Wilma Kleinstein besiegt die Angst-Monster
Die beiden Saarbrücker Künstlerinnen Carina Hornung und Illi Reusch haben ein sehr gelungenes, außergewöhnliches Kinderbuch veröffentlicht. „Wilma Kleinstein und die Angst-Monster“macht Spaß beim Lesen und hilft sogar ganz praktisch gegen Ängste aller Art
Kleinstein hat rote Bast-Haare, und ihre Arme und Beine sind aus gebogenem Draht. Braucht sie ein neues Kleid, genügt ihr ein klitzekleines Stückchen Stoff. Aber wenn sie Angst hat, legt sich ihr Mund schon mal in scharfe ZickzackFalten. Wilma Kleinstein ist nämlich eine Kinderbuch-Figur. Und zwar eine ziemlich originelle. Entstanden ist sie an den Küchen- und Ateliertischen von Carina Hornung und Illi Reusch.
Die beiden Saarbrücker Künstlerinnen haben ihr Erstlingswerk „Wilma Kleinstein und die AngstMonster“gerade veröffentlicht. Und das Buch ist, soviel kann man schon mal gleich sagen, ausgesprochen gelungen. Denn es ist nicht nur außergewöhnlich in der Machart. Es nimmt kindliche Ängste ernst und findet sogar eine Lösung dafür.
„Wir wollten immer schon mal ein Kinderbuch zusammen machen“, erzählen die beiden beim SZ-Besuch. Aber dabei ließen sie sich ziemlich viel Zeit. „Vor sechs Jahren schon entstand die Idee“, sagt Carina Hornung. Und da waren auch sofort der lustige Name Wilma Kleinstein und auch das Thema Angst da, „das ist gleich einfach so aufgeploppt“. Auch dass die beiden keines der üblichen illustrierten Bilderbücher machen würden, war gleich klar. „Wir wollten was Eigenes, was mit einer Technik, die uns gefällt“, sagt Carina Hornung.
Wilma Kleinstein sollte aus Fundstücken, aus Resten zusammengesetzt werden. „Wir haben tütenweise Material angeschleppt“, erzählt Illi Reusch. Wilma und alles andere um sie herum wurden erst mal gebastelt und dann fotografiert. „Das kann man auch super zu zweit machen“, sagt Reusch. Die Fotografien hat übrigens Illi Reuschs Mann, der bekannte Fotograf und Kunsterzieher Wolfgang Pietrzok gemacht – „der war früher auch mein Kunstlehrer“, sagt Carina Hornung.
Aber bis zum fertigen Buch war es ein langer Weg, „weil wir beide unsere Brötchen woanders verdienen“, sagt Illi Reusch. Sie selbst ist im Brotberuf Übersetzerin, arbeitet aber auch als Objekt-Künstlerin. Carina Hornung ist studierte Psychologin und studierte Künstlerin, hat eine noch nicht ganz erwachsene Tochter und betreibt seit Jahren erfolgreich das Mitmach-Atelier auf dem Saarbrücker Homburg. Da blieb nicht immer viel Zeit für gemeinsame Wilma-Tage.
Kennengelernt haben sich bei
de Künstlerinnen vor gut 15 Jahren im Umfeld des Saarbrücker Kulturund Werkhofs Nauwieser 19. Carina Hornung hatte damals dort eine Töpferwerkstatt, Illi Reusch ihr Atelier. Beide mochten sich auf Anhieb und mochten auch die künstlerische Arbeit der jeweils anderen.
Der Kontakt blieb, der Wunsch, was gemeinsam zu machen wuchs. Und so ging es irgendwann los mit Wilma. „Wir hatten ja null Ahnung“, meint Illi, „wir sind da ziemlich blauäugig rein“, ergänzt Carina. Ideen kamen und wurden verworfen, ganze Seiten entstanden und wanderten in die Tonne. „Wilmas Angst vorm Zahnarzt zum Beispiel, war uns viel zu gruselig geraten“, meint Carina, „da wäre kein Kind mehr zum Zahnarzt gegangen“. Und genau das wollen
die beiden ja nicht, dass Kinder Angst haben. Im Gegenteil: Mit Wilma können sie lernen, die Angst zu verjagen. Weil Wilma nämlich irgendwann mit ihrem Freund Ben ein Angstmonster-Angst-mach-Monster baut. Ein Monster gegen die Angst aus allem, was der Sperrmüll so hergibt. Auch das musste fürs Buch natürlich gebastelt werden.
Irgendwann sei die Phase gewesen, „wo unser Umfeld nur noch gesagt hat: Oh Gott, immer noch?“, wenn sie vom Buch-Projekt erzählten. Über einen Verlag hatten die beiden da noch nicht mal groß nachgedacht. Taten sie dann doch mal und schickten Auszüge aus Wilma – „kleine, bei dm ausgedruckte Dummys“– an ihre Lieblings-Kinderbuchverlage.
Überraschenderweise bekamen sie tatsächlich von einigen Verlagen Rückmeldungen – was nicht selbstverständlich ist. „Die haben zwar gesagt, es passt nicht in unser Programm oder wir haben gerade schon was zum Thema Angst“, sagen die beiden, „aber es kamen trotzdem richtig gute Anregungen“. Einer schlug vor, das Projekt sei schon so fertig, das könnten sie doch gleich selbst verlegen. Ein anderer empfahl, sie sollten ihre Arbeit beim „Meefisch“einreichen, dem renommierten Wettbewerb für Kinderbuch-Illustration. Das taten die beiden und schafften es tatsächlich bei rund 130 Mitbewerbern in die Runde der 20 Finalisten. „Wir haben zwar letztlich den Preis nicht bekommen, aber wir durften ausstellen, und es hat uns sehr beflügelt“, sagt Carina.
Mit neuem Mut stellten sie das Buch fertig, der saarländische Conte-Verlag nahm es ins Programm, Saartoto finanzierte den Druck. „Wilma Kleinstein und die AngstMonster“war fertig. Und es hat sich gelohnt. Das Buch ist nicht nur originell in der Machart, es macht auch pädagogisch Sinn. Der herrlich schnoddrige Text ist sehr kurz gehalten, lässt viel Raum für eigene Gedanken und Gespräche. Und am Ende liegt dem Buch auch noch ein Angstmonster-Angst-mach-Monster zum Selberbasteln bei. „Denn wie können Kinder Angst besser bewältigen als durch Kreativität“, sagt Carina Hornung. Und sowas wird ja dringender benötigt denn je. „Unser Buch hat sich aktualisiert“, sagt Carina, „weil durch Corona und den Krieg das Thema Angst bei Kindern so zugenommen hat“.
Aber Wilma scheint da helfen zu können. Die Leiterin der Saarbrücker Dellengarten-Grundschule Jessi Heide schrieb den beiden, sie habe das Buch zufällig in die Hände bekommen und gleich mit ihrer sechsjährigen Tochter gelesen. „Tatsächlich sind wir dadurch auf dem Weg zur Bewältigung ihrer speziellen Angstproblematik, bedingt durch einen sechs Monate zurückliegenden Unfall, ein gutes Stück weitergekommen“. Mehr kann man sich als Kinderbuch-Autorin ja kaum wünschen. „Wir sind richtig stolz, dass wir es durchgezogen haben“, sagt Illi Reusch. Und übrigens haben die beiden schon „1000 Ideen für Neues“. Noch mal sechs Jahre wird es vielleicht diesmal nicht dauern.