Mehr Gier muss her – und die Angst muss weg
Wenn die Fußball-WM in Katar nicht schon am Sonntagabend für die Deutschen vorbei sein soll, muss sich gegen Spanien einiges ändern.
Das 1:2 gegen leidenschaftliche Japaner hat die Schwachstellen im Team von Bundestrainer Hansi Flick offen gelegt. In der Analyse sind sich alle Experten nahezu einig: Das Spiel wurde nicht erst in den letzten 20 Minuten verloren. Die Niederlage deutete sich früher an, und die Verbesserungs-Potenziale ziehen sich durch alle Mannschaftsteile. Torwart Manuel Neuer sei hier ausgenommen.
Größte Baustelle ist die Abwehr – und die dort nicht vorhandene Stabilität. Das Experiment mit den Dortmundern Nils Schlotterbeck und Niklas Süle ist missglückt, da konnte sich Antonio Rüdiger in der Mitte noch so sehr mühen. Gegen die offensive Wucht der Spanier muss Flick zur stabilen Viererkette zurückkehren, die auch nach vorne Sicherheit ausstrahlt. Matthias Ginter sollte nach seiner bisherigen Top-Saison beim SC Freiburg den Weg in die Startelf finden, auch Vereinskollege Christian Günter sollte ein Thema sein.
Überlegenswert ist, Joshua Kimmich auf die rechte Abwehrseite zu ziehen – gegen Japan blieb er bis auf die Flanke auf David Raum, der den Elfmeter zum 1:0 herausholte, blass. Ilkay Gündogan dagegen zeigte, warum er
Kapitän bei Manchester City ist – er übernahm Verantwortung beim Elfmeter, hatte Pech mit einem Pfostenschuss, und als er vom Feld ging, ging die Ordnung verloren. Eine Auswechslung ohne Not, die sich nicht wiederholen darf.
Angekündigt hatte sich das Desaster auch, als die Deutschen beste Chancen versemmelten.
Der Auftritt von Kai Havertz war zudem nicht WM-Startelf-tauglich. Der Mann vom FC Chelsea hat seine Chance vertan – die Zeit ist reif für einen echten Neuner. Niclas Füllkrug sollte seine Chance gegen Spanien bekommen. Er würde sich zerreißen – so wie es die Japaner taten, von der Nummer 1 bis zum letzten Betreuer.
Auch das war augenfällig: Eine echte Mannschaft stand da für Deutschland irgendwie nicht auf dem Platz, viele Spieler wirkten ängstlich, verweigerten sich sogar als Anspielstation. Wer gegen die spanischen Pass-Maschinen mit Angst auf den Platz tritt, wird keine Chance haben. Diese Angst muss aus den Köpfen. Und ob es Hansi Flick gelingt, bis zum kommenden Sonntag bei seinen Spielern die Gier zu wecken, jeden Zweikampf so zu führen, als wäre es der letzte, dürfte wohl die schwierigste Aufgabe des Bundestrainers sein.