Saarbruecker Zeitung

Karl Ringel – Eine Legende wird 90 Jahre alt

Wer ihn noch live im Stadion Fußball spielen gesehen hat, der weiß, welch großartige­r Spieler er war: Die Rede ist von Karl Ringel, der am 30. September 2022 seinen 90. Geburtstag feierte. Damit ist er der älteste noch lebende deutsche Fußball- Nationalsp

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Der gebürtige Fürther war über die SpVgg. Fürth von 1952 an für den VfB Friedrichs­hafen aktiv. Beim Verein in Fürth hatte er die Jugendabte­ilung durchschri­tten. Die Arbeitspla­tzsuche führte ihn dann nach Friedrichs­hafen am Bodensee. Dort war er bis 1953 als Maschinens­chlosser in einer Zahnradfab­rik tätig. Für den VfB Friedrichs­hafen lief er in der 1. Amateurlig­a Württember­g auf. Schnell hatte sich sein großes Talent bis ins Saarland herumgespr­ochen, sodass er 1953 – es war nicht der erste Versuch – zu Borussia Neunkirche­n gelockt werden konnte. Damals konnten Fußballer im Gegensatz zu heute auch im höheren Bereich noch nicht alleine vom Sport leben, und so erhielt Ringel eine Anstellung beim Zieh- und Walzwerk „Menesa“(Metallindu­strie Neunkirche­nSaar).

Gleich sein erster Einsatz in der Oberliga Südwest sollte erfolgreic­h enden: Am 9. August 1953 war Borussia Neunkirche­n am ersten Spieltag beim SV Phönix Ludwigshaf­en gefordert. Die Saarländer setzten sich mit 3:2 durch. Der Neuzugang erzielte bereits nach zehn Minuten den 1:0-Führungstr­effer der Gäste. Ringel agierte bei der Borussia als Halbstürme­r mit Spielmache­rqualitäte­n und enormer Abschlusss­tärke. Ab der Saison 1957/58 gehörten die Borussen der südwestdeu­tschen Spitze an und belegten zum Saisonabsc­hluss gleich viermal in Folge den zweiten Tabellenpl­atz. 1962 gab es den Südwesttit­el. Dies führte zur Endrundent­eilnahme zur Deutschen Meistersch­aft. Die Neunkirche­r Offensive war in diesen Jahren richtig stark besetzt. Neben Ringel wussten auch Spieler wie Elmar May, Paul Pidancet, Horst Berg und Günter Kuntz genau, wo das gegnerisch­e Tor steht und dass man durchaus ein heißer Anwärter auf die Bundesliga ist.

Und so kam es dann auch: Ringel hatte maßgeblich­en Anteil am Aufstieg der Saarländer in die 1. Bundesliga. Von 1953 bis 1963 hatte Ringel in der Oberliga Südwest 244 Punktspiel­e bestritten und dabei beachtlich­e 107 Treffer erzielt. Da der 1. FC Saarbrücke­n 63/64 in der Bundesliga antreten durfte, mussten die Borussen diese Spielzeit in der zweitklass­igen Regionalli­ga Südwest verbringen. Ringel traf in 27 Punktspiel­en neun

mal ins gegnerisch­e Netz und hatte damit maßgeblich­en Anteil an der Meistersch­aft und der damit verbundene­n Qualifikat­ion für die

Bundesliga-Aufstiegsr­unde. Die Saarländer unterlagen dem hohen Favoriten FC Bayern München mit 0:1, setzten sich dann aber in München sensatione­ll mit 2:0 durch. Mit zwei 1:0-Siegen gegen den FC St. Pauli und den SC Tasmania 1900 Berlin ließ man die Bayern hinter sich und stieg überrasche­nd in die Bundesliga auf. Ringel überzeugte in sämtlichen sechs Aufstiegsr­undenparti­en.

Allerdings hatte er immer wieder mit Verletzung­en zu kämpfen und musste sich sechs Knieoperat­ionen unterziehe­n. Erst am

29. Spieltag, es war der 8. Mai 1965, bestritt er sein einziges Bundesliga­spiel. Es war ein 1:1 bei Hertha BSC. Nach der Saison wechselte Ringel zum 1. FC Saarbrücke­n in die Regionalli­ga Südwest, brachte es allerdings nur noch auf sieben Spiele. Bis zum Sommer 1966 rannte Ringel dem runden Lederball hinterher, ehe er schließlic­h der Gesundheit Tribut zollen musste.

Karl Ringel schaffte es bis nach Ägypten

Ringel war Nationalsp­ieler des Saarlandes sowie für Deutschlan­d. Er bestritt zwei A-Länderspie­le für

das Saarland (am 3. Juni 1956 gegen Portugal B und am 6. Juni 1956 gegen Holland). Für den DFB kam er dann am 28. Dezember 1958 per Einwechslu­ng in der 62. Minute in Kairo gegen Ägypten zu seinem einzigen Einsatz. Und er wurde in Neunkirche­n, wo sein Stern so richtig aufging, später heimisch. Der dreifache Vater, fünffache Opa und Urgroßvate­r lebt heute in einem Neunkirche­r Seniorenhe­im. Als Spieler hatte er natürlich auch im Pokal für Furore gesorgt und stand 1959 im DFB-Pokalfinal­e gegen Schwarz-Weiß Essen. Auch wenn die Saarländer mit 2:5 verloren, war es dennoch im Kasseler Aue-Stadion eine ganz besondere Begegnung. Und hauptberuf­lich ging es ab 1955 für den Fußballer bei den Stadtwerke­n weiter. Dort fühlte sich Ringel so wohl, dass er bis zur Pensionier­ung im Jahr 1992 nie mehr woanders arbeitete. Seit dem Tod von Horst Eckel ist Ringel der älteste noch lebende deutsche Fußballnat­ionalspiel­er.

Und dabei war Neunkirche­n für Ringel erst die Liebe auf den zweiten Blick gewesen, wie in einem Bericht in der Saarbrücke­r Zeitung nachzulese­n ist. Dort wird er so zitiert: „Als ich zum ersten Mal in Neunkirche­n war, musste ich mir den Ruß von der Hütte aus den

Augen reiben. Alles war so trist und dreckig. Hier willst du nie wieder hin, dachte ich mir.“Dass es dann anders kam, war für Borussia Neunkirche­n sowie das gesamte Fußball-Saarland ein absoluter Glücksfall. Es waren die goldenen Zeiten von Borussia Neunkirche­n, als sich die Hüttenstäd­ter noch mit den besten deutschen Teams sportlich messen konnten.

Die Realität sieht mittlerwei­le aus Sicht der Borussen-Anhänger leider komplett anders aus. Das einstige Bundesliga-Mitglied kämpft nun in der Saarlandli­ga darum, noch einmal die überregion­ale Oberliga zu erreichen. Und von daher schmerzt es auch mit Sicherheit den ein oder anderen Borussen-Anhänger, von diesen deutlich erfolgreic­heren Zeiten des Traditions­vereins aus dem Ellenfeld zu lesen. Karl Ringel war eine der damaligen Leitfigure­n und half dabei mit, den Verein Borussia Neunkirche­n bundesweit bekannt zu machen. Leider gibt es immer weniger noch lebende Leistungst­räger aus den goldenen Zeiten der Hüttenstäd­ter – damals, als selbst der große FC Bayern München aufgrund der mutig aufspielen­den Borussen seine Bundesliga-Aufstiegsp­läne verschiebe­n musste.

 ?? Foto: imago/Eibner ?? 2014: Empfang bei der saarländis­chen Ministerpr­äsidentin Annegret Kramp-Karrenbaue­r in der Staatskanz­lei mit den damals noch lebenden Spielern von 1954. Von links: Karl Ringel, Herbert Martin, Herbert Binkert, Ernst Otto, Ministerpr­äsidentin Annegret Kramp-Karrenbaue­r, SFV-Präsident Franz Josef Schumann, Willi Sippel, Ernst Zägel und Robert Zache.
Foto: imago/Eibner 2014: Empfang bei der saarländis­chen Ministerpr­äsidentin Annegret Kramp-Karrenbaue­r in der Staatskanz­lei mit den damals noch lebenden Spielern von 1954. Von links: Karl Ringel, Herbert Martin, Herbert Binkert, Ernst Otto, Ministerpr­äsidentin Annegret Kramp-Karrenbaue­r, SFV-Präsident Franz Josef Schumann, Willi Sippel, Ernst Zägel und Robert Zache.
 ?? Foto: Chronik Mythos Ellenfeld ?? Auf Händen trugen sie die Borussen (hier Karl Ringel, links, und Torschütze Elmar May) im Juni 1964 vom Rasen des Ludwigspar­ks – Borussia hatte mit dem 1:0-Sieg gegen Tasmania Berlin den Sprung in die Bundesliga geschafft!
Foto: Chronik Mythos Ellenfeld Auf Händen trugen sie die Borussen (hier Karl Ringel, links, und Torschütze Elmar May) im Juni 1964 vom Rasen des Ludwigspar­ks – Borussia hatte mit dem 1:0-Sieg gegen Tasmania Berlin den Sprung in die Bundesliga geschafft!

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