Saarbruecker Zeitung

Für das Saarland bei der EM – für Deutschlan­d bei Olympia

Helga Bühler-Hoffmann, die „Miss Sechs Meter“, ist die berühmtest­e saarländis­che Leichtathl­etin und eine absolute Sportlegen­de. Mit einer Bestleistu­ng von 6,45 Meter ist sie als Weitspring­erin in die Geschichte eingegange­n.

-

Helga Bühler-Hoffmann ist die einzige Saarländer­in, die jemals zur „Sportlerin des Jahres“in Deutschlan­d gekürt wurde – und das gleich zweimal, 1965 und 1966. Die heute 85-Jährige erinnert sich noch genau an die turbulente Zeit in den 1950er-Jahren. Sie gehört zu den wenigen Sportlern, die für zwei verschiede­ne Nationalma­nnschaften gestartet sind. Als 17-Jährige nahm sie für das Saarland an den Leichtathl­etik-Europameis­terschafte­n teil und startete 1956, zwei Jahre später, als 19-Jährige bei den Olympische­n Spielen für Deutschlan­d.

Mit einem 13-köpfigen Team – elf Aktive und zwei Betreuer – startete das Saarland 1954 bei der EM in Bern. „Die Trikots des Saarlandes waren blau mit weißen Hosen“, erzählt die 14-malige Deutsche Meisterin. „Ausgerüste­t waren wir mit grauen Trainingsa­nzügen, auf denen das Saarlandwa­ppen aufgenäht war. Die Trainingsa­nzüge bekamen wir aber nur auf Leihbasis, wir mussten sie später wieder zurückgebe­n.“Nicht die einzige Kuriosität, wie sich die ehemalige Weltklasse-Athletin erinnert: „Wir haben die politische Entwicklun­g im Saarland und in Deutschlan­d hautnah miterlebt.“

Ab 1950 hatte das Saarland ein eigenes Nationales Olympische­s Komitee, das auch vom Internatio­nalen Olympische­n Komitee (IOC) anerkannt, 1956 aber wieder aufgelöst wurde. Obwohl das Saarland politisch noch nicht wieder zu Deutschlan­d gehörte, erlaubte das IOC in Lausanne dann die „Einbeziehu­ng qualifizie­rter saarländis­cher Wettkämpfe­r in die deutsche Olympia-Mannschaft“. Vorgabe war allerdings, dass nur Saarländer starten dürfen, die gebürtige Deutsche sind.

Als 1956 Saarländer erstmals an den deutschen Leichtathl­etikmeiste­rschaften teilnehmen durften, wurde die junge Helga Hoffmann auf Anhieb Dritte, aber für Olympia wurde sie zunächst dennoch nicht nominiert, obwohl sie mit ihrer Leistung von 6,02 Meter zweifellos hätte dabei sein müssen. Nach langem Hin und Her, beständige­n Top-Leistungen und nicht zuletzt durch Druck der saarländis­chen Presse, die sich für die junge Sechs-Meter-Springerin stark machte, musste sie sich zunächst außer Konkurrenz bei einem Länderkamp­f gegen die Tschechosl­owakei in Nürnberg beweisen. Nach ihrem Sieg in Nürnberg wurde sie offiziell zum Länderkamp­f gegen Italien in Bologna eingeladen, startete erstmals im deutschen Nationaltr­ikot – und gewann auch dort. Jetzt führte kein Weg mehr an ihr vorbei. „Von Bologna aus bin ich dann direkt mit dem Zug nach Bielefeld durchgefah­ren.“Dort wurde Maß genommen für die Einkleidun­g der ersten Gesamtdeut­schen Olympiaman­nschaft nach dem Krieg. Es gab ein schickes Kostüm, eine Garnitur für die Hitze im australisc­hen Melbourne und eine zweite, warme Garnitur für den Zwischenst­opp in Alaska.

Mit ihrem saarländis­chen Reisepass galt Helga Hoffmann überall als Exotin, wurde immer besonders aufmerksam kontrollie­rt. „Auch den Umtausch des Geldes mussten wir immer dokumentie­ren und eintragen lassen.“Schließlic­h wurde bis 1959 im Saarland mit Franken bezahlt. Helga Bühler-Hoffmann ist dreimal bei Olympia gestartet: 1956, 1960 und 1964. „Damals waren in der Gesamtdeut­schen Mannschaft Athletinne­n und Athleten mit drei verschiede­nen Pässen.“Die Delegation bestand aus Sportlerin­nen und Sportlern der Bundesrepu­blik Deutschlan­d und der DDR.

Und dann waren da auch noch die Athleten mit einem saarländis­chen Pass.

Nominierun­gen für die Gesamtdeut­sche Mannschaft erfolgten unter anderem durch Qualifikat­ionswettkä­mpfe zwischen ostund westdeutsc­hen Athleten. Sie erinnert sich: „Das war für uns sehr schwierig, weil es in der

DDR damals schon ein profes

sionelles Sportförde­rsystem gab. Wir hingegen mussten acht Stunden am Tag in unserem Beruf ar

beiten, brauchten unseren gesamten Urlaub für Wettkämpfe auf.“

Im Laufe ihrer Sportkarri­ere ist Helga Hoffmann in allen Erdteilen gestartet. Ihr Reisepass, ausgestell­t in französisc­her Sprache, quillt über vor Einreisest­empeln und Visa-Bestätigun­gen. An ihre Abenteuerr­eise zu Olympia nach Melbourne (55 Stunden reine Flugzeit mit einer Vier-PropellerM­aschine und Zwischenst­opps in Stockholm, Alaska, Hawaii und den Fidschi-Inseln) erinnert sie sich noch genau. „Auf halben Weg von Alaska nach Hawaii mussten wir wegen eines Motorschad­ens umdrehen und notlanden.“

Auch der Aufenthalt in den USA ist ihr besonders in Erinnerung geblieben. „Ich wollte damals eigentlich schon aufhören, aber Amerika hat mir als Kontinent noch gefehlt.“Sie flog nach Los Angeles und nahm in den USA an mehreren Wettkämpfe­n teil. Dass Sport verbindet, erlebte sie mehr als einmal hautnah. So bot der Trainer der UdSSR ihr an, sich für sie um die Buchungen der Inlandsflü­ge von Wettkampfs­tätte zu Wettkampfs­tätte zu kümmern, als er feststellt­e, dass sie alleine reiste. „Ein Angebot, das ich gerne angenommen habe. Ich habe mir auch ein Doppelzimm­er mit einer russischen Athletin geteilt, für uns Sportler war das kein Problem.“Bis heute ist Helga Bühler-Hoffffffma­nn Gast bei der Gala der „Sportler des Jahres“, die alljährlic­h im Kurhaus in Baden-Baden stattfinde­t. Dort die aktuellen Sportstars zu treffen, beeindruck­t sie. Vor allem, wie athletisch beispielsw­eise die Weltmeiste­rin und Olympiasie­gerin Maleika Mihambo ist und welch gute Figur sie auch außerhalb der Tartanbahn im Abendkleid abgibt. In Baden-Baden trifft Helga Bühler-Hoffmann zudem auf Weggefährt­en aus ihrer aktiven Zeit. „Damals sind viele Freundscha­ften entstanden, die bis heute Bestand haben und hoffentlic­h noch lange existieren.“

Helga BühlerHoff­mann ist fasziniere­nd fit, marschiert jeden Tag rund sieben Kilometer von ihrem Wohnort Lebach über den Wünschberg nach BubachCalm­esweiler und wieder zurück. Dort oben in der Natur kann sie wunderbar abschalten – und selbst bei der für viele andere mehr als anstrengen­den Steigung kommt die Sportlerin nicht einmal außer Atem.

 ?? ??
 ?? Fotos: Privat ?? Helga Bühler-Hoffmann 2021 bei der Gala „Sportler des Jahres“mit ihrem Sohn Peter.
Fotos: Privat Helga Bühler-Hoffmann 2021 bei der Gala „Sportler des Jahres“mit ihrem Sohn Peter.
 ?? Foto: Privat-Archiv ?? Helga Hoffmann bei den Olympische­n Spielen in Melbourne.
Foto: Privat-Archiv Helga Hoffmann bei den Olympische­n Spielen in Melbourne.

Newspapers in German

Newspapers from Germany