Seebühne und Aufstiegssplatz
Bernhard Leonardy, Intendant der Musikfestspiele Saar und Kantor der Saarbrücker Basilika, betont die Kraft von Kunst und Kultur für unser Leben.
Vom Neobellizismus bis hin zur Deglobalisierung, wir leben in einer labilen Gegenwart. Gehört es da nicht zu einem klugen „Lifestyle“dazu, einfach mal verzichten zu können? Stehen hier Kunst und Kultur auf einem Aufstiegs- oder Abstiegsplatz? Jeden Tag versuchen die Musikfestspiele Saar in Kooperation mit dem großen Förderverein (herzliche Einladung zum Mittun!) ebensolche Fragen in den Blick zu nehmen, keine einfachen Antworten liegen auf der Hand.
Dankbar sind wir für Anregungen von Außen, beispielsweise des Philosophen Julian Nida-Rümelin, sein kürzlicher Vortrag hier vor Ort gab zu denken: Forschung, Wissenschaft, Technologie, Fortschritt ohne einen Resonanzkörper in der Gesellschaft von Kunst und Kultur seien nachweislich zum Scheitern verurteilt, sie finden keinen Resonanzboden. Die von Außen an uns herangetragene Dankbarkeit zum Beispiel nach „Engelsgesängen“in der Basilika zeigt uns, dass wir viele Menschen berührt und beschenkt haben und zeugt von der großen Kraft des Schönen,
Heilenden, Bewegenden von Musik. Solche Erlebnisse erzählen uns hautnah von der Essenz von Kunst und Kultur für unser Leben.
Einerseits dadurch beflügelt werden wir uns in Zukunft in einer Art Gratwanderung aber auch ganz neu zu beweisen haben: umweltfreundliche Nachhaltigkeit schneller Anreise vieler Gäste und Künstler aus Paris, gleichzeitig aber auch Glanzpunkte einer beeindruckenden Seebühne in Schengen/Perl (16. bis 18. Juni 2023); Weihnachtsoratorium in der Basilika Saarbrücken (4. Dezember, 16 Uhr) und im Weltkulturerbe (18. Dezember, 11 Uhr) bei für ein Orchester notwendig beheizten Räumlichkeiten, dafür Verzicht auf das Silvesterkonzert; bewusst hochwertige Druckerzeugnisse bei regionaler Vergabe; Konzertereignisse mit viel Publikum bei verantwortungsvollem Umgang mit Infektionsgefahren.
Wie hier aufgeführt, geht es um die richtige Balance zwischen bewusst gesetzten Höhepunkten und dem Weglassen von Nichtnotwendigem. Die Musikfestspiele Saar haben als Türöffner für viele Menschen, die keine regelmäßigen Konzertgänger sind nach dem pandemiebedingten Verlust einem guten Drittel unserer Hörerschaft eine extrem wichtige Aufgabe, der wir uns ehrfürchtig bewusst sind. Als ein von Institutionen, Sponsoren, Vereinen und Bürgern unterstütztes Festival fällt uns die Aufgabe eines kulturellen Saarlandbotschafters zu. Strahlkraft von Kultur auch im Ranking der
Attraktivität der Bundesländer kann hierbei nicht hoch genug eingeschätzt werden. Ein saarländischer Zukunftsfonds braucht aus den beschriebenen Zusammenhängen dringend kulturelle Flankierung. Ebenso wie die Wirtschaft reagiert Kultur neben den Fakten auch auf die Psychologie positiver Statements, daher wünsche ich mir von den Verantwortungsträgern endlich wieder ein beherztes Plädoyer zum Besuch kultureller Veranstaltungen und ein mutmachendes Vorangehen. Unsere Mission scheint wichtiger denn je: Menschen zusammenbringen, um sie zu stärken, Völkerverständigung mit der Kraft der Musik zu fördern, den Zusammenhalt der Gesellschaft in ihrer Sinnsuche zu begleiten, Schönes zu erschaffen, Freude und Optimismus zu verschenken. Kommen Sie an Bord der Seebühne in Schengen/Perl, Kultur ist auf einem Aufstiegsplatz! Denn gute Nachrichten braucht unser Land!