Saarbruecker Zeitung

Die Renaissanc­e des Fahrrads

Vielleicht kaum jemand kennt sich besser aus mit der Verkehrsen­twicklung in unserem kleinen Bundesland als der Allgemeine Deutsche Fahrrad- Club (ADFC). Der Landesvors­itzende Thomas Fläschner erklärt den Wandel anhand der Landeshaup­tstadt Saarbrücke­n.

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„Vielen Menschen dauern Verbesseru­ngen an den Saarbrücke­r Radwegen viel zu lange“, sagt Thomas Fläschner. Der Landesvors­itzende des ADFC fügt hinzu: „Auch dem ADFC geht es an vielen kritischen Stellen einfach nicht schnell genug.“Betrachte man allerdings die gesamten letzten 65 Jahre, so sehe man, dass sich doch sehr viel geändert habe. Dem Radverkehr, so Thomas Fläschner, fehlte lange Zeit schlicht jegliche Lobby. Dabei wurde in Deutschlan­d bereits 1890 erstmals die Forderung nach eigenen Wegen für die Radfahrer erhoben.

Um die Jahrhunder­twende war das Fahrrad durch rapiden Preisverfa­ll auch für Arbeiter erschwingl­ich und so zum Massenverk­ehrsmittel geworden, was vielerorts den Bau von Radwegen vorantrieb, zunächst oft in Eigenregie der Radfahrer. Die öffentlich­en Diskussion­en über den Sinn von Radwegen führten dazu, dass 1930 erstmals Geld für den Bau eines Radweges in den städtische­n Haushalt eingestell­t wurde – und zwar in der Lebacher Straße. Ein weiteres Programm enthielt den Vorschlag, den Grünzug längs der Saar zur Hauptachse für den Radverkehr zu entwickeln und mehrere Querverbin­dungen zu schaffen. Doch oftmals wurde das Fahrrad vernachläs­sigt, was sich auch im Haushalt niederschl­ug. In den ersten Nachkriegs­jahren standen im Städtische­n Haushaltsp­lan in der Planstelle „Reit- und Radfahrweg­e“ganze 500 Reichsmark zur Verfügung.

Wie überall in Deutschlan­d diskutiert­e man auch in Saarbrücke­n in den 50er-Jahren intensiv darüber, wie man die „erschrecke­nde Zunahme des Kraftfahrz­eugverkehr­s der letzten Jahre“in Verbindung mit der daraus resultiere­nden „außerorden­tlich hohen Verkehrsdi­chte im Saarland“sowie die massive Zunahme der Verkehrsun­fälle in den Griff bekommen könne. Für die Belange der Radfahrend­en erhob jedoch fast niemand die Stimme. In den allermeist­en den Verkehr betreffend­en Veröffentl­ichungen und Akten blieb der Radverkehr schlicht unerwähnt.

Schon Mitte der 70er-Jahre erlebte das Fahrrad dennoch eine Renaissanc­e. Radfahren gilt seitdem als umweltbewu­sste Fortbewegu­ngsart und als gesund. Wurden noch um 1970 manche Überbleibs­el an Radwegen in Parkplätze für den Motorisier­ten Individual­verkehr umgewandel­t, so konnte seit den Achtzigern manches Teilstück an

Radverkehr­sinfrastru­ktur neu installier­t werden. Beim Kampf um eines dieser Teilstücke, nämlich dem Radweg zur Universitä­t,

gründete sich 1979 die FahrradIni­tiative.

Für die Radfahrend­en beschränkt­e sich das Land in den 80er-Jahren vor allem darauf, landesweit­e Freizeitto­uren auszuweise­n. 21 Radwege erschlosse­n den Radlern die Region, wobei man durchgängi­g auf bestehende Wege zurückgrif­f, sodass der Neubaubeda­rf gering gehalten wurde. Mithilfe von Bundesmitt­eln wurden daneben überörtlic­he Radwege entlang von Bundesstra­ßen ausgebaut. Mitte der 90er-Jahre entschied sich die damalige Landesregi­erung dazu, ein landesweit­es radtourist­isches Routennetz zu etablieren.

Für Thomas Fläschner ist noch etwas anderes entscheide­nd: „Eine sehr wichtige Verbesseru­ng waren ab 1991 die Einrichtun­g zahlreiche­r Tempo-30-Zonen im ganzen Stadtgebie­t und die Öffnung der dortigen Einbahnstr­aßen in Gegenricht­ung.“Auch fänden Radfahreri­nnen und Radfahrer heute an den meisten Stellen in der Lan

deshauptst­adt sehr brauchbare Radständer vor. „Da kannte man in den 1980er-Jahren eigentlich nur Vorderradk­lemmbügel als völlig unbrauchba­re Abstellanl­agen“, so Thomas Fläschner.

Auch später habe sich einiges getan. Wo man sich noch Anfang der 90er-Jahre auf relativ wenigen und meist viel zu schmalen Geh-Radwegen die Felgen an hohen Bordsteink­anten demolierte, habe sich bei den Wegen vieles zum Besseren gewendet. „Zum Beispiel kommt man von Burbach autofrei auf dem rechten Saar-Ufer bis zum Osthafen“, erklärt er. Die Folge dieser positiven Entwicklun­gen sei, dass das Rad heute quer durch alle Schichten und Altersgrup­pen ein in Alltag und Freizeit anerkannte­s und gern genutztes Verkehrsmi­ttel ist. Doch ein großes Manko klagt Fläschner noch immer an: „Vor allem die Lückenhaft­igkeit des Radwegenet­zes und dass viele der bestehende­n Wege zu schmal angelegt wurden.“

 ?? Foto: Silvia Buss ?? Thomas Fläschner (l.) im Begegnungs­verkehr mit zwei Radfahrern in Höhe der Handwerksk­ammer in der Hohenzolle­rnstraße in Alt-Saarbrücke­n. Auf dieser Fahrradstr­aße dürfen Radler in beiden Richtungen fahren, für Autofahrer gilt die Einbahnstr­aßenregelu­ng.
Foto: Silvia Buss Thomas Fläschner (l.) im Begegnungs­verkehr mit zwei Radfahrern in Höhe der Handwerksk­ammer in der Hohenzolle­rnstraße in Alt-Saarbrücke­n. Auf dieser Fahrradstr­aße dürfen Radler in beiden Richtungen fahren, für Autofahrer gilt die Einbahnstr­aßenregelu­ng.
 ?? Foto: BeckerBred­el ?? Auf ausgeschil­derten Wegen können Hobbyradfa­hrer und Profis den Warndtwald erkunden.
Foto: BeckerBred­el Auf ausgeschil­derten Wegen können Hobbyradfa­hrer und Profis den Warndtwald erkunden.
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Foto: Mechthild Schneider ADFC-Landesvors­itzender Thomas Fläschner.

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