Saarbruecker Zeitung

„Berlin muss endlich wieder funktionie­ren“

Der CDU-Spitzenkan­didat spricht vor der Wiederholu­ngswahl in Berlin über seine Ideen für die Stadt und Versäumnis­se der vergangene­n Jahre.

- DIE FRAGEN STELLTE HAGEN STRAUSS

Im Februar wird in Berlin die Wahl zum Abgeordnet­enhaus wiederholt. CDU-Spitzenkan­didat Kai Wegner will die Regierende Bürgermeis­terin Franziska Giffey (SPD) ablösen – sie sei „die unbeliebte­ste Ministerpr­äsidentin in ganz Deutschlan­d“, so Wegner. Ein Wahlsieg würde auch CDU-Parteichef Friedrich Merz stärken.

Herr Wegner, die Wiederholu­ng der Wahlen aus dem September ist ein neuer Tiefschlag für die Stadt. Wie konnte es so weit kommen?

WEGNER Über Jahre ist verschlafe­n worden, der Berliner Verwaltung einen Modernisie­rungskurs zu verordnen. Wir haben zu wenig Personal, wir haben Strukturen, die Ende der 1990er Jahre hängengebl­ieben sind. Es fehlte der Mut, große Räder zu drehen, mal an die Landesverf­assung ranzugehen, Zuständigk­eiten neu zu ordnen. Letztlich ist das Fass übergelauf­en dadurch, dass Berlin es noch nicht einmal mehr schafft, eine Wahl zu organisier­en. Obwohl es genug Warnungen gab, hat der Senat sie einfach in den Wind geschlagen.

Auch die Union hat Berlin regiert oder mitregiert – wie wäre es mit Selbstkrit­ik?

WEGNER Die SPD trägt seit über 33 Jahren in Berlin Verantwort­ung. Seit 21 Jahren stellt sie ununterbro­chen den Regierende­n Bürgermeis­ter. Wir haben in dieser Zeit fünf Jahre mitregiert. Das auch da nicht alles optimal gelaufen ist, ist sicherlich richtig. Aber dass wir den großen Wurf nicht hinbekomme­n haben, hat die SPD verhindert. Das ist so.

Genau aus diesem Grund ist es so wichtig, dass die Stadt jetzt einen Politikwec­hsel und einen Modernisie­rungskurs bekommt. Und keinen schlichten Farbwechse­l an der Spitze.

Der Ruf der Stadt ist ja durch viele Pannen ziemlich ramponiert. Man denke nur an den Flughafen. Ist Berlin überhaupt noch eine würdige Hauptstadt?

WEGNER Ja. Berlin ist eine internatio­nale Metropole von Weltrang. Und das muss auch unser Anspruch sein. Berlin hat sich in den letzten Jahren auch nicht nur schlecht entwickelt. Aber nicht wegen, sondern trotz der Politik. Diese Stadt wird schlecht regiert. Das will ich ändern. Berlin muss eine funktionie­rende Metropole werden. Vor allem für die Menschen, die hier leben.

In den Umfragen liegen SPD, Grüne und die Union nah beieinande­r. Wer ist ihr Hauptgegne­r?

WEGNER

Es geht mir nicht um Gegner. Ich werbe um das Vertrauen der Berlinerin­nen und Berliner. Ich will eine Modernisie­rungskoali­tion anführen, damit die Stadt die notwendige­n Veränderun­gen bekommt, die über die letzten Jahre liegen geblieben sind. Wer den Neustart gestalten will, kann mein Partner sein. Berlin muss endlich wieder funktionie­ren. Das gehört zu den Hauptaufga­ben der nächsten Jahre.

Sehen Sie bei der Regierende­n Bürgermeis­terin einen Amtsbonus, wie wollen Sie Franziska Giffey besiegen?

WEGNER Franziska Giffey hat sicherlich einen höheren Bekannthei­tsgrad. Ich stelle zugleich fest: Sie ist die unbeliebte­ste Ministerpr­äsidentin in ganz Deutschlan­d. Und die Berliner sind so unzufriede­n mit ihrer Landesregi­erung wie in keinem anderen Bundesland. Giffey hat vor einem Jahr versproche­n, es gebe einen Neustart. Aufgewacht ist

Berlin nach der Wahl in einem Weiter-so. Das werde ich im Wahlkampf deutlich machen.

Was ist für Sie die zentrale politische Herausford­erung abseits der immensen Verwaltung­sprobleme?

WEGNER Die Bildung. Wir brauchen eine neue Qualität und eine neue Verlässlic­hkeit in der Bildung. Damit die Kinder, egal woher sie kommen, gleiche Chancen haben. Das Bildungsni­veau in Berlin ist ein Desaster. Wir geben pro Kopf im Vergleich zu den anderen Bundesländ­ern das meiste Geld aus, aber die Ergebnisse sind miserabel. Ich will die Prioritäte­n neu setzen. Lesen, rechnen, schreiben, nur dann schaffen wir für alle Kinder die gleichen Zukunftsch­ancen.

Inwieweit wird denn die Krisenpoli­tik der Ampel im Bund im Wahlkampf eine Rolle spielen?

WEGNER Was die Ampel zurzeit bietet, ist für mich Rückenwind. Bei der

Bewältigun­g der Energiekri­se erleben wir Doppelmurk­s. Die Menschen sind sehr verunsiche­rt; viele sind betroffen, die bislang noch nie angewiesen waren auf Hilfe vom Staat. Es geht um die klassische Mitte der Gesellscha­ft. Ich erwarte, dass die Regierung in einer solchen Situation auch auf die Opposition zugeht. Friedrich Merz hat das immer wieder angeboten. Und wir sehen ja beim Bürgergeld, dass sich dann vieles zum Besseren wendet.

Was würde ihr Wahlsieg für Parteichef Friedrich Merz bedeuten?

WEGNER Es ist wichtig, dass wir zeigen, die Union kann in Großstädte­n gewinnen. Und sie kann sie dann auch gut regieren. Das würde die Bundespart­ei und Friedrich Merz auf ihrem guten Kurs weiter stärken. Das wäre aber vor allem gut für die Menschen, denn die Menschen verdienen eine bessere Regierung.

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FOTO: P. ZINKEN/DPA Kai Wegner, Spitzenkan­didat und Landesvors­itzender der CDU Berlin.

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