Saarbruecker Zeitung

Lindner hat recht, wenn er auf die Schuldenbr­emse pocht

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Die Bundesregi­erung will im kommenden Jahr 476 Milliarden Euro ausgeben. Aber das ist nur die offizielle Summe, die im Bundeshaus­halt 2023 steht, den der Bundestag an diesem Freitag abgesegnet hat. In Wahrheit plant die Ampel-Koalition mit viel höheren kreditfina­nzierten Ausgaben. In mehreren sogenannte­n Sonderverm­ögen hat die Ampel sich voluminöse Ausgabentö­pfe geschaffen, die überwiegen­d mit neuen Schulden finanziert werden. Der größte von ihnen ist der Wirtschaft­sstabilisi­erungsfond­s ( WSF), gefüllt mit 200 Milliarden Euro. Daraus will die Regierung bis 2024 alle die Maßnahmen bezahlen, die sie zur Bekämpfung der Energiepre­iskrise auf den Weg bringt. Und noch ist kein Ende dieser Maßnahmen abzusehen: Erst in dieser Woche wurden neue Januar- und Februar-Hilfen für Bürger und Unternehme­n beschlosse­n, bevor ab März die Gas- und Strompreis­bremse wirken soll. Weitere 100 Milliarden Euro stehen für die bessere Ausrüstung der Bundeswehr zur Verfügung. Und noch einmal 60 Milliarden Euro hat die Ampel im Klima- und Transforma­tionsfonds geparkt, um die Folgen der Klimakrise zu lindern.

In nur knapp einem Jahr hat die Ampel damit 360 Milliarden Euro an neuen Schulden vorgesehen – zusätzlich zur Neuverschu­ldung in den „normalen“Etats von 140 Milliarden Euro im laufenden und 45 Milliarden Euro im kommenden Jahr. Insgesamt bläht die Ampel, Stand heute, die Verschuldu­ng des Bundes um fast 550 Milliarden

Euro auf. Vor der Pandemie war der Bund mit einer Billion Euro verschulde­t, bald dürften es zwei Billionen sein.

Bei diesen Summen kann einem mulmig werden – insbesonde­re, wenn man der jüngeren Generation angehört. Denn die Zahl derer, die künftig noch Steuern und Abgaben zahlen, nimmt demografie­bedingt ab. Während zugleich der Ausgabendr­uck in den öffentlich­en Haushalten wächst – wegen der Klimakrise, wegen des Investitio­nsstaus, wegen wachsender Sicherheit­sprobleme und vor allem wegen der alternden Gesellscha­ft. Kranken-, Pflege- und Rentenvers­icherung werden zunehmend auf Steuerzusc­hüsse angewiesen sein, weil Beitragsei­nnahmen allein nicht mehr ausreichen. Hinzu kommen wieder steigende Zinsen. 2023 muss der Bund bereits wieder 38 Milliarden Euro für Zinsen einplanen, vor zwei Jahren waren es nur vier. Durch immer höhere Zinsund Tilgungsau­sgaben verliert der Bund finanziell­en Spielraum für andere, sinnvoller­e Ausgaben.

Ukraine-Krieg, Corona-Krise, Klima-Krise – sie haben einen aktiven Staat notwendig gemacht und rechtferti­gen die deutlich höhere Neuverschu­ldung. Ein anhaltende­r Schuldenku­rs wäre jedoch nicht nachhaltig, gerade in einer alternden Gesellscha­ft. Richtig ist daher, dass der Finanzmini­ster auf die Einhaltung der Schuldenbr­emse ab 2023 pocht. Die Regierung darf aber ihre Glaubwürdi­gkeit nicht aufs Spiel setzen, indem sie immer neue Schattenha­ushalte schafft und die wahre Verschuldu­ng verschleie­rt. Bisher tritt die Ampel alles andere als auf die Schuldenbr­emse. Im Rest der Legislatur­periode darf das nicht so weitergehe­n.

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