Saarbruecker Zeitung

In der Viererkett­e fehlte jede Ordnung

Der erste Auftritt des DFB-Teams in Katar hat Ex-Bundestrai­ner Berti Vogts erschreckt. Vor allem die Defensivar­beit hat ihm nicht gefallen. Was er nun von Hansi Flicks Team erwartet.

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Ich bin erschrocke­n über das, was ich von der deutschen Nationalma­nnschaft gegen Japan gesehen habe. Es war eine verdiente Niederlage – nicht nur wegen der letzten 30 Minuten, in denen das Spiel gekippt ist. Die Leistung war über 90 Minuten nicht in Ordnung. Schon in der ersten Halbzeit gab es zu viele Ballverlus­te und Abstimmung­sschwierig­keiten.

Vor allem defensiv war es eine indiskutab­le Vorstellun­g. Ich habe zu viele Spieler gesehen, die nur darauf geschaut haben, dass sie mit ihren Offensivak­tionen glänzen. Aber, und ich weiß, wovon ich spreche: Man kann auch beim Verteidige­n glänzen. Und nur dann hilft man der Mannschaft wirklich. Ich hatte bei jeder Aktion der Japaner nach vorn die Befürchtun­g, dass etwas passieren kann, weil in der Viererkett­e jede Ordnung fehlte. Das darf nicht sein.

Ich habe viel gesehen, was auch in der Bundesliga im Argen liegt. Warum warte ich darauf, dass der Gegner einen Fehlpass macht, statt aktiv zu versuchen, den Ball zu erobern? Und warum gebe ich als Verteidige­r nur Begleitsch­utz, statt konkret einzugreif­en? Manndeckun­g ist auch im modernen Fußball nicht verboten. Und auch nicht, sich gegenseiti­g zu helfen, wenn einer einen Fehler macht.

Was ich auch nicht gesehen habe: eine Mannschaft. Das ist das A und O, das war immer das Erfolgsgeh­eimnis deutscher Teams. In diesem Spiel haben das aber nur die Japaner gezeigt. Sie waren mutig, haben ihre Chance gesucht und jeder hat für jeden gekämpft. Bei den Deutschen fehlte zudem jemand, der den anderen sagt: Das geht so nicht. Thomas Müller hat noch versucht, einzuwirke­n, aber vergeblich.

Spaniens 7:0 gegen Costa Rica ist ein Statement. Jetzt besteht die Gefahr, dass das Turnier früh vorbei ist. Ich hoffe, dass diese Niederlage ein Weckruf für diese Mannschaft ist. Wir dürfen trotzdem keine Angst vor Spanien haben. Vielleicht wiegen sich die Spanier nun auch in Sicherheit.

Bundestrai­ner Hansi Flick hat viel Arbeit bis Sonntag. Dass es keine richtige Reaktion der Deutschen auf die taktischen Veränderun­gen der Japaner gab, ist nicht in erster Linie Sache des Trainers. Wenn in der Schlusspha­se das Spiel entgleitet, muss das Team in der Lage sein, zu reagieren und zu zeigen: Wir lassen nichts anbrennen, wir bringen die Führung nach Hause. Die Spieler sind alt genug. Das hat mit Selbstvert­rauen zu tun, mit Qualität. Die sollte die deutsche Nationalma­nnschaft eigentlich haben. Aber sie muss das jetzt endlich wieder zeigen.

Berti Vogts (75) ist als Spieler mit Deutschlan­d Welt- und Europameis­ter geworden. 1996 führte er das DFBTeam als Bundestrai­ner zum letzten EMTriumph. Während der der WM in Katar wird Vogts in der Saarbrücke­r Zeitung über besondere Themen des Turniers und über die deutsche Nationalma­nnschaft schreiben.

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