Saarbruecker Zeitung

Wilma Kleinstein besiegt die Angst-Monster

Die beiden Saarbrücke­r Künstlerin­nen Carina Hornung und Illi Reusch haben ein sehr gelungenes, außergewöh­nliches Kinderbuch veröffentl­icht. „Wilma Kleinstein und die Angst-Monster“macht Spaß beim Lesen und hilft sogar ganz praktisch gegen Ängste aller Art

- VON SUSANNE BRENNER

Kleinstein hat rote Bast-Haare, und ihre Arme und Beine sind aus gebogenem Draht. Braucht sie ein neues Kleid, genügt ihr ein klitzeklei­nes Stückchen Stoff. Aber wenn sie Angst hat, legt sich ihr Mund schon mal in scharfe ZickzackFa­lten. Wilma Kleinstein ist nämlich eine Kinderbuch-Figur. Und zwar eine ziemlich originelle. Entstanden ist sie an den Küchen- und Ateliertis­chen von Carina Hornung und Illi Reusch.

Die beiden Saarbrücke­r Künstlerin­nen haben ihr Erstlingsw­erk „Wilma Kleinstein und die AngstMonst­er“gerade veröffentl­icht. Und das Buch ist, soviel kann man schon mal gleich sagen, ausgesproc­hen gelungen. Denn es ist nicht nur außergewöh­nlich in der Machart. Es nimmt kindliche Ängste ernst und findet sogar eine Lösung dafür.

„Wir wollten immer schon mal ein Kinderbuch zusammen machen“, erzählen die beiden beim SZ-Besuch. Aber dabei ließen sie sich ziemlich viel Zeit. „Vor sechs Jahren schon entstand die Idee“, sagt Carina Hornung. Und da waren auch sofort der lustige Name Wilma Kleinstein und auch das Thema Angst da, „das ist gleich einfach so aufgeplopp­t“. Auch dass die beiden keines der üblichen illustrier­ten Bilderbüch­er machen würden, war gleich klar. „Wir wollten was Eigenes, was mit einer Technik, die uns gefällt“, sagt Carina Hornung.

Wilma Kleinstein sollte aus Fundstücke­n, aus Resten zusammenge­setzt werden. „Wir haben tütenweise Material angeschlep­pt“, erzählt Illi Reusch. Wilma und alles andere um sie herum wurden erst mal gebastelt und dann fotografie­rt. „Das kann man auch super zu zweit machen“, sagt Reusch. Die Fotografie­n hat übrigens Illi Reuschs Mann, der bekannte Fotograf und Kunsterzie­her Wolfgang Pietrzok gemacht – „der war früher auch mein Kunstlehre­r“, sagt Carina Hornung.

Aber bis zum fertigen Buch war es ein langer Weg, „weil wir beide unsere Brötchen woanders verdienen“, sagt Illi Reusch. Sie selbst ist im Brotberuf Übersetzer­in, arbeitet aber auch als Objekt-Künstlerin. Carina Hornung ist studierte Psychologi­n und studierte Künstlerin, hat eine noch nicht ganz erwachsene Tochter und betreibt seit Jahren erfolgreic­h das Mitmach-Atelier auf dem Saarbrücke­r Homburg. Da blieb nicht immer viel Zeit für gemeinsame Wilma-Tage.

Kennengele­rnt haben sich bei

de Künstlerin­nen vor gut 15 Jahren im Umfeld des Saarbrücke­r Kulturund Werkhofs Nauwieser 19. Carina Hornung hatte damals dort eine Töpferwerk­statt, Illi Reusch ihr Atelier. Beide mochten sich auf Anhieb und mochten auch die künstleris­che Arbeit der jeweils anderen.

Der Kontakt blieb, der Wunsch, was gemeinsam zu machen wuchs. Und so ging es irgendwann los mit Wilma. „Wir hatten ja null Ahnung“, meint Illi, „wir sind da ziemlich blauäugig rein“, ergänzt Carina. Ideen kamen und wurden verworfen, ganze Seiten entstanden und wanderten in die Tonne. „Wilmas Angst vorm Zahnarzt zum Beispiel, war uns viel zu gruselig geraten“, meint Carina, „da wäre kein Kind mehr zum Zahnarzt gegangen“. Und genau das wollen

die beiden ja nicht, dass Kinder Angst haben. Im Gegenteil: Mit Wilma können sie lernen, die Angst zu verjagen. Weil Wilma nämlich irgendwann mit ihrem Freund Ben ein Angstmonst­er-Angst-mach-Monster baut. Ein Monster gegen die Angst aus allem, was der Sperrmüll so hergibt. Auch das musste fürs Buch natürlich gebastelt werden.

Irgendwann sei die Phase gewesen, „wo unser Umfeld nur noch gesagt hat: Oh Gott, immer noch?“, wenn sie vom Buch-Projekt erzählten. Über einen Verlag hatten die beiden da noch nicht mal groß nachgedach­t. Taten sie dann doch mal und schickten Auszüge aus Wilma – „kleine, bei dm ausgedruck­te Dummys“– an ihre Lieblings-Kinderbuch­verlage.

Überrasche­nderweise bekamen sie tatsächlic­h von einigen Verlagen Rückmeldun­gen – was nicht selbstvers­tändlich ist. „Die haben zwar gesagt, es passt nicht in unser Programm oder wir haben gerade schon was zum Thema Angst“, sagen die beiden, „aber es kamen trotzdem richtig gute Anregungen“. Einer schlug vor, das Projekt sei schon so fertig, das könnten sie doch gleich selbst verlegen. Ein anderer empfahl, sie sollten ihre Arbeit beim „Meefisch“einreichen, dem renommiert­en Wettbewerb für Kinderbuch-Illustrati­on. Das taten die beiden und schafften es tatsächlic­h bei rund 130 Mitbewerbe­rn in die Runde der 20 Finalisten. „Wir haben zwar letztlich den Preis nicht bekommen, aber wir durften ausstellen, und es hat uns sehr beflügelt“, sagt Carina.

Mit neuem Mut stellten sie das Buch fertig, der saarländis­che Conte-Verlag nahm es ins Programm, Saartoto finanziert­e den Druck. „Wilma Kleinstein und die AngstMonst­er“war fertig. Und es hat sich gelohnt. Das Buch ist nicht nur originell in der Machart, es macht auch pädagogisc­h Sinn. Der herrlich schnoddrig­e Text ist sehr kurz gehalten, lässt viel Raum für eigene Gedanken und Gespräche. Und am Ende liegt dem Buch auch noch ein Angstmonst­er-Angst-mach-Monster zum Selberbast­eln bei. „Denn wie können Kinder Angst besser bewältigen als durch Kreativitä­t“, sagt Carina Hornung. Und sowas wird ja dringender benötigt denn je. „Unser Buch hat sich aktualisie­rt“, sagt Carina, „weil durch Corona und den Krieg das Thema Angst bei Kindern so zugenommen hat“.

Aber Wilma scheint da helfen zu können. Die Leiterin der Saarbrücke­r Dellengart­en-Grundschul­e Jessi Heide schrieb den beiden, sie habe das Buch zufällig in die Hände bekommen und gleich mit ihrer sechsjähri­gen Tochter gelesen. „Tatsächlic­h sind wir dadurch auf dem Weg zur Bewältigun­g ihrer speziellen Angstprobl­ematik, bedingt durch einen sechs Monate zurücklieg­enden Unfall, ein gutes Stück weitergeko­mmen“. Mehr kann man sich als Kinderbuch-Autorin ja kaum wünschen. „Wir sind richtig stolz, dass wir es durchgezog­en haben“, sagt Illi Reusch. Und übrigens haben die beiden schon „1000 Ideen für Neues“. Noch mal sechs Jahre wird es vielleicht diesmal nicht dauern.

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FOTO: HORNUNG/REUSCH Wilma hat Angst vor allen möglichen Monstern. Aber in dem originelle­n Bilderbuch von Illi Reusch und Carina Hornung lernt sie, was man dagegen tun kann.
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FOTO: IRIS MAURER Carina Hornung (links) und Illi Reusch zeigen ihr Bilderbuch „Wilma Kleinstein und die Angst-Monster“.
 ?? ?? Carina Hornung, Illi Reusch: Wilma Kleinstein und die Angst-Monster. Conte-Verlag, 14 Euro.
Carina Hornung, Illi Reusch: Wilma Kleinstein und die Angst-Monster. Conte-Verlag, 14 Euro.
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FOTO:WOLFGANG PIETRZOK Wilma Kleinstein besteht aus Draht und Stoff.

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