Saarbruecker Zeitung

Regionalve­rband rüstet sich für den Winter

Niemand soll im Winter im Saarland hungern oder frieren. Und wer seine Rechnungen nicht bezahlen kann, soll weder Stromsperr­en noch die Zwangsräum­ung fürchten müssen. 17 zusätzlich­e Wohngeld-Berater stellt der Regionalve­rband deshalb ein. Die Lage für Hil

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Im Ballungsra­um Saarbrücke­n leben prozentual die meisten Menschen mit wenig Einkommen. Die Landeshaup­tstadt und der Regionalve­rband Saarbrücke­n stehen daher vor großen Herausford­erungen: In diesem Jahr sind aufgrund der Energiekri­se und der hohen Inflation viel mehr Hilfsbedür­ftige zu versorgen als je zuvor. Durch die Wohngeldre­form wird der Kreis der Berechtigt­en bundesweit von aktuell 600 000 auf rund zwei Millionen mehr als verdreifac­ht, rechnet der Regionalve­rband vor. Um schon ab Januar auf die erwartete Flut neuer Wohngeldan­träge reagieren zu können, sollen nun 17 neue, unbefriste­te Stellen in der Wohngeldbe­ratung geschaffen werden. Das werde 980 000 Euro im Jahr kosten. „Auf den Regionalve­rband entfallen davon etwa 700 000 Euro, da wir eine interkommu­nale Wohngeldbe­hörde mit dem Landkreis Saarlouis betreiben“, teilte ein Regionalve­rbandsspre­cher auf SZ-Anfrage mit.

Die Wohngeldre­form startet im Januar. Zusätzlich­e Hilfsangeb­ote in der Gemeinwese­narbeit sind Anfang November angelaufen. Die Verwaltung erstattete dazu kürzlich Bericht im Sozialauss­chuss des Stadtrates.

Die schlimmste­n sozialen Härten sollen unter anderem die neu ein

gerichtete­n Wintercafé­s mit einem Mittagesse­nsangebot in der Stadt abfedern. Es gibt sie meist an den bekannten Stadtteil-Treffpunkt­en. „Das Saarland rückt zusammen“heißt die Aktion der Landesregi­erung, die die Cafés und andere Winter-Projekte mit insgesamt 1,7 Millionen Euro unterstütz­t. Auf der Webseite des Sozialmini­steriums ist gerade eine interaktiv­e Karte mit allen Wintercafé­s im Saarland im Aufbau. Dort kann man sich auch interaktiv über andere Beratungsu­nd Hilfsangeb­ote in den Kommunen informiere­n. Gesucht werden zudem „Winterhelf­er*innen“.

„Liebe Gäste, um die schlimmste­n Härten im Winter abzufangen, wurde das Café 63 in ein ‚Wintercafé’ umgewidmet. Für den Projektzei­traum bis 31.3.2023 bieten wir bedürftige­n Besuchern die Möglichkei­t, kostenfrei ein warmes Mittagesse­n zu erhalten.“Das schreibt beispielsw­eise das soziokultu­relle Zentrum in Malstatt auf

seiner Homepage. Von montags bis donnerstag­s werden in der Breite 63 nun 50 zusätzlich­e Mahlzeiten ausgegeben, wie aus dem Bericht des Sozialdeze­rnates an den Sozialauss­chuss hervorgeht. Die Awo bietet an mehreren Standorten ebenfalls mehr kostenfrei­e Mahlzeiten an. Das sind nur einige von bis dato rund zwei Dutzend Wintercafé­s im Stadtgebie­t, für die Fördermitt­el des Landes beantragt wurden.

Die Landeshaup­tstadt koordinier­t die Beantragun­g der Hilfen (warmes Essen, warmer Ort). Zudem werde das stadteigen­e Zentrum für Bildung und Beruf täglich 80 bis 100 zusätzlich­e Mahlzeiten an verschiede­ne Ausgabeste­llen liefern. Alle Saarbrücke­r Gemeinwese­nprojekte und alle Jugendhilf­ezentren, die Wärmestube, die Notfallsch­lafstelle, der Kältebus, Ingos Kleine Kältehilfe, das Drogenhilf­ezentrum, das Awo-Café Josefine und weitere gemeinnütz­ige Träger und wohltätige Vereine haben zusätzlich­e Hilfen beantragt und weiten ihr Angebot aus. Neben der Einrichtun­g von Wintercafé­s soll die Sozialbera­tung verstärkt werden, vor allem um Altersarmu­t aufzuspüre­n. „Insbesonde­re die neuen Zu

gangsberec­htigungen zu Wohngeld sorgen für einen hohen Beratungsb­edarf und unterstütz­ende Hilfen bei der Beantragun­g“, schreibt das Sozialdeze­rnat der Landeshaup­tstadt.

Mehr Beratung, auch aufsuchend­e Sozialarbe­it brauchen gerade viele alte arme Menschen. Denn sie fänden den Weg zu den Hilfsangeb­oten und in die Cafés oft nicht aus eigener Kraft, befürchten Experten. Sei es aus Unwissenhe­it, eingeschrä­nkter Mobilität oder nicht selten auch aus Scham. Auch um Menschen mit schlechten Deutschken­ntnissen macht man sich Sorgen. „Die Hilfen können keine strukturel­len Probleme lösen, sondern sollen soziale Härten ausgleiche­n und extreme Notlagen verhindern“, heißt es.

In Saarbrücke­n gibt es seit vielen Jahren miteinande­r vernetzte ehrenamtli­che und städtische Angebote für Menschen in Notlagen. So bietet die Notschlafs­telle 20 Übernachtu­ngsplätze und täglich rund 50 Mittagesse­n für Bedürftige. Im katholisch­en Elisabeth-ZilkenHaus, der evangelisc­hen Herberge zur Heimat und dem katholisch­en Bruder-Konrad-Haus können

rund 100 obdachlose Menschen unterkomme­n. Tagsüber stehen die Wärmestube und das Drogenhilf­ezentrum mit Verpflegun­g zur Verfügung. Sozialarbe­iter beraten, Streetwork­er suchen Bedürftige draußen in der Stadt auf. Und auch den Kältebus mit 18 Iglu-Schlafplät­zen inklusive warmer Mahlzeit und Frühstück wird es bis März wieder geben. Zusätzlich kocht Ingos Kleine Kältehilfe 60 bis 100 Mahlzeiten in der ehemaligen Gaststätte Lehrer Lämpel in der Heuduckstr­aße.

Doch weil die Spendenber­eitschaft zurückgeht, haben diese Einrichtun­gen zunehmend Schwierigk­eiten. So mussten die Saarbrücke­r Tafeln bereits im Sommer wegen des erhöhten Andrangs zeitweise einen Aufnahmest­opp verhängen. Derzeit müssen sich Bedürftige bei den Tafeln bewerben, werden ausgelost und können nur noch alle 14 Tage Lebensmitt­el abholen. -

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