Der Tag X – Als die D-Mark ins Saarland kam
Am 6. Juli 1959 – dem so genannten Tag X – wurden die französischen Franken in Deutsche Mark umgetauscht.
Am 1. Januar 1957 war das Saarland zum zehnten Bundesland der Bundesrepublik Deutschland geworden – wenn man West-Berlin mitzählt, zum elften. Gesetzliches Zahlungsmittel blieb aber bis zur wirtschaftlichen Angliederung der französische Franc, auch Franken genannt, der am 20. November 1947 die Saar-Mark abgelöst hatte. Im „Luxemburger Saarvertrag“vom 27. Oktober 1956 war festgelegt worden, dass dieser wirtschaftliche Anschluss spätestens am 31. Dezember 1959 erfolgen sollte. Das genaue Datum der Beendigung dieser dreijährigen Übergangszeit, in der Frankreich und das Saarland weiterhin ein einheitliches Wirtschafts-, Währungs- und Zollgebiet bildeten, sollte von der deutschen und der französischen Regierung in beiderseitigen Einvernehmen festgelegt und bekannt gegeben werden. Die Saarländer gingen davon aus, dass dieser Tag noch vor dem 31. Dezember 1959 kommen würde. Wann genau, das wusste jedoch niemand. Und so wurde dieser mit großer Spannung erwartete Tag landauf, landab als „Tag X“bezeichnet. ungeduldiger wurden die Saarländer. Denn der Franken hatte in Folge der Inflation stetig an Wert verloren und man wollte endlich auch im Saarland deutsche Waren mit deutscher Währung kaufen. Bürgerinnen und Bürger des Saarlandes sowie die Saarwirtschaft verlangten deshalb, dass der Tag X rechtzeitig bekannt gegeben werden soll, doch die Franzosen mochten dieser Forderung nicht entsprechen. Vermutlich, um Spekulanten keinen Vorteil zu bieten. Am Samstag, 4. Juli 1959, war es aber endlich so weit, als Ministerpräsident Franz-Josef Röder in einer von Radio Saarbrücken live übertragenen Pressekonferenz den offiziellen Zeitpunkt der Währungsumstellung verkündete. Sie sollte von Sonntag, 5. Juli, auf Montag, 6. Juli, Punkt Mitternacht, beginnen. Und so rieben sich viele Saarländer am frühen Sonntagmorgen verwundert die Augen, als sie auf den Straßen ein militärisch anmutendes Schauspiel bewundern konnten. Rund 100 Transportfahrzeuge des Bundesgrenzschutzes rollten über die ehemaligen Grenzübergänge ins Land. Sie kamen aus Karlsruhe, Landau, Neustadt und Pirmasens und waren mit Säcken voller D-Mark beladen. Rund 580 Millionen Mark brachten sie zu über 500 Umtauschstellen. Schwer bewaffnete Grenzschutzbeamte, mit Maschinenpistolen ausgerüstete Motorradfahrer, Funkstreifenwagen und Kommandofahrzeuge der Polizei begleiteten und beschützten die Transporte. Sogar aus Hubschraubern wurden die Konvois im Auge behalten und auf dem Saarbrücker Messegelände bezogen 500 Grenzschutzbeamte Quartier, um die Umtauschaktion, die unter dem Tarnnamen „Mairegen“lief, zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen.
Die Saarländer hatten zwar sehnsüchtig auf diesen „Mairegen“gewartet, doch nicht jeder war erfreut darüber, dass er unbedingt an einem heißen Juli-Tag kommen musste, an dem Temperaturen über 30 Grad herrschten. So konnten die Beschäftigten der Banken und Sparkassen den Tag nicht im Schwimmbad verbringen, sondern mussten zur Arbeit gehen, die Geldsendungen in Empfang nehmen und den Umtausch vorbereiten. Auch den Angestellten von Geschäften und Kaufhäusern wurde das Freibad kurzerhand gestrichen, denn sie mussten die Preise an ihren Waren auf die neue Währung umstellen.
Militärisch anmutendes Schauspiel
Je länger die Übergangszeit dauerte, umso
Lange Schlangen an Grenzübergängen und vor Wechselstuben
Den Geldtransportern folgten zahlreiche Händler und Vertreter aus der Bundesrepublik mit Liefer- und Lastwagen. Voll beladen mit Radios, Fernsehgeräten, Kühlschränken, Fahrrädern, Motorrädern, Möbeln und anderen Waren, die sie nun den Saarländern zollfrei anbieten konnten. Auch auf saarländischer Seite bildeten sich Lkw-Schlangen mit Produkten der Eisen- und Stahlindustrie, die man jetzt in der Bundesrepublik mit viel größerem Gewinn absetzen konnte. Nach Angaben des Innenministeriums hatten bis Montagmittag rund 2.500 Lkws die sechs größten ehemaligen Grenzübergänge zwischen der Saar und der Pfalz passiert. Die Menschen im Saarland konnten ihre Fran
ken montags, ab 10 Uhr, bei den Wechselstuben und Banken zum offiziellen Kurs von 100 zu 0,8507 umtauschen. Für 100 Franken erhielt man also 85 Pfennig.
Bis in die späten Nachmittagsstunden bildeten sich lange Schlangen, obwohl viele Städte und Gemeinden zusätzliche Sonderschalter eingerichtet hatten. Sogar Kneipen wurden in provisorische Bankschalter umgewandelt. Anfangs wurden nur Scheine und 100-Frankenmünzen zum
Umtausch angenommen und der Umtausch war auf 50.000 Franken (425 Mark) pro Person begrenzt. Aber auch die Spar- und Geschäftsguthaben wurden zum offiziellen Wechselkurs umgestellt. Der gesamte Geldumtausch verlief reibungslos und ohne organisatorische Probleme und war am 16. Juli 1959, zehn Tage nach dem Tag X, abgeschlossen.