professor Stefan Maas von der Universität Luxemburg zu. „Wir brauchen die Hochschulen und wir benötigen Pilotprojekte in der Ausbildung“, sagte er. „Wir brauchen aber auch mehr Wasserstoff-Pilotvorhaben in der Region.“
Mit solchen Leuchttürmen geht es manchmal voran, oft stockt es auch. Das wurde deutlich, als Uwe Neiß (Siemens Energy) und Patrick Grünewald (Steag) die Fortschritte beim Hydro-Hub Fenne beschrieben, eine geplante Elektrolyse-Anlage auf dem Völklinger Kraftwerks-Gelände des Energieversorgers Steag. Drei Elektrolyseure sollen dort elektrische Energie in chemische umwandeln. Dabei entsteht Wasserstoff als Energieträger. 990 Kilogramm sollen stündlich anfallen. Das Projektvolumen umfasst 120 Millionen Euro. Da die Förderanträge noch nicht bewilligt wurden, rechnen Neiß und Grünewald mit einer Investitionsentscheidung im Sommer 2023 und einer Inbetriebnahme 2027. Doch selbst dafür will der Völklinger Kraftwerksdirektor Christian Neu die Hand nicht ins Feuer legen. „Wir wissen nicht, wie lange unsere beiden Kraftwerke in Fenne noch Kohlestrom produzieren müssen, und so lange darf unsere Infrastruktur kaum verändert werden“, sagte er. „Daher mache ich hinter die Inbetriebnahme des Hydro-Hub in 2027 noch ein großes Fragezeichen.“
„Wir brauchen aber auch mehr WasserstoffPilotvorhaben in der Region.“Stefan Maas Universität Luxemburg