Viele Prüfer-Vorwürfe gegen die HWK
Lang ist die Liste der Mängel, die der Rechnungshof bei der Handwerkskammer festgestellt hat. Es geht um Dienstwagen, Bewirtungen und frisierte Haushaltszahlen. Die Kammer reagiert, widerspricht zum Teil aber auch der Kritik.
Improvisieren können sie, die Handwerker. Dem 2015 neu berufenen Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer (HWK), Arnd Klein-Zirbes, war eine zusätzliche Vergütung in einem Unternehmen, an dem die HWK beteiligt ist, versprochen worden. Weil diese Nebentätigkeit nicht zustande kam, erhielt Klein-Zirbes kurzerhand einen Ausgleich: Für einen Euro (!) konnte er der Kammer den Dienstwagen seines Vorgängers abkaufen.
Ein Schnäppchen, zumal der
Wagen, der nach SZ-Informationen noch 12 500 Euro wert gewesen sein soll, laut Rechnungshof zuvor noch „mit nicht unerheblichem Aufwand ertüchtigt“worden war. Der Rechnungshof kritisiert den Deal, für den es keine schriftliche Vereinbarung gab, in seinem Jahresbericht „aufs Schärfste“.
Diesem und weiteren Defiziten bei der Kammer widmet sich der Rechnungshof auf 15 Seiten seines Jahresberichts. Aufgrund der Prüfergebnisse, die sich auf die Zeit bis 2019 beziehen, hatte das Wirtschaftsministerium als Rechtsaufsicht im Juli Strafanzeige „gegen zunächst unbekannte Verantwortliche“gestellt und damit Untreue-Ermittlungen gegen den HWK-Präsidenten und CDU-Landtagsabgeordneten Bernd Wegner sowie gegen Ex-Hauptgeschäftsführer Klein-Zirbes ins Rollen gebracht (die SZ berichtete).
Bei den Ermittlungen geht es laut
Staatsanwaltschaft unter anderem um die Anschaffung und Überlassung hochwertiger Dienstfahrzeuge an Wegner und Klein-Zirbes zur dienstlichen und privaten Nutzung auch durch Familienangehörige, die Abrechnung von Kosten der Bewirtung von Kammerangehörigen und Dritter, die Finanzierung von Gemeinschaftsveranstaltungen der HWK sowie von Geschenken an Mitarbeiter der HWK oder auch die Ein- und Höhergruppierung von Mitarbeitern der HWK.
Zu diesen Punkten wird man auch im Rechnungshofbericht fündig. Die Finanzkontrolleure kritisieren etwa, dass es für die dienstliche und unentgeltliche private Dienstwagennutzung durch Wegner und seine Ehefrau keinen Beschluss der Vollversammlung gibt. Bei den Dienstwagen für Präsident und Hauptgeschäftsführer seien die „in der Landesverwaltung geltenden Regelungen zur Beschaffung, Haltung und Nutzung von Dienstfahrzeugen teilweise nicht beachtet“worden, sagte Rechnungshof-Präsidentin Annette Groh.
Die HWK hat die bisherige Dienstwagen-Regelung für ihren Präsidenten mit der „gängigen Verwaltungspraxis bei anderen Kammern“begründet, allerdings eine Prüfung zugesagt. Offenbar war in der Kammer lange Zeit gar nicht klar, dass bei Dienstwagennutzung oder Bewirtungen für sie die gleichen Regeln gelten wie für Ministerien. Das lässt eine Wortmeldung von Hauptgeschäftsführer Bernd Reis vermuten, der die Pressekonferenz des Rechnungshofes als Gast besuchte und dort einwarf, es gebe Nachweise, dass die HWK von der Rechtsaufsicht erst 2020 auf einen entsprechenden Kodex der Landesregierung hingewiesen wurde.
Reis betonte auch, seit dem Wechsel in der Hauptgeschäftsführung 2020 habe sich „enorm viel getan“. Das stellt auch der Rechnungshof nicht in Abrede, gerade bei der Dienstwagennutzung sieht er aber noch Handlungsbedarf.
Der Rechnungshof wirft der Kammer vor, sie habe „in schwerwiegender Weise“gegen Haushalts- und Satzungsrecht verstoßen.
Harsch fällt auch die Kritik der Prüfer am wirtschaftlichen Gebaren der Kammer in der Vergangenheit aus. Sie habe „in schwerwiegender Weise gegen fundamentale Grundsätze und Bestimmungen des Haushaltsund Satzungsrechts verstoßen“, wobei das Wirtschaftsministerium seiner Aufgabe als Rechtsaufsicht „teilweise nur unzureichend nachgekommen“sein soll.
Einnahmen aus Beiträgen seien zu niedrig, Ausgaben systematisch zu hoch ausgewiesen worden. Die daraus resultierenden Überschüsse seien in den Haushaltsrechnungen nicht offen ausgewiesen worden. Dies habe Entscheidungen für Beitragserhöhungen begünstigt. Mit den zusätzlichen Einnahmen legte die Kammer nach Überzeugung des Rechnungshofs unzulässigerweise Rücklagen für den Bau einer neuen Bildungsstätte an. Immerhin: Ein un
mittelbarer finanzieller Schaden sei der HWK durch diese Praxis, die 2017 beendet wurde, nicht entstanden.
Die HWK gelobt in ihrer Stellungnahme an den Rechnungshof Besserung, verspricht mehr Transparenz und eine bessere Einbindung der Kammerorgane und der Rechtsaufsicht, um „eine strikte Einhaltung“der Vorschriften sicherzustellen.
Und dann das Essen: Der Rechnungshof fordert, auf Restaurantbesuche in der Sterne- und Spitzengastronomie sowie reine Eigenbewirtungen, zum Beispiel Jahresabschlussessen mit HWK-Beschäftigten, zu verzichten“. Die HWK führte diese Praxis „auf eine unzureichende Sensibilität des ehemaligen Hauptgeschäftsführers“zurück.
Die ebenfalls beanstandeten Ausgaben für Übernachtung und Bewirtung von Mitgliedern der Kammerorgane sowie für besondere Anlässe
verteidigt die HWK mit Verweis auf die Bedeutung des Ehrenamtes und der „politischen Landschaftspflege“für die Kammerarbeit. Repräsentationsausgaben will die Kammer aber reduzieren.
Moniert werden vom Rechnungshof auch Ausgaben für Gemeinschaftsveranstaltungen, interne Feiern und Veranstaltungen sowie Geschenke für Beschäftigte. Diese müssen laut Rechnungshof von den Beteiligten selbst finanziert werden. Die HWK sieht das anders und begründete es mit der Stärkung des Gemeinschaftsgefühls der Belegschaft.
Hauptgeschäftsführer Reis sagte, es gehe nicht um Steuergelder. Die Mitglieder hätten ein Selbstverwaltungsrecht. Und wenn diese beschlössen, aus den Beiträgen der Handwerksbetriebe eine Weihnachtsfeier als „Bonbon“zu finanzieren, müsse man das ernstnehmen.