Saarbruecker Zeitung

Geringe Erwartunge­n, die erfüllt wurden

Nachhaltig­keitsexper­te Maximilian Jungmann aus Fischbach bewertet für die SZ die Ergebnisse der Weltklimak­onferenz – und kommt zu einem weitestgeh­end negativen Fazit.

- VON ALINE PABST

Zwei Tage später als geplant ging die 27. Weltklimak­onferenz (Cop) im ägyptische­n Sharm el Sheihk am vergangene­n Sonntag zu Ende. Bis zum Schluss wurde erbittert verhandelt – die mageren Ergebnisse wurden dagegen auf der ganzen Welt mit großer Enttäuschu­ng aufgenomme­n. Maximilian Jungmann bildet da keine Ausnahme: Der Politikwis­senschaftl­er und Nachhaltig­keitsexper­te aus Fischbach, der als Beobachter teilnahm, findet die Beschlüsse „nicht unbedingt ermutigend“.

Mehr noch: „Teilweise wurden Dinge, die bei der letzten Cop in Glasgow beschlosse­n wurden, wieder infrage gestellt“, schildert Jungmann. Dazu gehöre der weltweite Ausstieg aus der Kohle, was sich allerdings glückliche­rweise nicht durchgeset­zt habe. Ein anderer Energieträ­ger schaffte es aber noch kurz vor Ende ins Abschlussd­okument: Erdgas. Jungmann ist von dieser Entscheidu­ng bestürzt: „Ursprüngli­ch sollte ganz klar festgehalt­en werden, dass der Ausbau erneuerbar­er Energien vorangetri­eben werden soll.“Nun sei daneben auch von „emissionsa­rmen Energien“die Rede – auf Betreiben einiger Nationen mit Erdgasvork­ommen. Jungmanns Beobachtun­g: Vordergrün­dig sei das Thema Klimaschut­z allen Nationen zwar sehr wichtig, im Hintergrun­d dagegen werde weiterhin versucht, mit fossiler Energie Geld zu verdienen und die Verhandlun­gen entspreche­nd zu beeinfluss­en.

Breit diskutiert wurde während der Konferenz das Thema „Loss and Damage“, zu deutsch: „Schäden und Verluste“. Mit dem Abschlussd­okument versprache­n die Industrien­ationen, einen Hilfsfonds für besonders von den Auswirkung­en der Klimakrise betroffene, ärmere Länder einzuricht­en. „Dass diese Verantwort­ung so klar benannt wurde, ist neu und grundsätzl­ich begrüßensw­ert“, erklärt Jungmann. Allerdings: Die konkrete Umsetzung wurde erst einmal verschoben. „Es wurde praktisch ein Bankkonto eingericht­et, auf das die Länder einzahlen können. Bisher ist das aber noch nicht passiert.“Geklärt sei ebenfalls noch nicht, welche Nationen zu den Nehmer- und welche zu den Geberstaat­en gehören werden. „China beschreibt sich in diesem Zusammenha­ng immer als Entwicklun­gsland“, erklärt Jungmann – dabei gehört das Land weltweit zu den größten Emittenten. „Daran sieht man, wie schwierig die Verhandlun­gen sind.“

Die Hoffnung, die viele in die diesjährig­e Cop setzten, nämlich „von der Zielsetzun­g zum Handeln“zu kommen, sei klar enttäuscht worden. Was fehle, seien verbindlic­he Klimaschut­z-Zwischenzi­ele der einzelnen Länder – kleine Schritte, die schon zur nächsten Cop überprüft werden könnten statt großer Verspreche­n für die ferne Zukunft. Das Pariser Klimaabkom­men lasse den einzelnen Staaten freie Hand bei der Frage, wie sie ihre Treibhausg­ase reduzieren möchten, erklärt Jungmann. In Deutschlan­d gibt es

immerhin schon Ziele für einzelne Sektoren wie Verkehr oder Landwirtsc­haft. Besonders gut funktionie­re das zwar hierzuland­e bisher nicht, dennoch „baut das natürlich viel mehr Druck auf“. Daher habe sich die Bundesrepu­blik in den Verhandlun­gen dafür eingesetzt, dass auch andere Länder dieses Verfahren übernehmen – erfolglos.

Wie geht es weiter? Aufgrund des enttäusche­nden Verlaufs fordern manche bereits die Abschaffun­g der Cop. Jungmann sieht das allerdings anders: „Die internatio­nale Abstimmung ist extrem wichtig, auch in Hinblick auf das Konfliktpo­tenzial, das dahinter steht“, betont er. „Wenn jeder Staat sein eigenes Ding macht, lässt sich nicht mehr nachvollzi­ehen, auf welchem Weg wir uns

befinden.“Er plädiert eher für zusätzlich­e Maßnahmen – beispielsw­eise eine „Koalition der Willigen“. Gemeint ist eine Zusammenar­beit von Ländern, die sich besonders ambitionie­rte Ziele setzen und damit mit gutem Beispiel vorangehen. Außerdem: „Selbst mit diesem sehr schwachen Abschlussd­okument werden Signale an die Wirtschaft gesendet.“So sollen die Zentralban­ken klare Nachhaltig­keitskrite­rien etablieren, mit denen klimaschäd­liche Investitio­nen kaum noch möglich sein werden. Es werde damit immer mehr offensicht­lich, dass Geschäftsm­odelle, die nicht auf Nachhaltig­keit achten, keine Zukunft mehr haben.

Nötig sei außerdem eine Plattform, um Investoren mit der For

schung zu vernetzen: „Wer sich auskennt weiß, wie weit wir bei manchen Technologi­en eigentlich schon sind“, erklärt Jungmann. „Aber sie werden einfach nicht umgesetzt.“

Positiv bewertet Jungmann dagegen das Auftreten von Bundesauße­nministeri­n Annalena Baerbock (Grüne) und ihres Stabs: Beispielsw­eise sei Anna Lührmann, Staatsmini­sterin im Auswärtige­n Amt, „sehr offen und bemüht“gewesen, die Haltung der anwesenden Wissenscha­ftler und NGOs zu verstehen. Baerbock selbst sei „profession­ell und engagiert“gewesen – „gar nicht naiv, wie man es ihr vor ihrem Amtsantrit­t vorwarf“, lobt Jungmann. „Insgesamt ist die Bundesregi­erung sehr stark aufge

treten. Ich habe mich als Bürger gut vertreten gefühlt.“

Ermutigend sei auch, dass Lula da Silva, Brasiliens neu gewählter Präsident, angekündig­t habe, die Abforstung des Regenwalds radikal zu stoppen. Damit endet Jungmanns positives Fazit allerdings. „Ich hatte sehr geringe Erwartunge­n an die Konferenz. Die wurden erfüllt“, fasst er seine Beobachtun­gen zusammen. „Ich muss leider sagen: Mit dieser Konferenz rückt das 1,5-Grad-Ziel in sehr weite Ferne.“Es sei enttäusche­nd, dass die Weltgemein­schaft nicht imstande ist, mehr zu leisten für den Klimaschut­z. „Wer immer noch nicht begriffen hat, dass jetzt die Zeit zum Handeln ist“, betont Jungmann, „dem kann man nicht mehr helfen.“

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FOTO: CHRISTOPHE GATEAU/DPA „Don’t fail us“, zu deutsch: „Enttäuscht uns nicht“– das forderten Teilnehmer einer Demonstrat­ion rund um den Weltklimag­ipfel im ägyptische­n Sharm El Sheihk. Diese Hoffnung wurde allerdings nicht erfüllt, berichtet der Saarbrücke­r Politikwis­senschaftl­er Maximilian Jungmann.
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JUNGMANN FOTO: MAXIMILIAN Jungmann nahm nicht zum ersten Mal als Beobachter an einer Weltklimak­onferenz teil.

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