„Ihre Schmerzen müssen riesig sein“
Im Vergewaltigungsprozess schilderte der Vater der Grünen-Politikerin Jeanne Dillschneider, wie seine Tochter ihm von den mutmaßlichen Taten berichtete. Er zitierte dabei auch aus seinem eigenen Tagebuch.
Im Prozess um die mutmaßliche zweifache Vergewaltigung der Grünen-Politikerin Jeanne Dillschneider durch den SPD-Fraktionsmitarbeiter S. hat am Freitag der Vater Dillschneiders im Saarbrücker Landgericht ausgesagt. Er habe den Angeklagten 2017 bei einem gemeinsamen Mittagessen und Spaziergang kennengelernt, schilderte der Vater des mutmaßlichen Opfers, vor Gericht. Der Mitarbeiter der SPD-Landtagsfraktion, S., sei ihm dabei als Freund seiner Tochter vorgestellt worden. Erst ein Jahr später, im November 2018, habe diese ihm von der mutmaßlich zweifachen Vergewaltigung erzählt. „Es war ein sehr emotionaler Tag“, sagte der Zeuge vor Gericht. Bei einem gemeinsamen Essen mit der Familie habe sich seine Tochter ihm gegenüber geöffnet. „Mein erster Gedanke war, ich muss nach Saarbrücken und mir den suchen“, so der Vater im Zeugenstand. Auch habe er seine Tochter explizit gefragt, ob es sich bei den Übergriffen um eine Vergewaltigung gehandelt habe. Diese habe das bejaht. Seine Frau habe schon zuvor von den mutmaßlichen Vergewaltigungen gewusst, so Dillschneiders Vater.
Auch einen eigenen Tagebucheintrag zitierte der Vater vor Gericht. Verfasst hatte er ihn am 5. November 2018, genau ein Jahr nach der zweiten mutmaßlichen Vergewaltigung. „Jeanne hat erzählt, dass sie vor einem Jahr vergewaltigt wurde. Das erklärt vieles. Sie hat ein Jahr gebraucht, um über die Dinge zu sprechen. Ihre Schmerzen müssen riesig sein“, heißt es darin.
Im Folgejahr, im September 2019, habe er erlebt, wie seine Toch
ter kurz vor einem gemeinsamen Mittagessen auf dem St. Johanner Markt in Saarbrücken „wie aus dem Nichts“zusammengebrochen sei. Auslöser des Zusammenbruchs sei gewesen, dass Jeanne Dillschneider kurz zuvor die SPD-Politikerin Kira Braun gesehen habe, berichtet der Vater. Die SPD-Landtagsabgeordnete Braun ist seit April 2018 die neue Freundin des Angeklagten S.
Der Vater sagte weiter aus, Jeanne Dillschneider habe sich nach den mutmaßlichen Vergewaltigungen
verändert: „Vorher war meine Tochter immer fröhlich und zugänglich, ein Sonnenschein. Danach war sie dünnhäutig und in sich gekehrt.“Neben dem Vater wurde am Vormittag auch ein Parteifreund vor dem Landgericht angehört. Er berichtete von einem erneuten Zusammenbruch Dillschneiders an einem Infostand für die Kommunalwahlen 2019 in Saarbrücken. Auslöser sei wieder die SPD-Politikerin Kira Braun gewesen, die Dillschneider kurz zuvor gesehen habe. Ihm gegenüber habe Dillschneider aber nach ihrem Zusammenbruch nicht von den Vergewaltigungen berichtet. Mit Kira Braun habe es nur eine unangenehme Vorgeschichte gegeben, habe Dillschneider ihrem Parteifreund gesagt.
Thema war im Prozess erneut eine Nachricht Dillschneiders im Kurznachrichtendienst Twitter vom August 2020. Dort hatte die Politikerin geschrieben: „Ich habe meinen
Vergewaltiger angezeigt. Es reißt die Wunden immer wieder auf, zehrt an mir. Aber ich habe es getan, weil ich an unseren Rechtsstaat glaube. Weil ich heilen will. Weil ich, egal was passiert, für die Wahrheit für mich und andere Frauen kämpfen werde.“
Der Verteidiger von S. warf Dillschneider vor, sie habe von sich aus die Öffentlichkeit gesucht. Dillschneiders Anwältin Claudia Willger-Lambert konterte: Ihre Mandantin habe sich nie öffentlich oder in der Partei zu den konkreten Vorwürfen geäußert, bevor Medien über den Fall berichteten. Dillschneider habe die Öffentlichkeit auch nicht genutzt, um vor Prozessbeginn „Oberwasser“zu bekommen und S. oder Kira Braun einzuschüchtern, wie von der Verteidigung behauptet, so die Anwältin.
Am Prozesstag am Freitag stand außerdem noch die Vernehmung der Therapeutin Dillschneiders an. Auch
Jeanne Dillschneider selbst sagte noch einmal aus. Zu beiden Aussagen beantragte Claudia Willger-Lambert, Anwältin des mutmaßlichen Vergewaltigungsopfers, aber den Ausschluss der Öffentlichkeit. Der Richter gab dem statt und begründete dies mit dem Schutz der Persönlichkeitsrechte Dillschneiders.
Dem Ex-Freund Dillschneiders, einem Mitarbeiter der SPD-Landtagsfraktion, wird vorgeworfen, die Politikerin während ihrer Beziehung im Jahr 2017 zwei Mal vergewaltigt zu haben. S. bestreitet die Taten. In der Anklageschrift steht: S. sei am Abend des 16. Septembers 2017 völlig betrunken in die Saarbrücker Wohnung der Diplom-Juristin und Referendarin der Saar-Justiz gekommen. Dort habe er sie zum Geschlechtsverkehr gezwungen. Dabei habe sie geweint und gewürgt. Der zweite Fall soll sich laut Anklage am 5. Dezember 2017 in Dillschneiders Wohnung ereignet haben.
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