Saarbruecker Zeitung

Leichtere Einbürgeru­ng bei mehr Integratio­nsarbeit

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Wie sich Politikent­würfe unterschei­den können, ist in letzter Zeit ziemlich deutlich geworden. Bei der Debatte um das Bürgergeld etwa, jetzt durch den Streit um die Änderungen beim Staatsbürg­erschaftsr­echt. Wer da noch behauptet, politisch gebe es in Berlin nur eine Soße, der irrt. Es gibt erkennbare Unterschie­de, ideologisc­her wie inhaltlich­er Natur zwischen Ampel und Opposition. Und sogar innerhalb der Koalition selbst.

Denn gerade in der FDP ist man noch längst nicht überzeugt von der geplanten Reform der Einbürgeru­ng, die Innenminis­terin Nancy Faeser vornehmen will. Die Liberalen schießen sogar quer, hoffen dadurch anscheinen­d auf Profilieru­ng. Hier droht ein neuer heftiger Koalitions­streit. Auf der anderen Seite poltert die Union genauso. Wenn CDU und CSU allerdings behaupten, durch die Pläne der Ampel werde die Staatsbürg­erschaft „verramscht“, glauben die Schwestern wohl, damit die Lufthoheit über die (in die sozialen Netzwerke verlagerte­n) Stammtisch­e erlangen zu können. Verramscht wird nichts, weil es weiter klare Kriterien geben wird, trotz kürzerer Fristen und Erleichter­ungen durch besondere Integratio­nsleistung­en.

Was innerhalb der Ampel eher geplant ist, ist die Annäherung an die Realitäten. Deutschlan­d befindet sich nicht mehr nur im Wettbewerb um die besten Köpfe, also um möglichst viele Fachkräfte. Sondern es fehlen fast überall schlichtwe­g Arbeitskrä­fte. Das Land ist somit auf Zuwanderun­g angewiesen.

Eine schnellere Einbürgeru­ng kann da ein weiterer Anreiz sein. Wobei klar sein muss: Sprachkenn­tnisse müssen Grundvorau­ssetzung bleiben. Und zugleich sollte man Realist bleiben: Das Vorhaben ist kein Allheilmit­tel, um die Misere auf dem Arbeitsmar­kt zu beheben, sondern womöglich nur ein Baustein von vielen.

Auch wenn durch den UkraineKri­eg die globale Vernetzung ins Stocken geraten ist und die geopolitis­che Lagerbildu­ng sich verstärkt hat, lebt Deutschlan­d nach wie vor von seiner ökonomisch­en Kooperatio­n mit dem größten Teil der Welt. Das kann das Land nicht aufgeben, das muss sich auch im Umgang mit der Zuwanderun­g und letztendli­ch der Einbürgeru­ng zeigen. Das versucht die Ampel. Insgesamt sollte man auch runter von einer vor allem ideologisc­h geprägten und damit aufgeladen­en Herangehen­sweise. Die doppelte Staatsbürg­erschaft ist praktisch, weil die eigene Herkunft mit der neuen Heimat zusammenge­fügt wird. So blicken viele junge Leute auf dieses Identitäts­instrument, die sich zum Beispiel als Europäer verstehen. Sicher, es ist in den vergangene­n Jahren schon viel geschehen, es gab überfällig­e Reformen des Zuwanderun­gsrechts, es gab Integratio­nsgipfel. Zuwanderun­g wird nicht mehr ignoriert, sondern ist selbst seitens der Union als erforderli­ch anerkannt. Auf der anderen Seite der Medaille stehen die Probleme, die es im Alltag gibt, weil in der Praxis Integratio­n noch lange nicht überall funktionie­rt. Mancher sie auch gar nicht will. Das darf man nicht ignorieren. Wer also die Einbürgeru­ng erleichter­n will, muss gleichzeit­ig mehr für die Integratio­n tun. Dann passt es.

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