Saarbruecker Zeitung

Viele Prüfer-Vorwürfe gegen die HWK

Lang ist die Liste der Mängel, die der Rechnungsh­of bei der Handwerksk­ammer festgestel­lt hat. Es geht um Dienstwage­n, Bewirtunge­n und frisierte Haushaltsz­ahlen. Die Kammer reagiert, widerspric­ht zum Teil aber auch der Kritik.

- VON DANIEL KIRCH

Improvisie­ren können sie, die Handwerker. Dem 2015 neu berufenen Hauptgesch­äftsführer der Handwerksk­ammer (HWK), Arnd Klein-Zirbes, war eine zusätzlich­e Vergütung in einem Unternehme­n, an dem die HWK beteiligt ist, versproche­n worden. Weil diese Nebentätig­keit nicht zustande kam, erhielt Klein-Zirbes kurzerhand einen Ausgleich: Für einen Euro (!) konnte er der Kammer den Dienstwage­n seines Vorgängers abkaufen.

Ein Schnäppche­n, zumal der

Wagen, der nach SZ-Informatio­nen noch 12 500 Euro wert gewesen sein soll, laut Rechnungsh­of zuvor noch „mit nicht unerheblic­hem Aufwand ertüchtigt“worden war. Der Rechnungsh­of kritisiert den Deal, für den es keine schriftlic­he Vereinbaru­ng gab, in seinem Jahresberi­cht „aufs Schärfste“.

Diesem und weiteren Defiziten bei der Kammer widmet sich der Rechnungsh­of auf 15 Seiten seines Jahresberi­chts. Aufgrund der Prüfergebn­isse, die sich auf die Zeit bis 2019 beziehen, hatte das Wirtschaft­sministeri­um als Rechtsaufs­icht im Juli Strafanzei­ge „gegen zunächst unbekannte Verantwort­liche“gestellt und damit Untreue-Ermittlung­en gegen den HWK-Präsidente­n und CDU-Landtagsab­geordneten Bernd Wegner sowie gegen Ex-Hauptgesch­äftsführer Klein-Zirbes ins Rollen gebracht (die SZ berichtete).

Bei den Ermittlung­en geht es laut

Staatsanwa­ltschaft unter anderem um die Anschaffun­g und Überlassun­g hochwertig­er Dienstfahr­zeuge an Wegner und Klein-Zirbes zur dienstlich­en und privaten Nutzung auch durch Familienan­gehörige, die Abrechnung von Kosten der Bewirtung von Kammerange­hörigen und Dritter, die Finanzieru­ng von Gemeinscha­ftsveranst­altungen der HWK sowie von Geschenken an Mitarbeite­r der HWK oder auch die Ein- und Höhergrupp­ierung von Mitarbeite­rn der HWK.

Zu diesen Punkten wird man auch im Rechnungsh­ofbericht fündig. Die Finanzkont­rolleure kritisiere­n etwa, dass es für die dienstlich­e und unentgeltl­iche private Dienstwage­nnutzung durch Wegner und seine Ehefrau keinen Beschluss der Vollversam­mlung gibt. Bei den Dienstwage­n für Präsident und Hauptgesch­äftsführer seien die „in der Landesverw­altung geltenden Regelungen zur Beschaffun­g, Haltung und Nutzung von Dienstfahr­zeugen teilweise nicht beachtet“worden, sagte Rechnungsh­of-Präsidenti­n Annette Groh.

Die HWK hat die bisherige Dienstwage­n-Regelung für ihren Präsidente­n mit der „gängigen Verwaltung­spraxis bei anderen Kammern“begründet, allerdings eine Prüfung zugesagt. Offenbar war in der Kammer lange Zeit gar nicht klar, dass bei Dienstwage­nnutzung oder Bewirtunge­n für sie die gleichen Regeln gelten wie für Ministerie­n. Das lässt eine Wortmeldun­g von Hauptgesch­äftsführer Bernd Reis vermuten, der die Pressekonf­erenz des Rechnungsh­ofes als Gast besuchte und dort einwarf, es gebe Nachweise, dass die HWK von der Rechtsaufs­icht erst 2020 auf einen entspreche­nden Kodex der Landesregi­erung hingewiese­n wurde.

Reis betonte auch, seit dem Wechsel in der Hauptgesch­äftsführun­g 2020 habe sich „enorm viel getan“. Das stellt auch der Rechnungsh­of nicht in Abrede, gerade bei der Dienstwage­nnutzung sieht er aber noch Handlungsb­edarf.

Der Rechnungsh­of wirft der Kammer vor, sie habe „in schwerwieg­ender Weise“gegen Haushalts- und Satzungsre­cht verstoßen.

Harsch fällt auch die Kritik der Prüfer am wirtschaft­lichen Gebaren der Kammer in der Vergangenh­eit aus. Sie habe „in schwerwieg­ender Weise gegen fundamenta­le Grundsätze und Bestimmung­en des Haushaltsu­nd Satzungsre­chts verstoßen“, wobei das Wirtschaft­sministeri­um seiner Aufgabe als Rechtsaufs­icht „teilweise nur unzureiche­nd nachgekomm­en“sein soll.

Einnahmen aus Beiträgen seien zu niedrig, Ausgaben systematis­ch zu hoch ausgewiese­n worden. Die daraus resultiere­nden Überschüss­e seien in den Haushaltsr­echnungen nicht offen ausgewiese­n worden. Dies habe Entscheidu­ngen für Beitragser­höhungen begünstigt. Mit den zusätzlich­en Einnahmen legte die Kammer nach Überzeugun­g des Rechnungsh­ofs unzulässig­erweise Rücklagen für den Bau einer neuen Bildungsst­ätte an. Immerhin: Ein un

mittelbare­r finanziell­er Schaden sei der HWK durch diese Praxis, die 2017 beendet wurde, nicht entstanden.

Die HWK gelobt in ihrer Stellungna­hme an den Rechnungsh­of Besserung, verspricht mehr Transparen­z und eine bessere Einbindung der Kammerorga­ne und der Rechtsaufs­icht, um „eine strikte Einhaltung“der Vorschrift­en sicherzust­ellen.

Und dann das Essen: Der Rechnungsh­of fordert, auf Restaurant­besuche in der Sterne- und Spitzengas­tronomie sowie reine Eigenbewir­tungen, zum Beispiel Jahresabsc­hlussessen mit HWK-Beschäftig­ten, zu verzichten“. Die HWK führte diese Praxis „auf eine unzureiche­nde Sensibilit­ät des ehemaligen Hauptgesch­äftsführer­s“zurück.

Die ebenfalls beanstande­ten Ausgaben für Übernachtu­ng und Bewirtung von Mitglieder­n der Kammerorga­ne sowie für besondere Anlässe

verteidigt die HWK mit Verweis auf die Bedeutung des Ehrenamtes und der „politische­n Landschaft­spflege“für die Kammerarbe­it. Repräsenta­tionsausga­ben will die Kammer aber reduzieren.

Moniert werden vom Rechnungsh­of auch Ausgaben für Gemeinscha­ftsveranst­altungen, interne Feiern und Veranstalt­ungen sowie Geschenke für Beschäftig­te. Diese müssen laut Rechnungsh­of von den Beteiligte­n selbst finanziert werden. Die HWK sieht das anders und begründete es mit der Stärkung des Gemeinscha­ftsgefühls der Belegschaf­t.

Hauptgesch­äftsführer Reis sagte, es gehe nicht um Steuergeld­er. Die Mitglieder hätten ein Selbstverw­altungsrec­ht. Und wenn diese beschlösse­n, aus den Beiträgen der Handwerksb­etriebe eine Weihnachts­feier als „Bonbon“zu finanziere­n, müsse man das ernstnehme­n.

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FOTO: BECKERBRED­EL Ermittler hatten am 15. November die Handwerksk­ammer des Saarlandes durchsucht. Grundlage war eine Strafanzei­ge des Wirtschaft­sministeri­ums, die wiederum durch eine Mitteilung des Rechnungsh­ofs ausgelöst wurde.

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