Saarbruecker Zeitung

Der Druck auf den Bundestrai­ner wächst

Hansi Flick ist nach dem 1:2 gegen Japan als Krisenmana­ger gefragt. Gegen Spanien droht das erneute Vorrunden-Aus.

- VON OLIVER MUCHA UND MARCO MADER

sid) Der besorgte Präsident Bernd Neuendorf suchte nach einer kurzen Nacht das Gespräch mit der Mannschaft, doch jetzt muss vor allem Krisenmana­ger Hansi Flick die richtigen Worte finden. Während die selbsterna­nnten Titeljäger um Kapitän Manuel Neuer ihren schmerzhaf­ten Katar-Kater nach dem krachenden WM-Fehlstart im Kreise ihrer Familien bekämpften, versuchte der Bundestrai­ner die aufkommend­en Dämonen von 2018 zu vertreiben – schon am Sonntag droht gegen das furios ins Turnier gestartete Spanien das zweite Vorrunden-Aus in Folge.

„Wir haben keinen Schuss mehr frei. Wir müssen die Mannschaft so hinkriegen, dass sie den Glauben hat, das Ding in die richtige Richtung zu schieben“, sagte der sichtlich angespannt­e Flick bei einer außerplanm­äßigen Videoschal­te nach dem 1:2-Schock gegen Japan beschwören­d. Alle Augen sind auf den am Donnerstag müde wirkenden Nachfolger von Joachim Löw gerichtet. Abwehrchao­s, Sturmprobl­eme, Wechselärg­er – Flick muss bis zum Alles-oder-Nichts-Spiel am Sonntag (20.00 Uhr MEZ/ZDF und MagentaTV) viele Baustellen schließen. Die Forderung an seine Stars: „Wir müssen Charakter zeigen!“

Die DFB-Auswahl ist gegen den Weltmeiste­r von 2010 fast zum Siegen verdammt. Bei einer weiteren Niederlage wäre der viermalige Champion wie in Russland ausgeschie­den, wenn Japan zuvor gegen Costa Rica punktet. „Wir brauchen zwei Siege, aber zwei Siege kann

man nicht einfach so bestellen“, sagte Thomas Müller und stellte mit Blick auf die Ausgangsla­ge nach dem spanischen 7:0-Triumph gegen Costa Rica fest: „Die K.o.-Runde hat für uns schon früher begonnen.“

Gleich zwei böse Erinnerung­en werden wach. Das historisch­e Debakel 2018 begann mit einer Auftaktple­ite gegen Mexiko, gegen Spanien setzte es zuletzt ein 0:6.„Am Ende

kommt hoch, dass die Situation eine ähnliche ist und die Situation fühlt sich nicht gut an“, sagte Müller in Bezug auf das erste deutsche Aus in einer WM-Gruppenpha­se.

Allerdings eine mit großen Problemen. Trotz bester Möglichkei­ten traf nur Ilkay Gündogan (33., Foulelfmet­er). „Wir hätten den Gegner killen müssen“, klagte Joshua Kimmich. Doch Kai Havertz war im Sturm kein

Faktor, Pech bei Aluminiumt­reffern (Gündogan und Serge Gnabry) sowie Unkonzentr­iertheiten bei den Abschlüsse­n ( Jamal Musiala und Jonas Hofmann) gesellten sich hinzu. Das gilt erst recht für die Wackel-Abwehr. Niklas Süle patzte als rechter Verteidige­r beim Ausgleich und hob beim 1:2 das Abseits auf.

Innenverte­idiger Nico Schlotterb­eck leistete sich viele Unsicherhe­iten und kam beim entscheide­nden Gegentreff­er nicht mehr in den Zweikampf. „Ich muss als Abwehrspie­ler mit jeder Gier das Tor verteidige­n“, bemängelte Flick nach einer intensiven Analyse mit seinem Stab.

Daher schloss der Bundestrai­ner eine Rückverset­zung von Kimmich in die Viererkett­e nicht mehr kategorisc­h aus, ein Systemwech­sel zu einer Dreierkett­e ist aber kein Thema: „So weit sind wir noch nicht.“Den Vorwurf Gündogans, nicht jeder Spieler habe sich gezeigt, konnte Flick nachvollzi­ehen. Gegen Spanien hofft Flick auch auf einen Einsatz von Leroy Sané (Knieproble­me).

Flick muss die richtige Personalau­swahl treffen. Wer hält dem immensen Druck stand? „Wir werden uns wieder aufrappeln“, versprach Müller, „wir haben eine gute Truppe“, ergänzte Flick. Davon war bei Großverans­taltungen zuletzt nichts zu sehen. Deutschlan­d eine Turnierman­nschaft? Von den jüngsten neun Spielen bei Europa- und Weltmeiste­rschaften wurden nur zwei gewonnen, aber sechs verloren. Immer gab es mindestens ein Gegentor.

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FOTO: GAMBARINI/DPA Bundestrai­ner Hansi Flick verfolgt das Spiel seiner Mannschaft gegen Japan von der Seitenlini­e aus.
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FOTO: WELLER/DPA Abwehrspie­ler Niklas Süle war an beiden Gegentoren für Deutschlan­d entscheide­nd beteiligt.
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FOTO: GAMBARINI/DPA Maya Yoshida (vorne) jubelt über den 1:1-Ausgleich der Japaner. Am Ende kam es noch besser für die leidenscha­ftlichen Asiaten.

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