Saarbruecker Zeitung

Was der Bundeswehr-Abzug für Mali bedeutet

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(dpa) Die Bundesregi­erung will die Bundeswehr bis Mai 2024 von der Mission der Vereinten Nationen (Minusma) in Mali abziehen. Diese hat die Stabilisie­rung des Krisenstaa­tes zum Ziel. Welche Gründe gibt es für den Abzug? Und mit welchen Folgen für die Sicherheit in Mali ist zu rechnen? Ein Überblick:

Die Bundesregi­erung zieht die Konsequenz­en aus einem monatelang­en Streit mit den Militärmac­hthabern Malis, was etwa Überflugre­chte der Bundeswehr angeht. Zuletzt hatte Malis Regierung auch eine geplante Einreise des deutschen Generalins­pekteurs Eberhard Zorn – Deutschlan­ds ranghöchst­er Soldat – praktisch unmöglich gemacht, indem Visaregelu­ngen verschärft worden waren. Das 20-MillionenE­inwohner-Land hat seit 2012 drei Militärput­sche erlebt – allein zwei

folgten 2020 und 2021 aufeinande­r. Im Februar 2024 soll es laut Übergangsr­egierung Präsidents­chaftswahl­en geben.

Deutschlan­d ist mit 1200 Soldatinne­n und Soldaten der größte

europäisch­e Truppenste­ller für die Minusma. „Die Bundeswehr geht, aber andere, vor allem afrikanisc­he Länder, bleiben ja bei der Minusma. Fakt ist allerdings, dass mit dem Abzug Deutschlan­ds sehr gut ausgebilde­te Soldaten mit modernster Ausrüstung Mali verlassen“, sagt Christian Klatt, Leiter der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) in Bamako. Es müsse geklärt werden, wie die Minusma oder auch eine andere Mission weitermach­en könnten. Vor Deutschlan­d hatten bereits Frankreich, Großbritan­nien und Dänemark den Abzug der eigenen Truppen angekündig­t und zum Teil mit der Präsenz von russischen Söldnern der Wagner-Gruppe begründet.

Nach dem Scheitern des westlichen Engagement­s in Afghanista­n im Sommer vergangene­n Jahres ist der einzige große Auslandsei­nsatz der Bundeswehr der in Mali. Aber: Die terroristi­schen und kriminelle­n, gewaltbere­iten Akteure in Mali seien nicht mit denen in Afghanista­n zu vergleiche­n, so der Politikwis­senschaftl­er Kamara aus Bamako. Allerdings gelte mit dem Abzug der Bundeswehr: „Die Terroriste­n werden sich freier bewegen können, auch über Mali hinaus.“Entscheide­nd sei, das eineinhalb Jahre große Zeitfenste­r des angekündig­ten Abzugs zu nutzen, sagt FES-Büroleiter Klatt. Deutschlan­d müsse überlegen, was jenseits der militärisc­hen Unterstütz­ung, etwa mit Stiftungsa­rbeit, Entwicklun­gshilfe und politische­r Begleitung möglich sei.

Extreme Armut, mangelnde Bildung und Perspektiv­en sowie Geschlecht­erungerech­tigkeit bringen Mali beim Human Developmen­t Index der UN auf den drittletzt­en Platz von 189 Ländern. Haupttreib­er dahinter: Die anhaltende Gewalt vor allem im Norden und Zentrum Malis. 2022 wird nach Analysen der Nichtregie­rungsorgan­isation ACLED voraussich­tlich das Jahr mit den meisten Toten seit Beginn des Konflikts. „Die Zivilbevöl­kerung wird verschlepp­t, vergewalti­gt und getötet, teilweise von malischen

Soldaten, von Dschihadis­ten, von mutmaßlich­en Wagner-Söldnern oder lokalen Milizen“, schildert der Anwalt Drissa Traoré von der Menschenre­chtsorgani­sation FDHI Zeugenberi­chte von Betroffene­n in Zentralmal­i. „Nach Europa aufzubrech­en, braucht sehr viel Geld, aber die Menschen in der Sahel-Region haben das nicht“, sagt Kamara. Vielmehr migrierten die meisten innerhalb Malis oder der Sahel-Region. Seit Beginn der Krise in Mali 2012 haben vergleichs­weise nur sehr wenige Menschen aus dem Sahel-Staat Asyl in Deutschlan­d beantragt. So kamen laut Bundesamt für Migration und Flüchtling­e 2016, dem Jahr mit einem Rekordwert an Asylanträg­en (745 545) lediglich 1283 Anträge von malischen Staatsbürg­ern. Am beliebtest­en ist noch Frankreich als EU-Zielland.

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