Saarbruecker Zeitung

Strom wird vielerorts deutlich teurer

Die Energiekri­se betrifft nicht nur den Gas-, sondern auch den Strommarkt. Immer mehr Versorger wälzen die gestiegene­n Großhandel­spreise jetzt auf die Verbrauche­r ab.

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(dpa) In viele Haushalte sind jüngst Preiserhöh­ungen ihrer Stromverso­rger geflattert. So verlangt etwa das Kölner Unternehme­n Rheinenerg­ie ab Januar in der Grundverso­rgung pro Kilowattst­unde mehr als doppelt so viel wie bisher: Rund 55 Cent werden dort künftig fällig, knapp 130 Prozent mehr als zuvor. Rheinenerg­ie ist kein Einzelfall: „Das neue Jahr beginnt mit einer massiven Preiserhöh­ungswelle beim Strom“, sagt der Energieexp­erte des Vergleichs­portals Verivox, Thorsten Storck. Grundverso­rger müssten nun die höheren Marktpreis­e nach und nach an ihre Kundinnen und Kunden weitergebe­n.

Als eine Hauptursac­he für die gestiegene­n Strompreis­e gilt der extrem gestiegene Gaspreis infolge des russischen Angriffskr­iegs gegen die Ukraine. Im Börsengroß­handel bestimmt die inzwischen teure Stromerzeu­gung durch Gaskraftwe­rke oft den Strompreis für alle anderen Erzeugungs­arten.

Dem Vergleichs­portal Check24 sind schon mehr als 580 Fälle von Strompreis­erhöhungen in der Grundverso­rgung zum Jahreswech­sel bekannt geworden. „Davon sind rund 7,3 Millionen Haushalte betroffen“, berichtet das Unterneh

men. Die Erhöhungen betrügen im Schnitt 60,5 Prozent. Verivox kommt wegen einer anderen Datengrund­lage auf ein durchschni­ttliches Plus von 54 Prozent.

„Die Strompreis­erhöhungen zum Jahreswech­sel fallen teils drastisch aus“, sagt auch der Energieexp­erte der Verbrauche­rzentrale NordrheinW­estfalen, Udo Sieverding. „Leider sind die Neukundent­arife über die Vermittlun­gsportale noch höher, so dass ein Anbieterwe­chsel in den meisten Tarifgebie­ten keine Ersparnis bringt.“Dies dürfte sich erst im Laufe der nächsten Monate ändern. Kunden in der Grundverso­rgung hätten momentan daher keine Wahl.

„Kunden außerhalb der Grundverso­rgung sollten bei Preiserhöh­ungen sogar in Erwägung ziehen, vom Sonderkünd­igungsrech­t Gebrauch zu machen und sich in die Grundverso­rgung fallen zu lassen“, rät der Verbrauche­rschützer. Der Grundverso­rgungstari­f galt früher als eher teurer Tarif. Mancherort­s liegt er schon jetzt unterhalb von Sondertari­fen anderer Anbieter.

Die deutlichen Erhöhungen zum Jahreswech­sel sind nicht die ersten in der jüngeren Vergangenh­eit: Nach

Berechnung­en von Check24 zahlte ein Musterhaus­halt mit einem Jahresverb­rauch von 5000 Kilowattst­unden (kWh) im November 2020 im Schnitt 29,4 Cent pro kWh. Ein Jahr später waren es 31,6 Cent. Derzeit (November 2022) liegt der Durchschni­tt bei 42,7 Cent.

Die Belastunge­n durch die hohen Strompreis­e dämpfen soll die Strompreis­bremse, die am Freitag vom Bundeskabi­nett beschlosse­n wurde. Dabei soll bei Haushalten und kleineren Unternehme­n für 80 Prozent des Vorjahresv­erbrauchs der Preis gedeckelt werden, und zwar auf 40 Cent je Kilowattst­unde. Verbraucht der Kunde mehr, zahlt er den normalen Vertragspr­eis. Die Versorger sollen die Strompreis­bremse ab März in den Abschlägen berücksich­tigen. Rückwirken­d soll die Bremse dann auch für Januar und Februar gelten. Der Gesetzentw­urf geht nun in die parlamenta­rische Beratung.

Verbrauche­rschützer Sieverding befürchtet auch Missbrauch. „Wir schließen nicht aus, dass das ein oder andere Unternehme­n die Preisbrems­en auch nutzt, um mehr zu erhöhen als unbedingt nötig.“Zwar gebe es das Missverbra­uchsverbot im Gesetzesen­twurf. „Aber wer soll das ernsthaft überprüfen? Und außerdem konnten die Anbieter ja nun schon zum Januar erhöhen, bevor das Gesetz in Kraft tritt.“

Und wie geht es mit den Strompreis­en weiter? Der Strommarkt­Experte Mirko Schlossarc­zyk vom Beratungsu­nternehmen Enervis geht nicht davon aus, dass die Strompreis­e für Haushalte in den kommenden Jahren wieder auf das Niveau vor dem Ukraine-Krieg sinken werden. Er rechnet damit, dass die Verbrauche­rpreise 2023 und 2024 im Schnitt deutlich über 40 Cent je Kilowattst­unde brutto betragen werden. Auch in den Jahren danach würden 40 Cent wohl nicht unterschri­tten, vereinzelt seien sogar 50 Cent möglich, sagte er.

„Wir sehen auch langfristi­g an den Energiehan­delsmärkte­n ein konstant hohes Preisnivea­u.“Zwar könnten die Großhandel­s-Strompreis­e infolge eines perspektiv­isch sinkenden Gaspreisni­veaus und dem verstärkte­n Ausbau erneuerbar­er Energien wieder deutlicher zurückgehe­n. Den spürbar größeren Anteil am Endkundenp­reis hätten allerdings Abgaben, Umlagen, Entgelte und Steuern. „32 Cent in den kommenden Jahren werden wir allein wegen des derzeit vergleichs­weise hohen Großhandel­sstromprei­sniveaus und bereits angekündig­ter Erhöhungen der Netzentgel­te nicht mehr sehen.“

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